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SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9
Alle leichtferigkeit zu
Sünden nimet uberhant,
weil in der Kirchen kein
büß ist.
Summari der Ursachen,
darumb die büß in der
Kirchen notwendig ist.
Sünden gefallen sind v und uberkommen ein wäre erkantnüß der Sünden
und haben ein rechten Geist der kindtschafft Gottes, Da gibt es warlich
allweg ein solches klagen, weinen, betten, flehen, [63 (R 3) a] beichten
und büssen; Und das ist dann gar ein krefftige artzeney, alle Süchten
der Sünden und böse neigungen zum argen gentzlich außzüpurgieren, 5
abzuetzen und außzubrennen, Beide, in denen, die also schwerlich
gesündiget haben, und in den anderen, welche durch soliche büß bewegt
werden, den grewel und schaden der sünden baß zu erkennen, zu
bedencken und sich ab den sünden desto mehr und ernstlicher zu
entsitzen. 10
Und wer kan das leugnen, weil aller sünden, wie grewlich die seien,
so gar kein straff, Züchtigung noch büß in der Kirchen ist, das das jung
und gemein volck desto leichtfertiger würdt zü allem argen? Scham
und schand gaht dahin und verwilden die armen leüt w, werden, wie der
h. Paulus klagt, gantz reuwloß und ergeben sich der onzucht und 15
aller eitelkeit, mögen des mütwilligen verderbten Wesens nicht sat
werden 2Ö4.
Also haben wir nun lengist genügsam erwisen, das die erzelete Züch-
tigung und büß der sünden ein notwendige, heilsame und gewaltige
artznei ist, wider die sünden 265, und das einige recht verbinden und 20
heylen der ergeren schaden und wunden an den schaffen Christi, und
das soliche Züchtigung und büß der gütige Gott und barmhertzig vatter
seinem volck selb geordnet und gepotten hat. Auch durch seine h.
Apostolen ernstlich erfordret und geübet Und in seiner h. Kirchen,
solang deren rechte Ordnung bestanden 266, und sie die waren Bischöff 25
und Seelsorger versehen haben, mit grossem eifer und ernst erhalten;
Zü deren er auch seine rechte artige kinder durch seinen h. Geist
alweg getriben hat und noch treibet.
[63 (R 3) b] Weil nu disem einmal also ist und anders nicht sein
mage, solle uns anders die heilige götliche schrifft gelten, welcher Christ ?o
möchte dann hieran zweifflen, das alle die, so zum hirtendienst in der
kirchen verordnet sind und die fürnemen seelärtzet und versorger x sein
sollen, schuldig seyen, soliche artznei der zeitigen straff? und büß der
sünden in der Kirchen wider einzüfüren und anzürichten, Und also
v) Ita simpliciter et in Universum, quotiescunque homines in graviora magisque
enormia peccata lapsi sunt. — w) homines efferantur. — x) curatores. — y) medicinam
hanc tempestivae increpationis.
264. 2 Cor 12,20; Eph. 4,19.
265. Bezeichnenderweise spricht B. von der Arznei der Buße und Kirchenzucht,
nicht vom Evangelium; auch darin kommt seine Wertung des Gesetzes heraus.
266. Die echte Ordnung hat nach B. in der Kirche bis zu Augustins Zeiten fort-
bestanden.
SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9
Alle leichtferigkeit zu
Sünden nimet uberhant,
weil in der Kirchen kein
büß ist.
Summari der Ursachen,
darumb die büß in der
Kirchen notwendig ist.
Sünden gefallen sind v und uberkommen ein wäre erkantnüß der Sünden
und haben ein rechten Geist der kindtschafft Gottes, Da gibt es warlich
allweg ein solches klagen, weinen, betten, flehen, [63 (R 3) a] beichten
und büssen; Und das ist dann gar ein krefftige artzeney, alle Süchten
der Sünden und böse neigungen zum argen gentzlich außzüpurgieren, 5
abzuetzen und außzubrennen, Beide, in denen, die also schwerlich
gesündiget haben, und in den anderen, welche durch soliche büß bewegt
werden, den grewel und schaden der sünden baß zu erkennen, zu
bedencken und sich ab den sünden desto mehr und ernstlicher zu
entsitzen. 10
Und wer kan das leugnen, weil aller sünden, wie grewlich die seien,
so gar kein straff, Züchtigung noch büß in der Kirchen ist, das das jung
und gemein volck desto leichtfertiger würdt zü allem argen? Scham
und schand gaht dahin und verwilden die armen leüt w, werden, wie der
h. Paulus klagt, gantz reuwloß und ergeben sich der onzucht und 15
aller eitelkeit, mögen des mütwilligen verderbten Wesens nicht sat
werden 2Ö4.
Also haben wir nun lengist genügsam erwisen, das die erzelete Züch-
tigung und büß der sünden ein notwendige, heilsame und gewaltige
artznei ist, wider die sünden 265, und das einige recht verbinden und 20
heylen der ergeren schaden und wunden an den schaffen Christi, und
das soliche Züchtigung und büß der gütige Gott und barmhertzig vatter
seinem volck selb geordnet und gepotten hat. Auch durch seine h.
Apostolen ernstlich erfordret und geübet Und in seiner h. Kirchen,
solang deren rechte Ordnung bestanden 266, und sie die waren Bischöff 25
und Seelsorger versehen haben, mit grossem eifer und ernst erhalten;
Zü deren er auch seine rechte artige kinder durch seinen h. Geist
alweg getriben hat und noch treibet.
[63 (R 3) b] Weil nu disem einmal also ist und anders nicht sein
mage, solle uns anders die heilige götliche schrifft gelten, welcher Christ ?o
möchte dann hieran zweifflen, das alle die, so zum hirtendienst in der
kirchen verordnet sind und die fürnemen seelärtzet und versorger x sein
sollen, schuldig seyen, soliche artznei der zeitigen straff? und büß der
sünden in der Kirchen wider einzüfüren und anzürichten, Und also
v) Ita simpliciter et in Universum, quotiescunque homines in graviora magisque
enormia peccata lapsi sunt. — w) homines efferantur. — x) curatores. — y) medicinam
hanc tempestivae increpationis.
264. 2 Cor 12,20; Eph. 4,19.
265. Bezeichnenderweise spricht B. von der Arznei der Buße und Kirchenzucht,
nicht vom Evangelium; auch darin kommt seine Wertung des Gesetzes heraus.
266. Die echte Ordnung hat nach B. in der Kirche bis zu Augustins Zeiten fort-
bestanden.