Aus der Zeit vor 1500 sind uns nur 21 Denkmäler erhalten, darunter 7, die lediglich die Jahres-
zahl enthalten; aus dem 16. Jahrhundert stammen ebenfalls nur 20; dagegen ist der Zeitraum
von 1600 bis 1650 mit mehr als 80 Texten vertreten. Mit einigen wenigen Inschriften griff ich
über die Grenze von 1650 hinaus, weil sie mir wichtig erschienen und einige Entwicklungsreihen
abrunden und abschließen halfen (vgl. die Glocke Nr. 18 und das Wegkreuz Nr. 103).
Trotz dieser Ungleichmäßigkeit geben uns die erhaltenen Inschriften dennoch ein farbiges Bild
von der Eigenart dieses Raumes, sie zeigen uns klar, wie dieses Land und seine Bewohner ver-
flochten sind mit der Geschichte und den Schicksalen Österreichs und Ungarns; sie zeigen uns.
wie sich der Schwerpunkt bald nach Westen, bald nach Osten verlagert und wie bewegt die Schick-
sale dieses Grenzlandes immer waren (vgl. Nr. 95 aus Forchtenstein).
Hier sind auch dieselben geistigen Kräfte rege, wie in der großen europäischen Welt, vielleicht
manchmal etwas später wirksam, aber deshalb nicht weniger nachhaltig. Die Steine 27 und 28
sind durchaus noch von mittelalterlichem Geiste geprägt. Der Humanismus tritt uns in glanz-
vollen Versen entgegen und es ist sicher kein Zufall, daß es gerade ein Schulmeister war, um den
sein Bruder in klassischen Bildern, in klassisch-lateinischen Phrasen trauert (Nr. 73). Gegen das
17. Jahrhundert zu mehren sich dann die barocken Denkmäler, für die der Adel besondere Vorliebe
zeigte (Nr. 129).
Eines aber vor allem zeigen uns die wenigen Zeugnisse: hier sprechen Deutsche zu uns; das Land
ist deutsch und enge verbunden mit den geistigen und machtpolitischen Zentren Österreichs.
Bürgerliche und Adelige, ja selbst Geistliche (Nr. 14, 31) waren sich ihres Deutschtums auch
immer bewußt; das zeigt schon das starke Überwiegen der deutschen Sprache in den Texten;
82 deutschen Inschriften stehen nur 28 lateinische gegenüber; ähnlich ist das Verhältnis vor 1600
(29 : 12), noch günstiger aber im nördlichen Teile des Landes (70 : 17). Im südlichen Burgenland
bedient sich vorzugsweise der Adel, der sich vom Ende des 16. Jahrhunderts an immer mehr nach
Ungarn ausrichtete, der lateinischen Sprache. Hier stehen 2 deutsche gegen 8 lateinische In-
schriften. Aber bei Steinen, die Bürgerliche errichten ließen, überwiegt nach wie vor das Deut-
sche (6:4).
Von den nichtdeutschen Volkssplittern bedienen sich die Madjaren ausnahmslos des Lateinischen;
die Kroaten jedoch schreiben vor 1650 auch deutsch.
Tiefer in das geistige Leben und die geschichtlichen Verhältnisse, wie sie sich in den Inschriften
spiegeln, führt uns die Frage: was blieb überhaupt erhalten, wo kam es auf uns und warum ist
gerade aus der ältesten Zeit das meiste zerstört? Diese Fragen lauteten bei der Sammlung einfach:
wo können wir alte Inschriften erwarten und welche? Mit Ausnahme der Stadt Eisenstadt, die
in der Pfarrkirche eine Fülle von Grabsteinen birgt und im Wolf-Museum eine bunte Reihe pro-
faner Inschriften besitzt, überwiegen im Burgenland die „Streufunde“. Oft sind es gerade ganz
kleine, unbedeutende Ortschaften, wie Zahling (Nr. 130), die eine alte Inschrift aufweisen; größere
Siedlungen, die in offenen Tälern an Durchzugsstraßen liegen, sind dagegen völlig verarmt an
solchen Texten (vgl. Mattersburg; Nr. 97-99).
