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SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8—1 5 39
Aufgaben lassen sich die anderen Elemente der Ziegenhainer Zucht-
ordnung leicht entwickeln. Eine Kirche, die so betont die Verbindlich-
keit ihrer Gemeinschaft in den Vordergrund rückt, muß sowohl die
Aufnahme in diese Gemeinschaft als auch die Ausstoßung aus ihr in
eine klare Ordnung fassen. So wird das Begeben »in die Gemeinschaft
und Gehorsam der Kirchen Christi«, die Konfirmation 4546, und der
Bann 47 geordnet - beides in kritischer Anlehnung an mittelalterlichen
Brauch und vorgegebene Tradition 48.
Mit dem Aufweis dieser Grundzüge wird ein Kirchenwesen in Sicht
genommen, das seine Glieder durch seelsorgerlich-erzieherische Zucht
in die Gemeinschaft der Kirche führen und darin erhalten will. Die
Kasseler Kirchenordnung bringt demgegenüber nichts Neues. Sie ist
nicht unmittelbar von Bucer ausgearbeitet, wohl aber auf Grund seiner
Vorschläge von Kymäus und den anderen Dienern am Wort in Kassel
geschaffen worden. Sie setzt die Ziegenhainer Zuchtordnung voraus 49
und schafft auf ihrem Boden eine liturgische Ordnung, die im Erfurter
Druck 50 bis zu einem liturgischen Formular ausgeführt worden ist.
Beide Ordnungen haben unzweifelhaft in der gesamten hessischen
Landgrafschaft ihre Geltung besessen 51, wenn auch die Kasseler
Kirchenordnung vornehmlich in dem niederhessischen Territorium in
berühren, ist oft beachtet worden und braucht hier nicht näher ausgeführt zu
werden. Daneben aber kann ein weitgehender Einfluß auch von Luthers Gedanken
nicht übersehen werden. Vgl. Maurer, S. 18 ff.
45. Kasseler Kirchenordnung, Erfurter Druck, S. 3x2; auch als »öffentlich Christo,
dem Herren, und seiner Kirchen ergeben « bezeichnet, Ziegenhainer Zuchtordnung,
S. 264. Diesem Akt der Kinder entspricht als Akt der Kirche die »Bestätigung zu
christlicher Gemeinschaft«, Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 264; oder auch die
Bestätigung »zur Kirchen«, Kasseler Kirchenordnung, S. 310.
46. Der früheren Bestimmung der Kirche als »Gemeinschaft der Lehre, Sakra-
menten und Zucht« (Anm. 22) entspricht eine dreigliedrige Frage des Dieners an
das Kind nach dem, was »die Gemeinschaft der Kirchen Christi vermag«, Kasseler
Kirchenordnung, Erfurter Druck, S. 311, Anlage 5. In den drei Antworten des
Kindes wird die Gemeinschaft als Gemeinschaft göttlichen Wortes, Gemeinschaft
der Zxxcht und Gemeinschaft der Sakramente ausgeführt.
47. Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 268. Die Täufer hatten besonders
an dem Fehlen des Bannes in der hessischen Kirche Anstoß genommen, vgl. das
Protokoll der Verhöre bei Franz IV, Nr. 77; dort auch (S. 222) ihr Vorwurf, die
»Babstler« hätten eine bessere Ordnung (des Bannes) geübt. B. ist einer Verengung
der Zucht allein in der Sicht auf den Bann trotz des unermüdlichen Beharrens der
Wiedertäufer nicht erlegen, da er die Kirchenzucht und mit ihr den Bann als Aus-
übung des Seelsorgeamtes betrachtete. Zum ganzen vgl. noch Bellardi, S. i6ff.
48. Vgl. S. 251 ff.
49. Vgl. Kasseler Kirchenordnung, S. 291.
50. Vgl. S. 258 f.
51. Vgl. etwa W.Diehl: Zur Geschichte des hessischen Gottesdienstes im Zeit-
alter der Reformation. Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. 1900.
