JUDENRATS CHLAG
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Untertanen des Landgrafen nicht »mit vnzimlichen contracten vnd
gedingen beschweren 7«.
Nach Ablauf der in diesem Schutzbrief gesetzten Frist war der Land-
graf im Jahre 1538 vor die Aufgabe gestellt, die Frage der Juden-
behandlung erneut aufzugreifen. Hatte der Landgraf im Jahre 1532
vermutlich auf Grund des Widerstandes der hessischen Geistlichkeit
gegen eine Tolerierung der Juden lediglich eine befristete Aufenthalts-
erlaubnis für die Juden in Hessen durchsetzen können, so waren diese
Bedenken der hessischen Geistlichen im Jahre 1538 noch erheblich
größer geworden. Dazu hatte nicht nur die Tatsache beigetragen, daß
im Kurfürstentum Sachsen von Johann Friedrich am 6. August 1536
den Juden jede Ansiedlung und sogar Durchreise verboten wurde 8 -
auch Luthers Haltung den Juden gegenüber mag hier mitgespielt haben 9.
Daß man jedenfalls nicht nur auf der Seite der hessischen Geistlichkeit,
sondern auch in der landgräflichen Kanzlei selbst mit dem Gedanken
umging, die Juden nicht länger zu dulden, sondern auszuweisen, zeigt
der Brief des Landgrafen Philipp vom 6. Juli 1538 an seinen Kanzler
Feige, dem er von dem brieflichen Rat Jakob Sturms Mitteilung macht,
»das man die Juden nit gar sollt verjagenn etc. I0« Zugleich bittet der
Landgraf seinen Kanzler, in Straßburg bei Jakob Sturm anzufragen,
»wie man sie, die Jüdenn sollt leidenn vnd wie sye die vonn Straspurg
leidenn 11«.
7. Vgl. Anlage 1.
8. Vgl. im einzelnen zur Lage der Juden in Sachsen während der Reformationszeit
Burckhardt: Die Judenverfolgungen im Kurfürstentum Sachsen von 1536 an. ThStKr
70 (1897). S. 593-598.
9. Vgl. zur Haltung Luthers zur Judenfrage neben der Arbeit von W. Holsten:
Christentum und nichtchristliche Religion nach der Auffassung Luthers, Allgemeine
Missions-Studien, Bd. 13, Gütersloh 1932, vor allem W. Maurer: Kirche und Syna-
goge, Stuttgart 1953, S. 88-107, wo nicht nur die gesamte Literatur zu diesem Thema
kritisch behandelt wird, sondern auch neue Gesichtspunkte herausgearbeitet werden.
10. Vgl. Anlage 2. Nach Jakob Sturms Rat zu folgern, war es offensichtlich schon
bis Straßburg gedrungen, daß man sich in Hessen Ende der 30 er Jahre mit dem
Gedanken trug, die Juden (endgültig) auszuweisen.
11. In dieser Formulierung läßt der Satz vermuten, daß dem Landgrafen Philipp
nicht bekannt war, daß die Juden bereits im Jahre 1388 endgültig aus Straßburg
vertrieben worden waren. Seit diesem Jahre durfte kein Jude innerhalb der Mauern
Straßburgs wohnen oder nächtigen. Nur tagsüber durften sich jüdische Händler,
Kaufleute und Ärzte unter Aufsicht und Begleitung eines Stadtknechtes oder eines
Soldaten in der Stadt geschäftshalber aufhalten. Das abendliche Blasen des »Juden-
horns « vom Münsterturm mahnte die Juden dann wieder zum Verlassen der Stadt.
Den Bürgern war es seit 1530 streng untersagt, von Juden Geld zu leihen. Trotz dieser
Maßnahmen hat aber der Straßburger Rat niemals eine grundsätzlich feindselige
Haltung den Juden gegenüber eingenommen, wie zum Beispiel Colmar oder Ober-
ehnheim. Während der Zeit des Bauernkrieges hat der Straßburger Rat sogar ge-
flüchteten Juden für längere Dauer Unterkunft und Schutz gewährt.