Was aber im Burgenland die Stürme der Zeit überdauerte, sind so verschiedenartige Gegenstände,
geistliche wie profane, daß wir schon daraus schließen können, wie viel verloren gegangen ist,
und daß das Burgenland auch mit Inschriften aus dem Mittelalter den Nachbarländern zur Seite
gestellt werden kann.
An der Spitze der 130 Denkmäler, von denen wir Kenntnis haben, stehen die Grabsteine und Weg-
kreuze mit zusammen 74 Texten (Tabelle I). Dazu kommen noch 11 Glocken, 5 Votivbilder und
3 Taufbecken. Die restlichen 37 Inschriften dienten profanen Zwecken; es sind Bauinschriften,
Inschriften auf Glasfenstern und Zierleisten, Aufschriften auf Geräten, auf Bechern, Waffeleisen,
auf einer Tuchschere, einer Handlampe usw.
Die nicht profanen Gegenstände standen vom Anfang an unter dem Schutze der Kirche, sie waren
meist auch an geschützten Plätzen aufgestellt; die profanen Geräte dagegen konnten leicht den
Besitzer wechseln (vgl. Nr. 55) und außer Landes gebracht werden. Nicht bodenständige profane
Inschriften sind im Wolf-Museum vereinigt (Nr. 48-55, 57-59); dort befinden sich Tiroler Holz-
arbeiten aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 48, 59) neben Glasfenstern Schweizer Arbeit (Nr. 52, 57);
eine Handlampe ist italienische Arbeit (Nr. 50).
Die meisten Lücken rissen aber nicht die natürlichen Kräfte der Verwitterung, sondern die un-
aufhörlichen Kriege mit den Türken und die Machtkämpfe der ungarischen Großen, die gerade
im Grenzlande ausgetragen wurden. So erklärt sich wohl auch, daß in versteckt liegenden kleinen
Ortschaften alte Inschriften erhalten geblieben sind (vgl. die Glocke in Zahling, Nr. 130).
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zahl enthalten; aus dem 16. Jahrhundert stammen ebenfalls nur 20; dagegen ist der Zeitraum
von 1600 bis 1650 mit mehr als 80 Texten vertreten. Mit einigen wenigen Inschriften griff ich
über die Grenze von 1650 hinaus, weil sie mir wichtig erschienen und einige Entwicklungsreihen
abrunden und abschließen halfen (vgl. die Glocke Nr. 18 und das Wegkreuz Nr. 103).
Trotz dieser Ungleichmäßigkeit geben uns die erhaltenen Inschriften dennoch ein farbiges Bild
von der Eigenart dieses Raumes, sie zeigen uns klar, wie dieses Land und seine Bewohner ver-
flochten sind mit der Geschichte und den Schicksalen Österreichs und Ungarns; sie zeigen uns.
wie sich der Schwerpunkt bald nach Westen, bald nach Osten verlagert und wie bewegt die Schick-
sale dieses Grenzlandes immer waren (vgl. Nr. 95 aus Forchtenstein).
Hier sind auch dieselben geistigen Kräfte rege, wie in der großen europäischen Welt, vielleicht
manchmal etwas später wirksam, aber deshalb nicht weniger nachhaltig. Die Steine 27 und 28
sind durchaus noch von mittelalterlichem Geiste geprägt. Der Humanismus tritt uns in glanz-
vollen Versen entgegen und es ist sicher kein Zufall, daß es gerade ein Schulmeister war, um den
sein Bruder in klassischen Bildern, in klassisch-lateinischen Phrasen trauert (Nr. 73). Gegen das
17. Jahrhundert zu mehren sich dann die barocken Denkmäler, für die der Adel besondere Vorliebe
zeigte (Nr. 129).
Eines aber vor allem zeigen uns die wenigen Zeugnisse: hier sprechen Deutsche zu uns; das Land
ist deutsch und enge verbunden mit den geistigen und machtpolitischen Zentren Österreichs.
