JUDENRATSCHLAG
Wenn Jakob Sturm den Kanzler Feige auf dessen Anfrage hin an
Martin Bucer verwiesen hat, so dürfte dabei nicht nur die Tatsache maß-
gebend gewesen sein, daß gerade Bucer für Straßburg auf nahezu alle
nach Straßburg gerichteten Anfragen, soweit sie theologische und
kirchenrechtliche Fragen betrafen, in Gutachten und Bedenken Stellung
nahm, sondern hier dürfte überdies der Umstand mitgespielt haben, daß
Bucer ja bereits in seinen für Augsburg im Jahre 1535 verfaßten » Dialogi«
unter anderem auch die rechtliche Seite der Judenfrage behandelt und
außerdem dieses Problem in seinem Römerbriefkommentar vom Jahre
1536 theologisch eingehend erörtert hatte. In der Tat kehren denn auch
sowohl die rechtlichen als auch die theologischen Grundgedanken
Bucers, die er zum Judenproblem in diesen Schriften entwickelt hat,
im »Ratschlag« wieder.
In den »Dialogi« 18 geht Bucer bei der Behandlung der Judenfrage
von der Anschauung aus, daß die christliche Obrigkeit zur Fürsorge
für die wahre (christliche) Religion verpflichtet sei. Diese von Bucer
bereits in seinen Frühschriften entwickelte theokratische Staatsauf-
fassung hat Bucer gerade in seinen »Dialogi« in klassischer Weise im
7. Gespräch zusammengefaßt 19 und im 8. Gespräch 20 dann dahin erwei-
tert, daß die Obrigkeit sogar die Pflicht habe, nicht nur mit Ausweisung,
sondern auch mit Bestrafung gegen die vorzugehen, die einer anderen
als der allgemeinen Religion anhängen. Folgerichtig ergibt sich in den
»Dialogi« daraus die Frage, wie dann in einem christlichen Lande die
Juden behandelt werden sollen 21. Fridlieb-Bucer antwortet auf diese
Frage: »Wir haben hievon Kaiserliche gesetz, hielten wir die, hette ich
nit zweyfel, es solte Christlich sein 22« - und verweist nun für die Be-
handlung der Juden auf die Anordnung des Codex Iustiniani, den
Juden wohl die Synagogen zu belassen, sie aber sofort auszuweisen,
falls sie bei den Christen für ihren Glauben Propaganda trieben oder
den christlichen Glauben verspotteten. Man dürfe den Juden auch
18. Von dieser Schrift (vgl. Bibi. Nr. 50), die im Band 6 dieser Ausgabe heraus-
gegeben werden wird, lag mir ein Exemplar der Universitätsbibliothek Göttingen
vor. Zum historischen Hintergrund ist F. Roth: Augsburger Reformationsgeschichte,
Bd. 2, München 1904, zu vergleichen. Sachlich sind die »Dialogi« grundlegend
mitbehandelt bei W. Hans: Gutachten und Streitschriften über das ius reformandi
des Rates vor und während der Einführung der offiziellen Kirchenreform in Augsburg
1534-1537. Ein Beitrag zur Geschichte der Anschauungen von den kirchlichen
Aufgaben der Obrigkeit in der Reformationszeit. Augsburg 1901.
19. »Dialogi«, Blatt L 4 a ff.
20. Ebd. Blatt R 2 a ff.
21. Ebd. Blatt R 4 a ff.
22. Ebd. Blatt R 4 b.
Wenn Jakob Sturm den Kanzler Feige auf dessen Anfrage hin an
Martin Bucer verwiesen hat, so dürfte dabei nicht nur die Tatsache maß-
gebend gewesen sein, daß gerade Bucer für Straßburg auf nahezu alle
nach Straßburg gerichteten Anfragen, soweit sie theologische und
kirchenrechtliche Fragen betrafen, in Gutachten und Bedenken Stellung
nahm, sondern hier dürfte überdies der Umstand mitgespielt haben, daß
Bucer ja bereits in seinen für Augsburg im Jahre 1535 verfaßten » Dialogi«
unter anderem auch die rechtliche Seite der Judenfrage behandelt und
außerdem dieses Problem in seinem Römerbriefkommentar vom Jahre
1536 theologisch eingehend erörtert hatte. In der Tat kehren denn auch
sowohl die rechtlichen als auch die theologischen Grundgedanken
Bucers, die er zum Judenproblem in diesen Schriften entwickelt hat,
im »Ratschlag« wieder.
In den »Dialogi« 18 geht Bucer bei der Behandlung der Judenfrage
von der Anschauung aus, daß die christliche Obrigkeit zur Fürsorge
für die wahre (christliche) Religion verpflichtet sei. Diese von Bucer
bereits in seinen Frühschriften entwickelte theokratische Staatsauf-
fassung hat Bucer gerade in seinen »Dialogi« in klassischer Weise im
7. Gespräch zusammengefaßt 19 und im 8. Gespräch 20 dann dahin erwei-
tert, daß die Obrigkeit sogar die Pflicht habe, nicht nur mit Ausweisung,
sondern auch mit Bestrafung gegen die vorzugehen, die einer anderen
als der allgemeinen Religion anhängen. Folgerichtig ergibt sich in den
»Dialogi« daraus die Frage, wie dann in einem christlichen Lande die
Juden behandelt werden sollen 21. Fridlieb-Bucer antwortet auf diese
Frage: »Wir haben hievon Kaiserliche gesetz, hielten wir die, hette ich
nit zweyfel, es solte Christlich sein 22« - und verweist nun für die Be-
handlung der Juden auf die Anordnung des Codex Iustiniani, den
Juden wohl die Synagogen zu belassen, sie aber sofort auszuweisen,
falls sie bei den Christen für ihren Glauben Propaganda trieben oder
den christlichen Glauben verspotteten. Man dürfe den Juden auch
18. Von dieser Schrift (vgl. Bibi. Nr. 50), die im Band 6 dieser Ausgabe heraus-
gegeben werden wird, lag mir ein Exemplar der Universitätsbibliothek Göttingen
vor. Zum historischen Hintergrund ist F. Roth: Augsburger Reformationsgeschichte,
Bd. 2, München 1904, zu vergleichen. Sachlich sind die »Dialogi« grundlegend
mitbehandelt bei W. Hans: Gutachten und Streitschriften über das ius reformandi
des Rates vor und während der Einführung der offiziellen Kirchenreform in Augsburg
1534-1537. Ein Beitrag zur Geschichte der Anschauungen von den kirchlichen
Aufgaben der Obrigkeit in der Reformationszeit. Augsburg 1901.
19. »Dialogi«, Blatt L 4 a ff.
20. Ebd. Blatt R 2 a ff.
21. Ebd. Blatt R 4 a ff.
22. Ebd. Blatt R 4 b.