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Zahn, Peter [Hrsg.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 13 : Münchener Reihe ; Band 3): Die Inschriften der Friedhöfe St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd zu Nürnberg (Teilbd. 1: bis zum Jahre 1580) — München: Druckenmüller, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.45637#0024
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Schriftformen
Bei der Untersuchung der Nürnberger Inschriften war es nicht schwer, Beziehungen zu den mutmaß-
lichen Vorbildern zu finden. Besonders für den Bereich der Vischerhütte konnte der wirksame Einfluß des
Schreibmeisters Johann Neudörffer d. Ä. nachgewiesen werden129). Er hat zusammen mit dem Form-
schneider Hieronymus Andrea130) die Buchdruckfraktur in der Form geschaffen, wie sie mit geringen
Änderungen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gebräuchlich war.
Verwandtschaften zu den Nürnberger Buchdruckfrakturen sind deshalb allenthalben erkennbar. Was
die Fraktur anlangt, gibt es aber noch mehr Übereinstimmungen zu den Unterschriften der Ehrenpforte
Kaiser Maximilians, die Hieronymus Andreä in Nürnberg mit seinen Helfern zwischen 1512 und 1517
in Holz geschnitten hatte131). In ihnen ist der ganze Reichtum an Buchstabenvarianten sichtbar, der einem
der besten Schreibmeister jener Zeit zu Gebote stand.
Ähnliche Vielfalt zeigen die Musterblätter und Musterbücher der Schreibmeister. An erster Stelle steht
das 1519 in Holzschnitt gedruckte „Fundament“ des 22jährigen Johann Neudörffer, „seinen schillern zu
einer unterweysung gemacht“. Wie der Titel schon sagt, ist es ein Privatdruck für den häuslichen Schul-
betrieb und deshalb heute nur noch in wenigen Exemplaren vorhanden. Die nächste erhaltene Probe von
Neudörffers Können ist das große Pergamentblatt vom Oktober 1533 mit holzschnitt-gedruckten und
handgeschriebenen Initialen, Alphabeten und Textbeispielen in Kurrent, Fraktur, Kapitalis und humani-
stischer Minuskel. Sein im Jahre 1538 erschienenes Musterbuch Ein gute Ordnung und kurtze unterricht...
Zierlichs schreibens ist schließlich die breiteste Darstellung des verfügbaren Formenschatzes. Es wurde von
ihm selbst in Radiertechnik vervielfältigt und bis in seine letzten Lebensjahre ergänzt. Besonders monu-
mentalen Charakter haben einige Buchstabenalphabete in dem auf Pergament geschriebenen Exemplar
der Stadtbibliothek Nürnberg, das man wohl als Vorlagemanuskript für die Radierungen ansehen muß132).
Der Formenreichtum dieses Neudörfferschen Werkes wird jedoch noch von dem eines seiner begab-
testen Schüler übertroffen. Wolfgang Fugger (um 1515-1568)133), aus einer Nebenlinie der berühmten
Augsburger Familie, gab in seinem nützlich und wolgegrundt Formular Manncherley schöner schriefften 1553
ein Schreibmusterbuch heraus, das sich mit seinen praktischen Anleitungen nicht nur an den Schönschreiber
wendete, sondern auch an den Typenschneider, den Schriftsetzer und den Mann, der mit Inschriften zu tun
hatte. Er zeigt in Alphabeten, Zerstreuungen und Textbeispielen die Groß- und Kleinbuchstaben der
Textura und Rotunda, eine gotische Minuskel, humanistische Kursive, Antiqua, Gotico-Antiqua, römi-
sche und griechische Kapitalis und hebräische Schriftzeichen134).
Neudörffers und Fuggers Formenschatz lassen sich nun auch tatsächlich in den Inschriften wiederfinden:
manchmal mißverstanden und verstümmelt, zumeist aber in den Grundzügen wohl erkennbar.
Die frühhumanistische Kapitalis
Dieser in der Tafelmalerei der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts häufig anzutreffende Schrifttyp -
von Kloos ist er erstmals genauer beschrieben und benannt worden135) - begegnet nur zweimal in einer
zusammenhängenden Inschrift (Inschriften Nr. 13, Abb. 3 und Nr. 28, Abb. 7). Eine davon ist auf Glas
gemalt. Sonst erscheint diese Schriftart nur in Einzelbuchstaben bei Haus- und Namenszeichen (vgl. etwa
Abb. 79, 100, 103)136).
Die Kapitalis
Der Gesamtbestand bis 1650 enthält nur etwa 90 Kapitalisinschriften. Die ersten Beispiele sind von den
Jahren 1528 und 1530 (Nr. 224, Abb. 32; Nr. 253, Abb. 36). Auffallend sind bei einigen davon die nach
innen gerichteten Serifen an den oberen Schaftenden des „M“ (Abb. 32, 45, 79, 84). Werner Doede hat sie
als Eigenart Johann Neudörffers d. Ä. erkannt. Sie kommt weder in den Dürerschen, noch in den italieni-
schen Kapitaliskonstruktionen vor137), bei Wolfgang Fugger übrigens auch nicht138); auch nach Neudörf-
fers Tod ist dieser besondere Einfluß nachweisbar (Abb. 107, in, 122).
Das einzige Beispiel einer kursiven (schräggestellten) Kapitalis ist Nr. 1398 um 1580 (Abb. 134).
129) Ebenda S. 91 ff.; zur Person vgl. Inschrift Nr. 1016.
13°) Zur Person vgl. Inschrift Nr. 824.
131) Vgl. hierzu Zahn, Beiträge S. i8ff. mit Taf. I und II.
132) Hert. Ms. 23 a und b. Zu den Schreibmeisterbiichern vgl. Zahn, Beiträge S. 21 ff.
133) Zur Person vgl. Inschrift Nr. 1114.
134) Vgl. hierzu Zahn, Beiträge S. 23.
135) Kloos, Die Inschriften der Stadt und des Landkreises München S. XXIII.
136) Vgl. auch die Abbildungstafeln der Zeichen im Anhang.
137) Doede, Schön schreiben eine Kunst S. 54.
138) Vgl. Zahn, Beiträge S. 83 ff.

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