ZUCHTORDNUNG / KIRCHENORDNUNG
25I
Es kann gefragt werden, ob etwa mittelalterliche Vorbilder bei der
Herausbildung dieser Elemente eingewirkt haben könnten.
Die territorial verschieden verlaufende Bewegung der Reformation
hatte fast allenthalben die bereits erschütterte und vielfältig durch-
brochene hierarchische Ordnung hinter sich gelassen. Damit ergab sich
überall die Notwendigkeit, das weithin aufgerissene Vakuum durch
obrigkeitlich veranlaßte Akte 17 zu schließen. Die kirchliche Ordnung
wurde in den einzelnen Territorien sehr unterschiedlich neu errichtet.
Für den Raum der Bucerschen Reformation 18 kann diese Entwicklung
etwa folgendermaßen umrissen werden: Die Einheit und potestas der
mittelalterlichen Kirche hatte sich in der dreifachen potestas des Bischofs
ausgedrückt: der potestas ordinis, magisterii et iuris di ctionis V Mit dem
Fortfall des hierarchisch aufgebauten ordo gingen die Zuständigkeiten,
die dieser bischöflichen potestas zugehörten, auf die Träger der in der
war so zunächst der Landgraf der Inhaber der geistlichen Jurisdiktionsrechte, jedoch
delegierte er sie früh an die Superintendenten,vgl. die Kirchendienerordnung 1531,
Sehling VIII, S. 71 ff. Der Vertrag im Auszug bei Kopp, Beilage 46; und Hassencamp,
S. 126; im Original: StA Marburg Aid, Verträge mit Mainz, Urkunden (vgl.
Kiich-Heinemeyer II, 2087).
15. So vor allem das Ältestenamt; für Zürich vgl. Köhler: Ehegericht I, S. 165 ff.,
besonders 169; für Frauenfelde: Köhler I, a.a.O. S. 221; für Basel: Köhler I, S. 278,
284L Auch die Wittenberger Kirchenordnung von 1533 kennt wesentliche Ansätze
hierzu: Sehling I, S. 700 ff.; Maurer: Gemeindezucht, S. 23 ff. Brenz wollte 1526
die Aufsicht über die sittliche und kirchliche Ordnung in den Landgemeinden des
hallischen Gebietes in die Hände solcher Ältesten gelegt wissen, die von der
Obrigkeit bestellt waren. Sie sollten in den Gemeinden jährlich den Send halten,
daher nennt er sie auch »Sendherren«, vgl. Lechler, S. 13. — Für die Einrichtung des
Bannes in Basel vgl. Köhler I, S. 286ff.; Staehelin II, S. 336ff. (hier steht B. dem
ursprünglichen Ansatz Oecolampads am nächsten); Lechler, S. 24 ff.; in dem hallischen
Gebiet, Lechler, S. 11. Luthers Gedanken über den Bann sind vom Abendmahl her
entwickelt und streng auf den kirchlichen Raum beschränkt, vgl. Maurer, S. 9 ff.
16. Die von Franz Lambert von Avignon verfaßte Reformatio ecclesiarum Hassiae
1526 hatte jedoch bereits ähnliche Einrichtungen schaffen wollen. Zu einer Ein-
führung der Ordnung ist es aber nicht gekommen, weil nach Luthers Urteil die
Gemeinden dadurch zur Zeit über fordert würden (WABr. IV, S. 157 f.).
Die Ordnung bei Richter I, S. 56ff.; Sehling VIII, S. 43 fF.; vgl. auch Bellardi, S. 26,
Anm. 2.
17. Das Mittelalter hatte bereits eine Notrechtslehre entwickelt, nach der die beiden
Gewalten, die weltliche und die geistliche, bei einem Notstand jeweils in das Rechts-
gebiet der anderen Gewalt eingreifen konnte. Dieses wechselseitige Eintreten eines
Gliedes für das andere setzte die Idee und den Bestand des Corpus Christianum
voraus. Die Reformation konnte — so bereits in Speyer 1526 — überall an diese Not-
rechtslehre anknüpfen; vgl. Justus Hashagen: Staat und Kirche vor der Reformation.
1931. S. 433fr.
18. Die im folgenden entwickelten Grundzüge der Ekklesiologie Bucers sind von
ihm vor der Ziegenhainer Zuchtordnung vor allem in seiner Schrift »Von der waren
Seelsorge und dem rechten Hirten dienst«, 1538 (vgl. S. 67fr.), entwickelt worden.