Bürgerliche und Adelige, ja selbst Geistliche (Nr. 14, 31) waren sich ihres Deutschtums auch
immer bewußt; das zeigt schon das starke Überwiegen der deutschen Sprache in den Texten;
82 deutschen Inschriften stehen nur 28 lateinische gegenüber; ähnlich ist das Verhältnis vor 1600
(29 : 12), noch günstiger aber im nördlichen Teile des Landes (70 : 17). Im südlichen Burgenland
bedient sich vorzugsweise der Adel, der sich vom Ende des 16. Jahrhunderts an immer mehr nach
Ungarn ausrichtete, der lateinischen Sprache. Hier stehen 2 deutsche gegen 8 lateinische In-
schriften. Aber bei Steinen, die Bürgerliche errichten ließen, überwiegt nach wie vor das Deut-
sche (6:4).
Von den nichtdeutschen Volkssplittern bedienen sich die Madjaren ausnahmslos des Lateinischen;
die Kroaten jedoch schreiben vor 1650 auch deutsch.
Tiefer in das geistige Leben und die geschichtlichen Verhältnisse, wie sie sich in den Inschriften
spiegeln, führt uns die Frage: was blieb überhaupt erhalten, wo kam es auf uns und warum ist
gerade aus der ältesten Zeit das meiste zerstört? Diese Fragen lauteten bei der Sammlung einfach:
wo können wir alte Inschriften erwarten und welche? Mit Ausnahme der Stadt Eisenstadt, die
in der Pfarrkirche eine Fülle von Grabsteinen birgt und im Wolf-Museum eine bunte Reihe pro-
faner Inschriften besitzt, überwiegen im Burgenland die „Streufunde“. Oft sind es gerade ganz
kleine, unbedeutende Ortschaften, wie Zahling (Nr. 130), die eine alte Inschrift aufweisen; größere
Siedlungen, die in offenen Tälern an Durchzugsstraßen liegen, sind dagegen völlig verarmt an
solchen Texten (vgl. Mattersburg; Nr. 97-99).
Was aber im Burgenland die Stürme der Zeit überdauerte, sind so verschiedenartige Gegenstände,
geistliche wie profane, daß wir schon daraus schließen können, wie viel verloren gegangen ist,
und daß das Burgenland auch mit Inschriften aus dem Mittelalter den Nachbarländern zur Seite
gestellt werden kann.
An der Spitze der 130 Denkmäler, von denen wir Kenntnis haben, stehen die Grabsteine und Weg-
kreuze mit zusammen 74 Texten (Tabelle I). Dazu kommen noch 11 Glocken, 5 Votivbilder und
3 Taufbecken. Die restlichen 37 Inschriften dienten profanen Zwecken; es sind Bauinschriften,
Inschriften auf Glasfenstern und Zierleisten, Aufschriften auf Geräten, auf Bechern, Waffeleisen,
auf einer Tuchschere, einer Handlampe usw.
Die nicht profanen Gegenstände standen vom Anfang an unter dem Schutze der Kirche, sie waren
meist auch an geschützten Plätzen aufgestellt; die profanen Geräte dagegen konnten leicht den
Besitzer wechseln (vgl. Nr. 55) und außer Landes gebracht werden. Nicht bodenständige profane
Inschriften sind im Wolf-Museum vereinigt (Nr. 48-55, 57-59); dort befinden sich Tiroler Holz-
arbeiten aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 48, 59) neben Glasfenstern Schweizer Arbeit (Nr. 52, 57);
eine Handlampe ist italienische Arbeit (Nr. 50).
Die meisten Lücken rissen aber nicht die natürlichen Kräfte der Verwitterung, sondern die un-
aufhörlichen Kriege mit den Türken und die Machtkämpfe der ungarischen Großen, die gerade
im Grenzlande ausgetragen wurden. So erklärt sich wohl auch, daß in versteckt liegenden kleinen
Ortschaften alte Inschriften erhalten geblieben sind (vgl. die Glocke in Zahling, Nr. 130).
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