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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0193
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VON DER WAREN SEELSORGE

189

haben den höchsten leiplichen gewalt über alle seelen, durch den sie
versehen und verschaffen sollen mit lere, Zucht, gesetzen, allerley an-
reytzungen und straffen, das bei denen, so sie regieren, yederman darzü
diene und helffe, das die gantze gemeyn und alle, die in der gemeyn
5 sind und deren angehören, wol und seliglich leben und sie niemand
daran hindere, oder verletze', weder von innen noch von aussen; Und
das die, so in oder bei der gemeyn leben, nicht alleyn eynander nit
beleydigen oder beschedigen, sonder das auch niemand sich selb durch
unzüchtig und untüchtig leben der gemeyne unnütz und den anderen zu
10 dienen untauglich mache 307.

Aber wie die obren ire burger die schrifft, alle güte künst und ge-
schicklicheyten an leib und gemüt nit durch sich selb leren und darzü
üben, sonder verordnen hiezu, die zü solichem von natur besonders
geartet, geschickt und geübet sind und gebend denselbigen auch gewalt
15 diejenigen, so sie leren sollen, nit alleyn mit Worten, sonder auch mit
Züchtigung und straffen zü gepürender lerei anzuhalten, wann es sein
bedarff, Also verordnen die rechten obren auch ob allen und mit höch-
sten fleiß besondere leut zü der religion, die die leut die gottseligkeyt
leren, durch die alleyn alles güts kommet und erhalten würt.

20 Und nachdem dise lere der gotseligkeyt ire forcht und zucht sovil
mehr erfordert, dann alle andere lere, [75 (V 3) a] sovil dise lere der
religion die leut von irer verderbten art und natur in das götlich thun
höher füren, ja, gantz enderen und erneweren solle, haben alle weisen,
rechtgeschaffnen gottselige obren, auch bei den Heyden 308, das alweg nit
25 alleyn gern zügelassen, sonder auch befolhen und verschaffet, das die
diener in der heyligen religion und die lerer des gotseligen lebens, das
ist, des seligen und ewigen lebens k, auch ir geystliche forcht und gewalt
hetten, zu züchtigen und zu straffen alle die, so dadurch zum gotseligen
thun gebessert werden möchten.

jo Derhalben, wann schon der liebe gott 1 obren gebe, deren wir uff

Die Obren verordnent
yeder lere besondere leut
und alweg mit ettwas
gewalt yu züchtigen.

Die lere der Religion
erfordert auch ir zuckt
und straff.

i) ut populus universus, et singuli, qui in populo sunt, et ad eum pertinent, bene
beateque vivant: nec a quoquam in beata vita impediantur, aut laedantur. — j) ad offi-
cium discendi. — k) ministri sanctae religionis, doctoresque piae vitae, hoc est, vitae
beatae atque aeternae.-1) Deus opt.[imus] max.[imus].

307. In einem Gutachten von 1535 (Str. St. Arch. AA 399,27) »Wie eine christ-
liche Obrigkeit sich gegen die Wiedertäufer verhalten soll« schreibt B.: Die Obrigkeit
sei schuldig, »die reine lere, die h. Sacramente vor verfürreten leuten zu bewaren«
und ihnen nicht zu gestatten, » dawider etwas zu handlen mit Worten oder wercken «.
Insbesondere wendet sich B. gegen die in schwärmerisch gestimmten Kreisen ver-
breitete Ansicht, jede Überzeugung sei zu tolerieren. »Das gewissen solt ir auch keyn
christliche obrigkeyt machen, das sie meynet, zu verschonen sein alle, die das gewissen
und den glauben fürwenden«. S. Einleitung, S. 82ff.

308. Zur Aufgabe der Religion bei den Heiden vgl. Cicero: De leg. II, 21. 31.
 
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