19. Vgl. Hinschius II, S. 40f.
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Es kann gefragt werden, ob etwa mittelalterliche Vorbilder bei der
Herausbildung dieser Elemente eingewirkt haben könnten.
Die territorial verschieden verlaufende Bewegung der Reformation
hatte fast allenthalben die bereits erschütterte und vielfältig durch-
brochene hierarchische Ordnung hinter sich gelassen. Damit ergab sich
überall die Notwendigkeit, das weithin aufgerissene Vakuum durch
obrigkeitlich veranlaßte Akte 17 zu schließen. Die kirchliche Ordnung
wurde in den einzelnen Territorien sehr unterschiedlich neu errichtet.
Für den Raum der Bucerschen Reformation 18 kann diese Entwicklung
etwa folgendermaßen umrissen werden: Die Einheit und potestas der
mittelalterlichen Kirche hatte sich in der dreifachen potestas des Bischofs
ausgedrückt: der potestas ordinis, magisterii et iuris di ctionis V Mit dem
Fortfall des hierarchisch aufgebauten ordo gingen die Zuständigkeiten,
die dieser bischöflichen potestas zugehörten, auf die Träger der in der
war so zunächst der Landgraf der Inhaber der geistlichen Jurisdiktionsrechte, jedoch
delegierte er sie früh an die Superintendenten,vgl. die Kirchendienerordnung 1531,
Sehling VIII, S. 71 ff. Der Vertrag im Auszug bei Kopp, Beilage 46; und Hassencamp,
S. 126; im Original: StA Marburg Aid, Verträge mit Mainz, Urkunden (vgl.
Kiich-Heinemeyer II, 2087).
15. So vor allem das Ältestenamt; für Zürich vgl. Köhler: Ehegericht I, S. 165 ff.,
besonders 169; für Frauenfelde: Köhler I, a.a.O. S. 221; für Basel: Köhler I, S. 278,
284L Auch die Wittenberger Kirchenordnung von 1533 kennt wesentliche Ansätze
hierzu: Sehling I, S. 700 ff.; Maurer: Gemeindezucht, S. 23 ff. Brenz wollte 1526
die Aufsicht über die sittliche und kirchliche Ordnung in den Landgemeinden des
hallischen Gebietes in die Hände solcher Ältesten gelegt wissen, die von der
Obrigkeit bestellt waren. Sie sollten in den Gemeinden jährlich den Send halten,
daher nennt er sie auch »Sendherren«, vgl. Lechler, S. 13. — Für die Einrichtung des
Bannes in Basel vgl. Köhler I, S. 286ff.; Staehelin II, S. 336ff. (hier steht B. dem
ursprünglichen Ansatz Oecolampads am nächsten); Lechler, S. 24 ff.; in dem hallischen
Gebiet, Lechler, S. 11. Luthers Gedanken über den Bann sind vom Abendmahl her
entwickelt und streng auf den kirchlichen Raum beschränkt, vgl. Maurer, S. 9 ff.
16. Die von Franz Lambert von Avignon verfaßte Reformatio ecclesiarum Hassiae
1526 hatte jedoch bereits ähnliche Einrichtungen schaffen wollen. Zu einer Ein-
führung der Ordnung ist es aber nicht gekommen, weil nach Luthers Urteil die
Gemeinden dadurch zur Zeit über fordert würden (WABr. IV, S. 157 f.).
Die Ordnung bei Richter I, S. 56ff.; Sehling VIII, S. 43 fF.; vgl. auch Bellardi, S. 26,
Anm. 2.
17. Das Mittelalter hatte bereits eine Notrechtslehre entwickelt, nach der die beiden
Gewalten, die weltliche und die geistliche, bei einem Notstand jeweils in das Rechts-
gebiet der anderen Gewalt eingreifen konnte. Dieses wechselseitige Eintreten eines
Gliedes für das andere setzte die Idee und den Bestand des Corpus Christianum
voraus. Die Reformation konnte — so bereits in Speyer 1526 — überall an diese Not-
rechtslehre anknüpfen; vgl. Justus Hashagen: Staat und Kirche vor der Reformation.
1931. S. 433fr.
18. Die im folgenden entwickelten Grundzüge der Ekklesiologie Bucers sind von
ihm vor der Ziegenhainer Zuchtordnung vor allem in seiner Schrift »Von der waren
Seelsorge und dem rechten Hirten dienst«, 1538 (vgl. S. 67fr.), entwickelt worden.
19. Vgl. Hinschius II, S. 40f.