VON DER WAREN SEELSORGE
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inneren Entwicklung zu fördern. Daher gehört für ihn auch der Kirch-
spielpfleger zu den Dienern am Wort im weiteren Sinn. Es war die
Auffassung Bucers, daß die Kirchspielpfleger mit den Ältesten der
apostolischen und nachapostolischen Zeit gleichzusetzen seien. Von
dorther ist es erklärlich, daß er sie zu den geistlichen Personen rechnet.
Dieses Amt der Kirchspielpfleger wurde auf Bucers Betreiben in Straß-
burg eingeführt und bestand seit 1531.
Wie Gustav Anrich nachgewiesen hat 28, liegt hier der biblizistische
Ansatz für die spätere reformierte Amtslehre, die in entscheidenden
Stücken von der lutherischen abweicht. Während auf lutherischer Seite
Predigt, Sakramentsverwaltung und Schlüsselgewalt als Kennzeichen
des geistlichen Amtes zusammengehören — wobei besonders Melanch-
thon die »potestas clavium« hervorhebt 2?, so daß in der Regel der »rite
vocatus« ausschließlich als der Lossprechende erscheint—, wird in
Bucers Ansatz das Prinzip des allgemeinen Priestertums deutlich. Hier
dient ein Laie dem anderen als »minister et pastor« kraft seines Auf-
trages, und nicht nur im Notfall. Die Würde liegt nicht so sehr in der
kirchlichen Vokation, das heißt bei der Kirche selbst, sondern eignet
der frommen Persönlichkeit, die den Dienst als Ältester oder Kirchspiel-
pfleger ehrenamtlich in der Gemeinde auf sich genommen hat. Die
biblische Vorlage erscheint demnach bei Bucer in anderem Licht. Im
Grunde sieht er zwei Ämter: 1. das Amt der Seelsorge im inneren Sinn
und 2. das Amt der Versehung mit äußeren Gütern, das heißt der
Diakonie. Diese Auffassung ist also nicht erst unter Jan Laski in der
Londoner Fremdengemeinde um 1550 aufgetaucht, wie früher ver-
mutet wurde 30, sondern ist von Bucer entwickelt und vermittelt. Die
Ältesten und Diakonen sind in gleicher Weise Amtsträger. Bekanntlich
hat sich diese Konzeption Bucers auch in der reformierten Kirche nicht
gehalten. Der an dieser Stelle so stark hervorgehobene Grundsatz des
allgemeinen Priestertums ist auch dort fallen gelassen worden.
Bucers Gedanke, zum besseren Aufbau der Gemeinde tätige Ge-
meindeglieder heranzuziehen, entsprach nicht nur dem Grundsatz des
allgemeinen Priestertums, sondern knüpfte bewußt auch an die alt-
kirchliche Überlieferung an. Nach seiner Meinung wurde mit einer
Ordnung, die der apostolischen nahekam, der tatsächlichen Lage der
Gemeinde am besten geholfen. Bucer hatte daher beim Rat der Stadt
Straßburg rechtzeitig dahin gewirkt, daß für jede Pfarre drei Kirchspiel-
pfleger bestellt würden. »Der Rat möchte, wenn seine Mandate gehalten
28. In seiner Rektoratsrede »Straßburg und die calvinische Kirchenverfassung«,
Tübingen 1928, S. 21 ff.
29. Vgl. AC XI (BS, S. 249 f.), und Trac. de potest. et prim, papae (BS, S. 471 ff.).
30. Vgl. P. Tschackert: Die Entstehung d. luth. u. reform. Kirchenlehre. 1910.
S. 435, Anm. 1.
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inneren Entwicklung zu fördern. Daher gehört für ihn auch der Kirch-
spielpfleger zu den Dienern am Wort im weiteren Sinn. Es war die
Auffassung Bucers, daß die Kirchspielpfleger mit den Ältesten der
apostolischen und nachapostolischen Zeit gleichzusetzen seien. Von
dorther ist es erklärlich, daß er sie zu den geistlichen Personen rechnet.
Dieses Amt der Kirchspielpfleger wurde auf Bucers Betreiben in Straß-
burg eingeführt und bestand seit 1531.
Wie Gustav Anrich nachgewiesen hat 28, liegt hier der biblizistische
Ansatz für die spätere reformierte Amtslehre, die in entscheidenden
Stücken von der lutherischen abweicht. Während auf lutherischer Seite
Predigt, Sakramentsverwaltung und Schlüsselgewalt als Kennzeichen
des geistlichen Amtes zusammengehören — wobei besonders Melanch-
thon die »potestas clavium« hervorhebt 2?, so daß in der Regel der »rite
vocatus« ausschließlich als der Lossprechende erscheint—, wird in
Bucers Ansatz das Prinzip des allgemeinen Priestertums deutlich. Hier
dient ein Laie dem anderen als »minister et pastor« kraft seines Auf-
trages, und nicht nur im Notfall. Die Würde liegt nicht so sehr in der
kirchlichen Vokation, das heißt bei der Kirche selbst, sondern eignet
der frommen Persönlichkeit, die den Dienst als Ältester oder Kirchspiel-
pfleger ehrenamtlich in der Gemeinde auf sich genommen hat. Die
biblische Vorlage erscheint demnach bei Bucer in anderem Licht. Im
Grunde sieht er zwei Ämter: 1. das Amt der Seelsorge im inneren Sinn
und 2. das Amt der Versehung mit äußeren Gütern, das heißt der
Diakonie. Diese Auffassung ist also nicht erst unter Jan Laski in der
Londoner Fremdengemeinde um 1550 aufgetaucht, wie früher ver-
mutet wurde 30, sondern ist von Bucer entwickelt und vermittelt. Die
Ältesten und Diakonen sind in gleicher Weise Amtsträger. Bekanntlich
hat sich diese Konzeption Bucers auch in der reformierten Kirche nicht
gehalten. Der an dieser Stelle so stark hervorgehobene Grundsatz des
allgemeinen Priestertums ist auch dort fallen gelassen worden.
Bucers Gedanke, zum besseren Aufbau der Gemeinde tätige Ge-
meindeglieder heranzuziehen, entsprach nicht nur dem Grundsatz des
allgemeinen Priestertums, sondern knüpfte bewußt auch an die alt-
kirchliche Überlieferung an. Nach seiner Meinung wurde mit einer
Ordnung, die der apostolischen nahekam, der tatsächlichen Lage der
Gemeinde am besten geholfen. Bucer hatte daher beim Rat der Stadt
Straßburg rechtzeitig dahin gewirkt, daß für jede Pfarre drei Kirchspiel-
pfleger bestellt würden. »Der Rat möchte, wenn seine Mandate gehalten
28. In seiner Rektoratsrede »Straßburg und die calvinische Kirchenverfassung«,
Tübingen 1928, S. 21 ff.
29. Vgl. AC XI (BS, S. 249 f.), und Trac. de potest. et prim, papae (BS, S. 471 ff.).
30. Vgl. P. Tschackert: Die Entstehung d. luth. u. reform. Kirchenlehre. 1910.
S. 435, Anm. 1.