waren (Nr. 438 u. 442). Merkwürdig ist die Verteilung von deutscher und lateinischer Sprache an
den Friedhofskapellenbauten der siebziger Jahre (Nr. 13-18), wie wenn Klerus und Bürgertum
beide auf ihrer Sprache beharrt hätten. Aus dem Jahre 1479 ist uns endlich die erste rein bürger-
liche Inschrift erhalten: die Gründungsinschrift des Wertheimer Fischerzunfthauses (Nr. 19), mit
der das Bürgertum bereits dem Adel vorauseilt (vgl. Nr. 21). Auch die einfache Namensnennung
begegnet früher, wenn auch unerheblich (Nr. 12).
Nur zögernd hat das Bürgertum dagegen den Brauch der Grabinschriften aufgegriffen. Von den
über 25 Grabplatten der vierziger bis siebziger Jahre gelten nicht mehr als vier Bürgerlichen
(Nr. 141, 151, 153, 161). Sie sind deutschsprachig, schließen sich im übrigen aber streng an die
ritterlichen Vorbilder an. Erst in den achtziger Jahren entwickelt sich eine starke Reihe, an der
Wertheim naturgemäß den größten Anteil hat. Wesentliche Unterschiede vom Grabstein des
Adligen bestehen auch jetzt nicht. Der Wortlaut ist der gleiche - von den allerdings entscheidenden
Beiwörtern abgesehen -, und auch die Gesamtanlage weicht im allgemeinen nur in der An-
bringung der Wappen ab. Wie der Adlige (und Priester) wurde auch der Bürger in Umrißzeich-
nung dargestellt (vgl. Nr. 171 mit Nr. 138), oder wie das Adelswappen (oder den Kelch) meißelte
man in der Mitte das Hauszeichen ein (Nr. 161). Nur die Darstellung als Freigestalt blieb dem
Adel vorbehalten; das Bürgertum (und die Geistlichkeit) begnügte sich mit Flachreliefbildern
(Nr. 170, 178, 200).
Im ganzen spiegelt die inschriftliche Überlieferung am Ausgang des Mittelalters nicht nur die
ständische Gliederung wieder, sondern zugleich auch die große Einheit, in der sich die drei Stände
zusammenfanden. Keiner von ihnen war ausgesprochen führend, alle bedienten sich in den Bau-
wie in den Grabinschriften einer gemeinsamen Form, die nur in Einzelheiten abgewandelt wurde.
Selbst die auffallendste Schranke, das Latein des Priesters, schien zu fallen (Nr. 209).
Die neue Zeit - in den Inschriften de£ Main- und Tauberlandes erstmalig in den zwanziger Jahren,
vollgültig um 1540 zum Ausdruck gelangend - brachte demgegenüber mit dem humanistischen
Gelehrtenwesen die Spaltung in Gebildete und Ungebildete. Träger der humanistischen Kultur-
strömung waren im Norden vor allem die Wertheimer Grafenfamilien (Nr. 214f., 276) und hohe
Beamte (z. B. Nr. 244); bemerkenswerten Anteil nahm auch die protestantische Geistlichkeit
(Nr. 245). Der Süden blieb hinter dem Norden lange zurück. Von einer versprengten Formel auf
einem Bildstock vom Jahre 1581 abgesehen (Nr. 353), veranlaßten die Zobel von Giebelstadt, die
in naher Verbindung mit Würzburg standen, 1595 in Messeihausen die erste humanistische In-
schrift (Nr. 71). Nach 1600 bestrebten sich dann auch die kurmainzischen Beamten in Tauber-
bischofsheim, zeitgemäße Denkmäler zu hinterlassen (Nr. 288, 315). Ein Amtskeller in Külsheim
wollte schließlich nicht zurückstehen, und so verirrte sich ein lateinisches Distichon sogar an einen
Scheuerbalken (Nr. 96).
Diese humanistischen Formen wurden von einer dünnen Oberschicht gepflegt, die nur einen Teil
der kulturtragenden Schicht ausmachte. Das Bürgertum, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts besonders in Wertheim eine große wirtschaftliche Blütezeit erlebte, war ausgeschlossen.
