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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0257
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ZUCHTORDNUNG / KIRCHENORDNUNG 253

bischöfe, mit der Priesterweihe versehen und zum Bischof konsekriert,
hatten die bischöflichen Aufgaben wahrzunehmen, die der potestas
ordinis zugehörten 26. Dagegen ist der Archidiakonus dazu bestellt, die
bischöflichen Jurisdiktionsrechte auszuüben 27. Er gehörte im allge-
meinen dem Klerus an, besaß jedoch nicht unbedingt die Priesterweihe.
Seine jurisdiktioneilen Befugnisse waren weitreichend und erstreckten
sich sogar über die ihm in der Weihe übergeordneten Priester. Seine

26. Hinschius II, S. 161 ff.

27. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten schon früh die ursprünglich bischöflichen
Rechte der Besorgung der äußeren Anordnungen für den Gottesdienst und der Lei-
tung der Armenpflege, während den Priestern die Verrichtung der Kultushandlungen
oblag. Dies ließ ihn für die bischöflichen Verwaltungs- und Regierungsgeschäfte
geeigneter erscheinen als die der Weihe nach höher stehenden Priester. Im Orient
hatten die Archidiakone zudem die Aufgabe, die Qualifikation der Geistlichen für
ihr Amt festzustellen. Im Abendland kommt eine gewisse Visitations- und Über-
wachungsgewalt, namentlich gegenüber dem niederen Klerus, hinzu. Damit hing
die Befugnis des Archidiakons zur Verhängung von Disziplinarstrafen zusammen.
Seit dem 8. Jahrhundert hat ihr Machtbereich entscheidend zugenommen. Zu ihren
Aufgaben gehört unter anderem nicht nur die Überwachung der Laien und ins-
besondere der Poenitenten, die Verhängung von Disziplinarstrafen, die ordentliche
Verwaltung des Gottesdienstes und des kirchlichen Vermögens, ferner insbesondere
das Send- und Visitationsrecht, sondern auch die Beaufsichtigung der Priester hin-
sichtlich ihrer Amtsführung und ihres Lebenswandels (potestas iurisdictionis als
iurisdictio administrativa und iudicaria). Während das Amt ursprünglich an den
Diakonenordo geknüpft ist und eine höhere Weihe auch nie rechtlich verlangt wurde,
erhielten die Archidiakone mit Rücksicht auf ihre Stellung häufiger die Priesterweihe,
obwohl teilweise diese Verleihung als Degradierung empfunden wurde. Ihre Wahl
und Anstellung, die früher durch den Bischof geschah, wurde nun, da der Bischof
dieses Recht im Mittelalter nicht mehr bewahren konnte, durch die Kapitel, ja selbst
durch den Landesherren ausgeübt. Damit verbunden erlangen die Archidiakone,
die zunächst eine vom Bischof abhängige Stellung innehatten, im 12. und 13. Jahr-
hundert eine vollkommen selbständige Leitungsgewalt. Innozenz III. bezeichnete
den Archidiakonen geradezu als iudex Ordinarius (so auch noch der Straßburger
Bischof Johann im 14. Jahrhundert, vgl. Baumgartner, 78). Die jurisdiktioneile Gewalt
des Archidiakons unterschied sich von der iursidictio episcopalis in nichts mehr. Mit
der Zunahme seiner Rechtsbefugnisse wurde es nötig, in einer Diözese mehrere
Archidiakone anzustellen; so bestanden etwa in der Diözese Mainz 22 Archidiakonate.
In den östlicheren Bistümern waren die Archidiakonatssprengel kleiner und zahl-
reicher und teilweise an die Pfarreien gebunden. Das Archidiakonenamt verliert seit
dem Ausgang des Mittelalters entschieden an Bedeutung, jedoch hat erst das Triden-
tinum (sess. XXIV c. 3 de reformatione) ihm den Boden entzogen, indem es die
curia archidiaconalis mit der curia episcopalis vereinigte. Zum ganzen vgl. Hinschius
II, S. 183ff. - W.M. Plöchl: Geschichte des Kirchenrechts I. 1953. S. 154, 314!. -
H.E. Feine: Kirchliche Rechtsgeschichte I. 2. Aufl. 1954. S. i8off. — E. Baumgartner:
Geschichte und Recht des Archidiakonates der oberrheinischen Bistümer mit Ein-
schluß von Mainz und Würzburg. Kirchenrechtl. Abhandlungen 39. hg. von U. Stutz-
1907. — K. Bauermeister: Studien zur Geschichte der kirchlichen Verwaltung des
Erzbistums Mainz im späteren Mittelalter. Archiv für katholisches Kirchenrecht 97,
4. 1917. S. 501 ff.
 
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