84
SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9
zu verfassen, die ihre Anschauungen und zugleich die Begründung
ihrer Forderungen enthielt. Diese programmatische Schrift, die dem
Rat wie der Bürgerschaft das Vorhaben der Prediger nahebringen sollte,
ist unsere Schrift »Von der waren Seelsorge«.
Bucer hat es wohl nicht vorausgesehen, daß seine Pläne bezüglich
der Kirchenzucht in Straßburg auf so wenig fruchtbaren Boden fallen
würden. Auch seine Schrift »Von der waren Seelsorge« hat keine
Änderung in der Haltung der Obrigkeit und der Kirchspielpfleger selbst
hervorrufen können. Gerade das Versagen dieser kirchlichen Organe,
die Bucer nachweislich überforderte, brachte es mit sich, daß Bucer
schon nach wenigen Jahren von seinen eigenen Entwürfen abrückte
und eine neue Form des christlichen Gemeinschaftslebens vorschlug,
die sich an Luthers Gedanken stärker anschloß und ihm wohl eine
bessere Verwirklichung seines Kirchengedankens versprach 61.
6. Beschreibung der Drucke
A. Der Erstdruck (Bibliographia Bucerana Nr. jp): Der Straßburger Erst-
druck zählt 122 Blätter (116 gezählte und 6 ungezählte Blätter) in 4 0.
Die Schrift ist durchgehend in Fraktur gesetzt. Die biblischen Beleg-
stellen zu den einzelnen Abschnitten, die nach Luthers Bibelübersetzung
zitiert sind, werden durch großen Druck hervorgehoben. Die Margi-
nalien sind in einer kursiven Antiqua gesetzt. Sämtliche Zahlen er-
scheinen als römische Zahlen. Das Imprimit enthält keine genaueren
Angaben, als sie der Titel vermittelt. Vermutlich hat die Schrift im
April 1538 fertig Vorgelegen. Der Drucker ist Wendel Rihel.
B. Die deutschen Nachdrucke von 1774 und 1792 (Bibliographia Bucerana
Nr. 79b-c): Die Schrift »Von der waren Seelsorge« hat verhältnismäßig
spät Nachdrucke erlebt. Zu Bucers Lebzeiten ist die Schrift nur dort
wirksam geworden, wo ihr Verfasser selbst tätig gewesen ist, das heißt
abgesehen von Straßburg nur in Hessen bzw. im Auslande. Als aber in
der nächsten Generation in Straßburg und in der Pfalz die konfessio-
nellen Kämpfe ausgetragen wurden, wurde auch diese Schrift als
Kampfmittel eingesetzt. Damals standen Bucers Freunde auf der
reformierten Seite. Die Schrift wurde mit deutlicher kirchenpolitischer
Nebenabsicht herausgegeben, und zwar beide Male, sowohl in Heidel-
berg wie in Neustadt a. d. Hardt, mit kurfürstlich pfälzischem Privileg.
61. Vgl. dazu W. Bellardi: Die Geschichte der »Christlichen Gemeinschaft« in
Straßburg. QFRG 18. 1934.- W. Köhler: Zürcher Ehegericht und Genfer Konsi-
storium. Bd. II. 1942.
SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9
zu verfassen, die ihre Anschauungen und zugleich die Begründung
ihrer Forderungen enthielt. Diese programmatische Schrift, die dem
Rat wie der Bürgerschaft das Vorhaben der Prediger nahebringen sollte,
ist unsere Schrift »Von der waren Seelsorge«.
Bucer hat es wohl nicht vorausgesehen, daß seine Pläne bezüglich
der Kirchenzucht in Straßburg auf so wenig fruchtbaren Boden fallen
würden. Auch seine Schrift »Von der waren Seelsorge« hat keine
Änderung in der Haltung der Obrigkeit und der Kirchspielpfleger selbst
hervorrufen können. Gerade das Versagen dieser kirchlichen Organe,
die Bucer nachweislich überforderte, brachte es mit sich, daß Bucer
schon nach wenigen Jahren von seinen eigenen Entwürfen abrückte
und eine neue Form des christlichen Gemeinschaftslebens vorschlug,
die sich an Luthers Gedanken stärker anschloß und ihm wohl eine
bessere Verwirklichung seines Kirchengedankens versprach 61.
6. Beschreibung der Drucke
A. Der Erstdruck (Bibliographia Bucerana Nr. jp): Der Straßburger Erst-
druck zählt 122 Blätter (116 gezählte und 6 ungezählte Blätter) in 4 0.
Die Schrift ist durchgehend in Fraktur gesetzt. Die biblischen Beleg-
stellen zu den einzelnen Abschnitten, die nach Luthers Bibelübersetzung
zitiert sind, werden durch großen Druck hervorgehoben. Die Margi-
nalien sind in einer kursiven Antiqua gesetzt. Sämtliche Zahlen er-
scheinen als römische Zahlen. Das Imprimit enthält keine genaueren
Angaben, als sie der Titel vermittelt. Vermutlich hat die Schrift im
April 1538 fertig Vorgelegen. Der Drucker ist Wendel Rihel.
B. Die deutschen Nachdrucke von 1774 und 1792 (Bibliographia Bucerana
Nr. 79b-c): Die Schrift »Von der waren Seelsorge« hat verhältnismäßig
spät Nachdrucke erlebt. Zu Bucers Lebzeiten ist die Schrift nur dort
wirksam geworden, wo ihr Verfasser selbst tätig gewesen ist, das heißt
abgesehen von Straßburg nur in Hessen bzw. im Auslande. Als aber in
der nächsten Generation in Straßburg und in der Pfalz die konfessio-
nellen Kämpfe ausgetragen wurden, wurde auch diese Schrift als
Kampfmittel eingesetzt. Damals standen Bucers Freunde auf der
reformierten Seite. Die Schrift wurde mit deutlicher kirchenpolitischer
Nebenabsicht herausgegeben, und zwar beide Male, sowohl in Heidel-
berg wie in Neustadt a. d. Hardt, mit kurfürstlich pfälzischem Privileg.
61. Vgl. dazu W. Bellardi: Die Geschichte der »Christlichen Gemeinschaft« in
Straßburg. QFRG 18. 1934.- W. Köhler: Zürcher Ehegericht und Genfer Konsi-
storium. Bd. II. 1942.