Es blieb dem Erbe des Mittelalters treu, in den Formen wie vielfach auch in den Inhalten (vgl. z. B.
Nr. 42 mit 19; Nr. 43). Zusammen mit dem niederen und zum Teil auch dem höheren Adel, der
nicht dem Humanismus huldigte, setzte es die spätmittelalterliche Grabschrift zunächst fast unver-
ändert fort (Nr. 223, 226). Doch wurde dieser etwas magere Text bald mit Bibelsprüchen und
kirchenliedähnlichen Versen umrahmt und schließlich auch durch kleine Zusätze erweitert, auf die
in dem unten folgenden Überblick über die Grabinschriften noch näher eingegangen werden soll.
Die große Leistung des Bürgertums liegt auf dem Gebiet der Bau- und Hausinschriften. Wiederum
ist Wertheim führend (Nr. 41—50, 52, 53). Im Süden hat Tauberbischofsheim einiges zu bieten
(Nr. 38, 82, 97), während Grünsfeld und Lauda über Namensnennungen nicht hinauskommen
(Nr. 35 f., 70, 84, 94). Der Brauch der Bauinschriften scheint mehr in der Maingegend zu Hause
zu sein, da er hier auch in Dörfern stärker geübt wurde als im Süden (Nr. 54, 57, 59, 85). Viel-
leicht steht damit in Zusammenhang, daß den katholischen Bürgern und reichen Bauern des Südens
als zweite Ausdrucksform die Flurdenkmäler zur Verfügung standen.
DIE INSCHRIFTEN AN BAUWERKEN
Die älteren Bauinschriften des badischen Main- und Tauberlandes finden sich ohne Ausnahme an
Kirchen, Kapellen und Klosterbauten (Nr. 1—18, 20). In den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts
bricht diese rein klerikale Reihe ziemlich unvermittelt ab, und ebenso ausnahmslos folgen welt-
liche Denkmäler ein ganzes Jahrhundert lang (Nr. 19, 21-56). Dann mischen sich gelegentlich
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den Friedhofskapellenbauten der siebziger Jahre (Nr. 13-18), wie wenn Klerus und Bürgertum
beide auf ihrer Sprache beharrt hätten. Aus dem Jahre 1479 ist uns endlich die erste rein bürger-
liche Inschrift erhalten: die Gründungsinschrift des Wertheimer Fischerzunfthauses (Nr. 19), mit
der das Bürgertum bereits dem Adel vorauseilt (vgl. Nr. 21). Auch die einfache Namensnennung
begegnet früher, wenn auch unerheblich (Nr. 12).
Nur zögernd hat das Bürgertum dagegen den Brauch der Grabinschriften aufgegriffen. Von den
über 25 Grabplatten der vierziger bis siebziger Jahre gelten nicht mehr als vier Bürgerlichen
(Nr. 141, 151, 153, 161). Sie sind deutschsprachig, schließen sich im übrigen aber streng an die
ritterlichen Vorbilder an. Erst in den achtziger Jahren entwickelt sich eine starke Reihe, an der
Wertheim naturgemäß den größten Anteil hat. Wesentliche Unterschiede vom Grabstein des
Adligen bestehen auch jetzt nicht. Der Wortlaut ist der gleiche - von den allerdings entscheidenden
Beiwörtern abgesehen -, und auch die Gesamtanlage weicht im allgemeinen nur in der An-
bringung der Wappen ab. Wie der Adlige (und Priester) wurde auch der Bürger in Umrißzeich-
nung dargestellt (vgl. Nr. 171 mit Nr. 138), oder wie das Adelswappen (oder den Kelch) meißelte
man in der Mitte das Hauszeichen ein (Nr. 161). Nur die Darstellung als Freigestalt blieb dem
Adel vorbehalten; das Bürgertum (und die Geistlichkeit) begnügte sich mit Flachreliefbildern
(Nr. 170, 178, 200).
