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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0212
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208

SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9

Aller mangel des lebens
kommet auß mangel des
glaubens.

Die sich noch am Gottes-
dienst irren, verstohn
Christum noch nit gantz■

uff Christum den Herren sehen und in anschawung seines willens so
schwach sind, das sie gar leicht den fleyschlichen lüsten und begirden
nachgeben und also nit so eiferig nach irem berüff und der Ordnung
Christi leben, das sie nemüch yederman zu nutz und der besserung
dieneten, sonder leben farlessig, unordenlich und weltlich. 5

Nun, dise schwachheyten und kranckheyten kommen alle uß blöde
des glaubens und der forcht Gottes. Dann so der mensch im glauben
an Christum unseren Herren recht gegründet were, glaubet gentzlich
[89 (a 1) b] allen seinen Worten und bedechte das allweg, so könde oder
möchte er anders nichts, dann in auch von gantzem hertzen lieben und 10
in allen dingen zum höchsten förchten und vor äugen haben, auch
nichts höhers schewhen und fliehen 1, dann in erzürnen. Dann wo man
dem Evangelio warlich glaubet, da kan man ja nit zweifflen, das uns
Christus der Herr alleyn den vatter versünet, alles arges abwendet und
alles güts züstellet, uns auch alleyn zu richten und verdammen hat, 15
hie und in ewigkeyt. Nun ist unser art und natur also geschaffen, das
wir dem zu leben und zu gefallen am meysten begeren, von dem wir
das meyst gut verhoffen, Den am ernstlichesten förchten und vor äugen
haben, den wir erkennen den grösten gewalt haben. Darumb, was ymer
mehr an recht Christlichem leben bei den Christen feiet und abgeht, das 20
kommet alles daher, das ir glaube blöd und mangelhafft ist, also, das sie
entweders noch nit gnügsam wissen, was sie sich zu Christo unserm
Herren versehen sollen oder bedenckens nit also ernstlich als sie solten.

Die sich noch an Gottes dienst irren und meynen, ettliche eussere
ceremonien und breuch seiend zum Gotsdienst vonnöten, die doch der 25
Herre nit erfordret, wie die schwachen am glauben zu Rom waren, von
denen der dritte Spruch meldet, dise verstohnd das Evangelion noch nit
recht und wissen nicht gentzlich, was sie sich zu Christo vertrösten
sollen i; Nemüch, das er sie alleyn durch seinen verdienst selig machet
und anders nichts von in fordret, dann [90 (a 2) a] das sie dis steiff 30
glauben und bekennen und dann im zü danck dem nechsten alles sein
und werden 302, damit er auch zü solchem glauben gefördert und in
demselbigen erhalten und gestercket werde.

Die aber under dem creutz mat und kleynmütig werden, die inen die
zeitliche ding zu liebe lassen sein k, das sie darumb von der bekantnüs 35
Christi und heylsamen dienst des nehisten, von Zucht und heyligkeyt,
die zü solchem dienst vonnöten ist, abstohn, oder in dem mat und
nachlessig werden, welchen geprechen der erste, dritte und vierde

i) nihilque magis detestari et fugere. - j) quid sibi de Christo polliceri debeant. -
k) qui nimis affixi sunt ac dediti rebus temporalibus.

362. Mt 19,19.
 
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