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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0402
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398 SCHRIFTEN DER JAHRE 1538-1539

Am 1. März wurde das Gutachten über den Nürnberger Anstand
dem kaiserlichen Gesandten überreicht. Es enthielt folgende Haupt-
forderungen: Der Friede kann nicht durch Reichstag oder Konzil auf-
gehoben werden. Dem Reichskammergericht werden alle Prozesse um
Glaubensfragen oder Kirchengüter untersagt. Ein paritätisch besetztes
Schiedsgericht entscheidet in Zweifelsfällen. Außerdem muß das
Kammergericht unparteiisch besetzt werden. Jede reichsunmittelbare
Obrigkeit hat das jus reformandi und genießt den Schutz des Friedens.
Diese Maximalforderungen wurden vom Orator abgewiesen. In
wochenlangen, hartnäckigen Verhandlungen, die schließlich knapp vor
dem Zusammenbruch standen, bewilligte der kaiserliche Orator am
19. April einen Anstand für die Dauer von sechs Monaten. Bei kaiser-
licher Bewilligung sollte der Anstand auf 15 Monate ausgedehnt werden.
In dieser Zeit sollte keiner um seiner Religion willen mit Krieg über-
zogen werden. Der Nürnberger Anstand blieb bis zum nächsten
Reichstag in Kraft. Alle Prozesse vor dem Reichskammergericht, die
Religionsangelegenheiten betrafen, sollten suspendiert werden. Für die
Zeit des Anstandes sollte keine Partei die bestehenden Bündnisse
erweitern. Als neues Moment enthielt dieses Abkommen eine Zu-
sicherung des Kaisers, bis zum 1. August 1539 e4ne Zusammenkunft
der evangelischen und der katholischen Stände auszuschreiben, bei der
über einen Vergleich in den strittigen Glaubensfragen verhandelt
werden sollte. Der Schmalkaldische Bund dagegen verpflichtete sich,
am 18. Mai 1539 bevollmächtigte Vertreter zu Verhandlungen über die
Türkenhilfe nach Worms zu senden 3.

Dieser Vertrag, der sofort von römischer Seite scharf abgelehnt
wurde, fand die Zustimmung des Kaisers nicht. Auch die evangelischen
Stände waren mit dem Ergebnis der Frankfurter Verhandlungen unzu-
frieden.

Neu und in die Zukunft weisend war die Vereinbarung eines Reli-
gionsgespräches, das nicht vom Papst einberufen und nicht von einem
päpstlichen Legaten geleitet werden sollte. Damit beschritt der Kaiser
den Weg des friedlichen Ausgleichs durch Religionsgespräche, bei
denen dann die humanistisch gesinnten Theologen beider Seiten hervor-
traten und eine gewisse Annäherung in Teilfragen erzielten 4.

vgl. P. Fuchtel: Der Frankfurter Anstand vom Jahre 1539. ARG 28. 1931. S. 145-206.
Vgl. auch Pol. Cor. II, 5 39 ff.

3. Die Verhandlungen in Worms brachten keine Einigung. Die Schmalkaldener
machten die Türkenhilfe abhängig von der Erfüllung des Frankfurter Anstandes,
vgl. R. Stupperich: Der Humanismus und die Wiedervereinigung der Konfessionen.
SVRG 160, 1936. S. 61.

4. Zu den Motiven, die die kaiserliche Unionspolitik bestimmten, und zum
Widerstand, den sie auf katholischer Seite fand, vgl. R. Stupperich, a.a.O. S. 5 7 ff.
 
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