S. 157.
SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8—1 5 39
Aufgaben lassen sich die anderen Elemente der Ziegenhainer Zucht-
ordnung leicht entwickeln. Eine Kirche, die so betont die Verbindlich-
keit ihrer Gemeinschaft in den Vordergrund rückt, muß sowohl die
Aufnahme in diese Gemeinschaft als auch die Ausstoßung aus ihr in
eine klare Ordnung fassen. So wird das Begeben »in die Gemeinschaft
und Gehorsam der Kirchen Christi«, die Konfirmation 4546, und der
Bann 47 geordnet - beides in kritischer Anlehnung an mittelalterlichen
Brauch und vorgegebene Tradition 48.
Mit dem Aufweis dieser Grundzüge wird ein Kirchenwesen in Sicht
genommen, das seine Glieder durch seelsorgerlich-erzieherische Zucht
in die Gemeinschaft der Kirche führen und darin erhalten will. Die
Kasseler Kirchenordnung bringt demgegenüber nichts Neues. Sie ist
nicht unmittelbar von Bucer ausgearbeitet, wohl aber auf Grund seiner
Vorschläge von Kymäus und den anderen Dienern am Wort in Kassel
geschaffen worden. Sie setzt die Ziegenhainer Zuchtordnung voraus 49
und schafft auf ihrem Boden eine liturgische Ordnung, die im Erfurter
Druck 50 bis zu einem liturgischen Formular ausgeführt worden ist.
Beide Ordnungen haben unzweifelhaft in der gesamten hessischen
Landgrafschaft ihre Geltung besessen 51, wenn auch die Kasseler
Kirchenordnung vornehmlich in dem niederhessischen Territorium in
berühren, ist oft beachtet worden und braucht hier nicht näher ausgeführt zu
werden. Daneben aber kann ein weitgehender Einfluß auch von Luthers Gedanken
nicht übersehen werden. Vgl. Maurer, S. 18 ff.
45. Kasseler Kirchenordnung, Erfurter Druck, S. 3x2; auch als »öffentlich Christo,
dem Herren, und seiner Kirchen ergeben « bezeichnet, Ziegenhainer Zuchtordnung,
S. 264. Diesem Akt der Kinder entspricht als Akt der Kirche die »Bestätigung zu
christlicher Gemeinschaft«, Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 264; oder auch die
Bestätigung »zur Kirchen«, Kasseler Kirchenordnung, S. 310.
46. Der früheren Bestimmung der Kirche als »Gemeinschaft der Lehre, Sakra-
menten und Zucht« (Anm. 22) entspricht eine dreigliedrige Frage des Dieners an
das Kind nach dem, was »die Gemeinschaft der Kirchen Christi vermag«, Kasseler
Kirchenordnung, Erfurter Druck, S. 311, Anlage 5. In den drei Antworten des
Kindes wird die Gemeinschaft als Gemeinschaft göttlichen Wortes, Gemeinschaft
der Zxxcht und Gemeinschaft der Sakramente ausgeführt.
47. Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, S. 268. Die Täufer hatten besonders
an dem Fehlen des Bannes in der hessischen Kirche Anstoß genommen, vgl. das
Protokoll der Verhöre bei Franz IV, Nr. 77; dort auch (S. 222) ihr Vorwurf, die
»Babstler« hätten eine bessere Ordnung (des Bannes) geübt. B. ist einer Verengung
der Zucht allein in der Sicht auf den Bann trotz des unermüdlichen Beharrens der
Wiedertäufer nicht erlegen, da er die Kirchenzucht und mit ihr den Bann als Aus-
übung des Seelsorgeamtes betrachtete. Zum ganzen vgl. noch Bellardi, S. i6ff.
48. Vgl. S. 251 ff.
49. Vgl. Kasseler Kirchenordnung, S. 291.
50. Vgl. S. 258 f.
51. Vgl. etwa W.Diehl: Zur Geschichte des hessischen Gottesdienstes im Zeit-
alter der Reformation. Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. 1900.
S. 157.