Im ganzen spiegelt die inschriftliche Überlieferung am Ausgang des Mittelalters nicht nur die
ständische Gliederung wieder, sondern zugleich auch die große Einheit, in der sich die drei Stände
zusammenfanden. Keiner von ihnen war ausgesprochen führend, alle bedienten sich in den Bau-
wie in den Grabinschriften einer gemeinsamen Form, die nur in Einzelheiten abgewandelt wurde.
Selbst die auffallendste Schranke, das Latein des Priesters, schien zu fallen (Nr. 209).
Die neue Zeit - in den Inschriften de£ Main- und Tauberlandes erstmalig in den zwanziger Jahren,
vollgültig um 1540 zum Ausdruck gelangend - brachte demgegenüber mit dem humanistischen
Gelehrtenwesen die Spaltung in Gebildete und Ungebildete. Träger der humanistischen Kultur-
strömung waren im Norden vor allem die Wertheimer Grafenfamilien (Nr. 214f., 276) und hohe
Beamte (z. B. Nr. 244); bemerkenswerten Anteil nahm auch die protestantische Geistlichkeit
(Nr. 245). Der Süden blieb hinter dem Norden lange zurück. Von einer versprengten Formel auf
einem Bildstock vom Jahre 1581 abgesehen (Nr. 353), veranlaßten die Zobel von Giebelstadt, die
in naher Verbindung mit Würzburg standen, 1595 in Messeihausen die erste humanistische In-
schrift (Nr. 71). Nach 1600 bestrebten sich dann auch die kurmainzischen Beamten in Tauber-
bischofsheim, zeitgemäße Denkmäler zu hinterlassen (Nr. 288, 315). Ein Amtskeller in Külsheim
wollte schließlich nicht zurückstehen, und so verirrte sich ein lateinisches Distichon sogar an einen
Scheuerbalken (Nr. 96).
Diese humanistischen Formen wurden von einer dünnen Oberschicht gepflegt, die nur einen Teil
der kulturtragenden Schicht ausmachte. Das Bürgertum, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts besonders in Wertheim eine große wirtschaftliche Blütezeit erlebte, war ausgeschlossen.
Es blieb dem Erbe des Mittelalters treu, in den Formen wie vielfach auch in den Inhalten (vgl. z. B.
Nr. 42 mit 19; Nr. 43). Zusammen mit dem niederen und zum Teil auch dem höheren Adel, der
nicht dem Humanismus huldigte, setzte es die spätmittelalterliche Grabschrift zunächst fast unver-
ändert fort (Nr. 223, 226). Doch wurde dieser etwas magere Text bald mit Bibelsprüchen und
kirchenliedähnlichen Versen umrahmt und schließlich auch durch kleine Zusätze erweitert, auf die
in dem unten folgenden Überblick über die Grabinschriften noch näher eingegangen werden soll.
Die große Leistung des Bürgertums liegt auf dem Gebiet der Bau- und Hausinschriften. Wiederum
ist Wertheim führend (Nr. 41—50, 52, 53). Im Süden hat Tauberbischofsheim einiges zu bieten
(Nr. 38, 82, 97), während Grünsfeld und Lauda über Namensnennungen nicht hinauskommen
(Nr. 35 f., 70, 84, 94). Der Brauch der Bauinschriften scheint mehr in der Maingegend zu Hause
zu sein, da er hier auch in Dörfern stärker geübt wurde als im Süden (Nr. 54, 57, 59, 85). Viel-
leicht steht damit in Zusammenhang, daß den katholischen Bürgern und reichen Bauern des Südens
als zweite Ausdrucksform die Flurdenkmäler zur Verfügung standen.
DIE INSCHRIFTEN AN BAUWERKEN
Die älteren Bauinschriften des badischen Main- und Tauberlandes finden sich ohne Ausnahme an
Kirchen, Kapellen und Klosterbauten (Nr. 1—18, 20). In den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts
bricht diese rein klerikale Reihe ziemlich unvermittelt ab, und ebenso ausnahmslos folgen welt-
liche Denkmäler ein ganzes Jahrhundert lang (Nr. 19, 21-56). Dann mischen sich gelegentlich
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