VON DER WAREN SEELSORGE I9I
sein geschefft dann solle auß sein, wann die obren Christen [76 (V 4) a]
werden und ir ampt mit der straf des argen getrewlich außrichten;
Sonder, wie er solche kirchenzucht und straffen dem alten volck neben
der Zucht und straffe der gotseligen obren geordnet hat, also hat er auch
5 uns hell und offenbar gezeuget durch seinen h. Apostel Paulum, ja,
durch seinen h. geyst, der ob diser seelartznei so ernstlich gehalten
hat°, nit alleyn zur Apostel Zeiten, sonder auch der Märtyrer und h.
vätter, das er wille, das dise kirchenzucht und straf bei uns sovil mit
meerem ernst gehalten und geübet werde, sovil er von uns billich erford-
10 ret, das wir zu heilen alle Schäden der seelen mehr geflissen und eifrig
seien, dann die h. des alten Testaments ye gewesen, weil er uns die
erlösung von Sünden auch volkomner dann disen alten mitgeteylet hat.
Und so die kirch dise Zucht mit rechtem ernst übet, gibt der herr, der
obrist artzet 313 der armen seelen, hiezu auch sein gedeien und grosse
15 merckliche frücht.
Auß disem haben wir nun den underscheyd, so zwischend der Zucht
und straf der obren und der Zucht und straf der Seelsorger ist. Auch wo
schon die oberkeyt ir ampt mit Warnung und straf des argens uff das
aller geflißnest außrichtete, das noch dennocht die kirch ir eygne Zucht
20 und straf haben muß, die im namen Christi und auß seinem geyst nach
dem befelch der schlüßlen geübet werde.
Derhalben, wo die gemeynden Gottes recht versehen 314 und Gottes
reich in seiner gantzen Ordnung stoht, da werden die obren ja zum
fleissigsten auffsehen, das sie durch gesetz, auch Warnung und strafen,
25 [76 (V 4) b] mit Worten und anderer Züchtigung an gut, eeren, oder
leib alle sünd und ubertretten und zum fordristen, was unsere h. religion
belanget, bei den iren abtreiben und außreuten und dessen nichts
uberal an yemand, wer der sei, ungestraffet lassen. Daneben aber werden
sie auch die kirchenzucht und seelartznei, welche die diener des geyst-
3° liehen bindens und lösens verrichten sollen, mit höchsten fleiß fordren p,
als die nit alleyn gnawer züsihet zu dem gewissen, sonder hat auch
hiezu, wie iren eygnen befelch, also auch ir eygen geystlich gedeien
und frucht, durch den geyst unsers herrn Jesu Christi. Da sind die
Schlüssel zum himelreich.
35 Der vierde gegenwurff wider die kirchenzucht und straf an denen,
so gesündiget haben, ist von der unmöglicheyt. Obwol, sagen sie, an
im selb gut were, das die kirchen ire besondere zucht und straf hetten
o) qui hanc animarum medicinam tanto Studio tutatus est. — p) summa diligentia
promovebunt.
313. Christus, der »obrist artzet«; vgl. zum Beispiel Augustin: Sermo 87,11 (MSL
38,537b); Sermo 88,1 (ebd. S. 339).
314. Versorgt, betreut sind.
Der vierde gegenwurff von
der unmöglichheyt, die
kirchenzucht wider mit
rath ujfzubringen zfi
diser zeit-
sein geschefft dann solle auß sein, wann die obren Christen [76 (V 4) a]
werden und ir ampt mit der straf des argen getrewlich außrichten;
Sonder, wie er solche kirchenzucht und straffen dem alten volck neben
der Zucht und straffe der gotseligen obren geordnet hat, also hat er auch
5 uns hell und offenbar gezeuget durch seinen h. Apostel Paulum, ja,
durch seinen h. geyst, der ob diser seelartznei so ernstlich gehalten
hat°, nit alleyn zur Apostel Zeiten, sonder auch der Märtyrer und h.
vätter, das er wille, das dise kirchenzucht und straf bei uns sovil mit
meerem ernst gehalten und geübet werde, sovil er von uns billich erford-
10 ret, das wir zu heilen alle Schäden der seelen mehr geflissen und eifrig
seien, dann die h. des alten Testaments ye gewesen, weil er uns die
erlösung von Sünden auch volkomner dann disen alten mitgeteylet hat.
Und so die kirch dise Zucht mit rechtem ernst übet, gibt der herr, der
obrist artzet 313 der armen seelen, hiezu auch sein gedeien und grosse
15 merckliche frücht.
Auß disem haben wir nun den underscheyd, so zwischend der Zucht
und straf der obren und der Zucht und straf der Seelsorger ist. Auch wo
schon die oberkeyt ir ampt mit Warnung und straf des argens uff das
aller geflißnest außrichtete, das noch dennocht die kirch ir eygne Zucht
20 und straf haben muß, die im namen Christi und auß seinem geyst nach
dem befelch der schlüßlen geübet werde.
Derhalben, wo die gemeynden Gottes recht versehen 314 und Gottes
reich in seiner gantzen Ordnung stoht, da werden die obren ja zum
fleissigsten auffsehen, das sie durch gesetz, auch Warnung und strafen,
25 [76 (V 4) b] mit Worten und anderer Züchtigung an gut, eeren, oder
leib alle sünd und ubertretten und zum fordristen, was unsere h. religion
belanget, bei den iren abtreiben und außreuten und dessen nichts
uberal an yemand, wer der sei, ungestraffet lassen. Daneben aber werden
sie auch die kirchenzucht und seelartznei, welche die diener des geyst-
3° liehen bindens und lösens verrichten sollen, mit höchsten fleiß fordren p,
als die nit alleyn gnawer züsihet zu dem gewissen, sonder hat auch
hiezu, wie iren eygnen befelch, also auch ir eygen geystlich gedeien
und frucht, durch den geyst unsers herrn Jesu Christi. Da sind die
Schlüssel zum himelreich.
35 Der vierde gegenwurff wider die kirchenzucht und straf an denen,
so gesündiget haben, ist von der unmöglicheyt. Obwol, sagen sie, an
im selb gut were, das die kirchen ire besondere zucht und straf hetten
o) qui hanc animarum medicinam tanto Studio tutatus est. — p) summa diligentia
promovebunt.
313. Christus, der »obrist artzet«; vgl. zum Beispiel Augustin: Sermo 87,11 (MSL
38,537b); Sermo 88,1 (ebd. S. 339).
314. Versorgt, betreut sind.
Der vierde gegenwurff von
der unmöglichheyt, die
kirchenzucht wider mit
rath ujfzubringen zfi
diser zeit-