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SCHRIFTEN DER JAHRE 1538-1539
sünden zur büß vermanete, nit hören wolten und die recht gemässigte
und heylsame straffe der sünden in der Kirchen nit gedulden, die hetten
sich auch noch nit ergeben in die gemeynschafft Christi, weren noch
nit im schafstall Christi.
Darumb könde man denselbigen auch dise artznei der verletzten 5
Schafen noch nit mitteylen, sonder müste erstlich allen fleiß ankeren,
sie durchs wort des Herren in seinen schafstal, das ist, in seine gantze
gemeynschafft und die wäre gehorsame des Evangelii, zu bringen. Wir
reden hie von den verwundten schafen, die schon im schafstall Christi
sind und sich ans wort Christi ergeben haben. Und diß ist des orts wol 10
zu bedencken; Was sich noch nit in die gemeyn Christi ergeben hat, an
dem muß man die vor erzeleten werck der seelsorg üben Und solche
büßartznei an inen ehr nicht fürnemen, dann sie sich in die gemeyn-
schafft Christi und gehorsame des Evangelii gentzlich begeben haben.
Diß sei gnüg uff die fürnemeren einreden wider die Zucht und büß 15
der Kirchen, damit wir eynmal disen artickel beschliessen, in dem wir
eben lang gestanden sind. Hat uns aber also uffgehalten, das wir täglich
erfaren, wie wenig noch sind, die von Christlicher Zucht und büß der
sünden eyn rechten verstandt haben.
Nun ligt in disem handel noch ettwas im weg und machet eben vil 20
und auch Gotsförchtige leut [82 (Y 2) a] ab der Kirchenzucht schewen;
Das müssen wir auch, sovil der Herr gnad verleihet, hinlegen 3, Und
ist, das sie meynen, auß diser Kirchenzucht und büß sei die Bäpstliche
gewaltsame und tyrannei erwachsen. Ja, sagen sie, Da die pfaffen künig
und keyser und alle gwaltigen beredt haben, das sie inen in allem gehör- 25
chen und underthon sein müssen, haben sie sich leicht in disen gewalt,
pracht und tyrannei über allen gwalt und oberkeyten erhaben 337.
Uff diß ist unser antwort: Erstlich, Wir leren nit, das man sich den
pfaffen oder yemand in allem underwerffen solle, sonder alleyn Christo
und seinem wort. Wann dann die obren demselbigen von hertzen zu 30
leben begeren, werden sie bald erkennen, ob die Eltisten der Kirchen
in der Zucht den dienst Christi oder iren mütwillen üben wollen. Und
wo sie dann den falsch bei inen befinden b, sollen sie nit alleyn irem für-
haben keyn statt thün, sonder sie auch uffs scherpffest strafen; Dann
den ordenlichen obren, die das Schwert tragen, sollen alle seelen under- 35
worffen sein, auch zur straff am leben. Sie tragen das schwerdt nit umbsunst
[Ro 13,4]. Zum andren, wolten unsere obren versehen, das die Eltisten
dermassen gewelet und gehalten würden, wie wir hie oben davon des
a) Illud quoque quoad per gratiam Domini poterimus, amovere nos oportet. -
b) Sique apud illos fallaciam deprehendent.
337. Zur Kirchenzucht als Mittel geistlicher Macht vgl. M. Hauck: Kirchen-
geschichte Deutschlands V, 1. S. 3 60 ff.
SCHRIFTEN DER JAHRE 1538-1539
sünden zur büß vermanete, nit hören wolten und die recht gemässigte
und heylsame straffe der sünden in der Kirchen nit gedulden, die hetten
sich auch noch nit ergeben in die gemeynschafft Christi, weren noch
nit im schafstall Christi.
Darumb könde man denselbigen auch dise artznei der verletzten 5
Schafen noch nit mitteylen, sonder müste erstlich allen fleiß ankeren,
sie durchs wort des Herren in seinen schafstal, das ist, in seine gantze
gemeynschafft und die wäre gehorsame des Evangelii, zu bringen. Wir
reden hie von den verwundten schafen, die schon im schafstall Christi
sind und sich ans wort Christi ergeben haben. Und diß ist des orts wol 10
zu bedencken; Was sich noch nit in die gemeyn Christi ergeben hat, an
dem muß man die vor erzeleten werck der seelsorg üben Und solche
büßartznei an inen ehr nicht fürnemen, dann sie sich in die gemeyn-
schafft Christi und gehorsame des Evangelii gentzlich begeben haben.
Diß sei gnüg uff die fürnemeren einreden wider die Zucht und büß 15
der Kirchen, damit wir eynmal disen artickel beschliessen, in dem wir
eben lang gestanden sind. Hat uns aber also uffgehalten, das wir täglich
erfaren, wie wenig noch sind, die von Christlicher Zucht und büß der
sünden eyn rechten verstandt haben.
Nun ligt in disem handel noch ettwas im weg und machet eben vil 20
und auch Gotsförchtige leut [82 (Y 2) a] ab der Kirchenzucht schewen;
Das müssen wir auch, sovil der Herr gnad verleihet, hinlegen 3, Und
ist, das sie meynen, auß diser Kirchenzucht und büß sei die Bäpstliche
gewaltsame und tyrannei erwachsen. Ja, sagen sie, Da die pfaffen künig
und keyser und alle gwaltigen beredt haben, das sie inen in allem gehör- 25
chen und underthon sein müssen, haben sie sich leicht in disen gewalt,
pracht und tyrannei über allen gwalt und oberkeyten erhaben 337.
Uff diß ist unser antwort: Erstlich, Wir leren nit, das man sich den
pfaffen oder yemand in allem underwerffen solle, sonder alleyn Christo
und seinem wort. Wann dann die obren demselbigen von hertzen zu 30
leben begeren, werden sie bald erkennen, ob die Eltisten der Kirchen
in der Zucht den dienst Christi oder iren mütwillen üben wollen. Und
wo sie dann den falsch bei inen befinden b, sollen sie nit alleyn irem für-
haben keyn statt thün, sonder sie auch uffs scherpffest strafen; Dann
den ordenlichen obren, die das Schwert tragen, sollen alle seelen under- 35
worffen sein, auch zur straff am leben. Sie tragen das schwerdt nit umbsunst
[Ro 13,4]. Zum andren, wolten unsere obren versehen, das die Eltisten
dermassen gewelet und gehalten würden, wie wir hie oben davon des
a) Illud quoque quoad per gratiam Domini poterimus, amovere nos oportet. -
b) Sique apud illos fallaciam deprehendent.
337. Zur Kirchenzucht als Mittel geistlicher Macht vgl. M. Hauck: Kirchen-
geschichte Deutschlands V, 1. S. 3 60 ff.