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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0258
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1538-1539

ursprüngliche Stellung als Beauftragter des Bischofs hatte sich am Ende
des Mittelalters völlig verselbständigt. Die Reformation traf das Amt
der Bischöfe und der Archidiakone an der Wurzel 28. Die Aufgaben, die
beide zu versehen hatten, blieben jedoch bestehen und mußten auf neue
Träger überführt werden.

Im Raum der Bucerschen Reformation, insbesondere innerhalb der
Ziegenhainer Zuchtordnung, ist die Einheit des einen Amtes der Ge-
meinde festgehalten. Das Hirten- und Seelsorgeamt, wie Bucer es aus-
formt, umgreift alle Aufgaben, die aus der communicatio der Lehre,
der Sakramente und der Zucht heraus wachsen. Es ist der eine Hirten-
dienst an der Gemeinde Jesu Christi, zu dem alle Diener berufen sind 29.
Aber es besteht faktisch eine Vielfalt seelsorgerhcher Aufgaben hin-
sichtlich der Verkündigung der Lehre, der Austeilung der Sakramente
und der Ausübung der Zucht. Den Pfarrherren (Dienern am Wort,
Predigern) ist es jedoch unmöghch, alle Aufgaben wahrzunehmen 30.
So wird das Amt der Ältesten geordnet 31, das neben das der Diener
am Wort tritt und nach dem Amt der Lehre das wichtigste in der Kirche
ist 32. Zu Ältesten sollen »die Verständigsten, Bescheidensten und Eifrig-
sten im Herrn« gewählt werden 33. Sie sind, kanonisch gesehen, Laien;
jedoch sollen ihnen vor der ganzen Gemeinde die Hände aufgelegt,
ihnen die Hilfe und Stärke des heiligen Geistes erbeten und ihr Amt
damit geheiligt werden 34.

Die Aufgaben ihres Amtes sind vornehmlich kirchenzuchtlicher
(kanonisch: jurisdiktioneller) Art: Sie sollen »ein besonder fleißig Auf-
sehen auf die Prediger« haben 33, daß diese ihr Amt recht versehen und

28. Der Archidiakonat war in der kirchlichen Organisation Hessens im Mittel-
alter fest verankert. Über die Einteilung der Diakonatssprengel vgl. W. Classen:
Die kirchliche Organisation Althessens im Mittelalter. Schriften des Instituts für
geschichtliche Landeskunde von Hessen und Nassau, 8. 1929. S. 9fr. Während noch
im 16. Jahrhundert der Archidiakonat in Hessen nachweisbar ist (vgl. S. A. Würdtwein:
Dioecesis Moguntina in Archidiaconatus distincta et commentationibus diplomaticus
illustrata I. 1769. S. 133 ff. — Hinschius II, S. 203, Anm. 9. — Baumgartner, S. 120L,
für das Erzbistum Mainz), verloren die Archidiakonatssprengel in Hessen jedoch
ebenfalls seit der Reformation alle Bedeutung, vgl. Classen, S. 14.

29. Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 263: »Nun disen Ehesten solle neben
und mit den dienern des worts die gemeyne seel sorg Und der hirten dienste in jeden
Kirchen auffgelegt und befolhen werden ...«; vgl. auch S. 261, 271. Vgl. noch den
Bericht B.s an den Landgrafen, Franz IV, 80, S. 240; Anrich, S. 77!.; Bellardi, S. 17.

30. Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 262, 13 ff.

31. Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 262; auch sonst bei B., am deutlichsten
in seiner Schrift »Von der waren Seelsorge«, vgl. S. 67 ff. Atirich, S. 39.

32. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 262 f.

33. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 262, 21 f.

34. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 262, vgl. auch S. 316.

35. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 263.
 
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