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Untertanen des Landgrafen nicht »mit vnzimlichen contracten vnd
gedingen beschweren 7«.
Nach Ablauf der in diesem Schutzbrief gesetzten Frist war der Land-
graf im Jahre 1538 vor die Aufgabe gestellt, die Frage der Juden-
behandlung erneut aufzugreifen. Hatte der Landgraf im Jahre 1532
vermutlich auf Grund des Widerstandes der hessischen Geistlichkeit
gegen eine Tolerierung der Juden lediglich eine befristete Aufenthalts-
erlaubnis für die Juden in Hessen durchsetzen können, so waren diese
Bedenken der hessischen Geistlichen im Jahre 1538 noch erheblich
größer geworden. Dazu hatte nicht nur die Tatsache beigetragen, daß
im Kurfürstentum Sachsen von Johann Friedrich am 6. August 1536
den Juden jede Ansiedlung und sogar Durchreise verboten wurde 8 -
auch Luthers Haltung den Juden gegenüber mag hier mitgespielt haben 9.
Daß man jedenfalls nicht nur auf der Seite der hessischen Geistlichkeit,
sondern auch in der landgräflichen Kanzlei selbst mit dem Gedanken
umging, die Juden nicht länger zu dulden, sondern auszuweisen, zeigt
der Brief des Landgrafen Philipp vom 6. Juli 1538 an seinen Kanzler
Feige, dem er von dem brieflichen Rat Jakob Sturms Mitteilung macht,
»das man die Juden nit gar sollt verjagenn etc. I0« Zugleich bittet der
Landgraf seinen Kanzler, in Straßburg bei Jakob Sturm anzufragen,
»wie man sie, die Jüdenn sollt leidenn vnd wie sye die vonn Straspurg
leidenn 11«.
7. Vgl. Anlage 1.
8. Vgl. im einzelnen zur Lage der Juden in Sachsen während der Reformationszeit
Burckhardt: Die Judenverfolgungen im Kurfürstentum Sachsen von 1536 an. ThStKr
70 (1897). S. 593-598.
9. Vgl. zur Haltung Luthers zur Judenfrage neben der Arbeit von W. Holsten:
Christentum und nichtchristliche Religion nach der Auffassung Luthers, Allgemeine
Missions-Studien, Bd. 13, Gütersloh 1932, vor allem W. Maurer: Kirche und Syna-
goge, Stuttgart 1953, S. 88-107, wo nicht nur die gesamte Literatur zu diesem Thema
kritisch behandelt wird, sondern auch neue Gesichtspunkte herausgearbeitet werden.
10. Vgl. Anlage 2. Nach Jakob Sturms Rat zu folgern, war es offensichtlich schon
bis Straßburg gedrungen, daß man sich in Hessen Ende der 30 er Jahre mit dem
Gedanken trug, die Juden (endgültig) auszuweisen.
11. In dieser Formulierung läßt der Satz vermuten, daß dem Landgrafen Philipp
nicht bekannt war, daß die Juden bereits im Jahre 1388 endgültig aus Straßburg
vertrieben worden waren. Seit diesem Jahre durfte kein Jude innerhalb der Mauern
Straßburgs wohnen oder nächtigen. Nur tagsüber durften sich jüdische Händler,
Kaufleute und Ärzte unter Aufsicht und Begleitung eines Stadtknechtes oder eines
Soldaten in der Stadt geschäftshalber aufhalten. Das abendliche Blasen des »Juden-
horns « vom Münsterturm mahnte die Juden dann wieder zum Verlassen der Stadt.
Den Bürgern war es seit 1530 streng untersagt, von Juden Geld zu leihen. Trotz dieser
Maßnahmen hat aber der Straßburger Rat niemals eine grundsätzlich feindselige
Haltung den Juden gegenüber eingenommen, wie zum Beispiel Colmar oder Ober-
ehnheim. Während der Zeit des Bauernkrieges hat der Straßburger Rat sogar ge-
flüchteten Juden für längere Dauer Unterkunft und Schutz gewährt.