Epitaph von 1604. Damit kann im Landkreis Günzburg das Beharrungsvermögen der Gotischen Mi-
nuskel zu einem Großteil dem Einfluß der Ulmer Steinmetzentradition zugeschrieben werden, die
offensichtlich nach ihrem eigenen Schriftmusterjahrzehnte lang arbeitete.
Fraktur
Die frühesten reinen Frakturinschriften im Landkreis befinden sich auf dem 1542 von Loy Hering ge-
schaffenen Epitaph für Beatrix von Waldkirch in Edelstetten (Nr. 65) und auf drei Epitaphien, die dem
Bildhauer Michael Schaller zugewiesen sind (Nrr. 67, 69, 75). Da das Edelstettener Epitaph sehr
schlecht erhalten ist, läßt sich hier eine Charakterisierung der Schrift Loy Herings kaum ausmachen:
Erkennbar ist jedoch eine Schlaufenbildung an h und rundem s, ein breitrundes, unten gespitztes d
mit kurzem, schräg nach links oben geneigtem Schaft109. Michael Schaller d.Ä. erscheint um die Jahr-
hundertmitte im Ulmer Bürgerbuch, muß dort aber schon früher ansässig gewesen sein, denn 1540
wird sein Sohn Hans in Ulm geboren. Von wo der vermutlich in Hall geborene Michael nach Ulm
zugezogen ist, ist nicht bekannt. Um 1555 war er mit Arbeiten bei Neuburg a.D. beauftragt, wo ver-
mutlich sein Bruder Matthias Schaller als herzoglicher Baumeister tätig war. Erst 1568 ist Michael
Schaller als Steinmetz in Ulm selbst greifbar110. Zur Entstehungszeit der drei genannten Sandsteinre-
liefs jedenfalls scheint in seinem Schaffen ein spezifisch ulmerischer Einfluß, der sich in den Werken
seines Sohnes so deutlich zeigt, nicht vorherrschend gewesen zu sein. Zumindest die Schriftform ist
gänzlich von der seines Sohnes verschieden: Bei den Inschriften auf den drei Epitaphien Michael
Schallers ist das a typisch für die Fraktur einstöckig gebildet, das lange s wie auch das 1 sind oben gebo-
gen und leicht unter die Zeile gezogen. Bevorzugt wird das runde s und auch das „Schleifen-s“. Das
Bemühen, die Buchstaben geschwungen zu formen, hat bei den Kleinbuchstaben zur Folge, daß die
Schäfte von a oder m vereinzelt nicht gerade, sondern gekrümmt gezogen sind.
Anspruchsvolle Grabmäler mit Frakturinschriften sind gegen Ende des 16. Jahrhunderts selten. Es
überwiegen nun schlichtere Reliefplatten auch für Bürgerliche (Nrr. 98, 118) und Landgeistliche
(Nrr. 87, 117). Die beiden Reliefplatten für Ortspfarrherren von 1570 in Ettenbeuren und 1594 in
Scheppach sind sich zwar im Schriftbild insgesamt ähnlich, divergieren jedoch in der Ausführung ein-
zelner Buchstaben. Auf der älteren Platte sind die Kleinbuchstaben mehr gerundet.
Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hat die Fraktur die Gotische Minuskel noch keineswegs ver-
drängt, sie ist aber durchaus im Schriftrepertoir traditioneller Steinmetzwerkstätten bekannt. So sehen
wir im Werke des der Gotischen Minuskel so sehr verbundenen Hans Schaller als interessanten Misch-
typ die Schrift einer Wappenplatte aus der Rettenbacher Pfarrkirche (1585 — Nr. 104), ihr vergleich-
bar die Schrift einer weiteren Platte in ebenderselben Kirche von 1586 (Nr. 105). Was wir vor uns
haben, ist im Kleinbuchstabenbereich — und das ist maßgeblich — im wesentlichen noch immer das
System der Gotischen Minuskel, in das — im Werk von 1585 mehr als in dem jüngeren — Frakturele-
mente behutsam Eingang gefunden haben. Dies betrifft das einstöckige a und w, auf der älteren Platte
auch o und v. Daß sich Frakturversalien inzwischen voll durchgesetzt haben, kann nicht überra-
schen.
Vergleichsweise dazu entwickelt Peter Schmid, der ebenfalls zu den Ulmer Steinmetzen gehört, bei
der Fraktur em freieres Schriftbild. Das von ihm 1590 geschaffene Epitaph für Regina Ehinger
(Nr. 110) trägt noch Gotische Minuskeln mit einigen Frakturversalien. Bei der zwei Jahre später von
ihm geschaffenen und leider nur noch photographisch dokumentierten Grabplatte für Melchior
Schweier (Nr. 111 f) sind aber nicht nur die Versalien nach dem Muster der Fraktur, sondern auch die
Kleinbuchstaben geschwungen und dabei allenthalben regelmäßig gebildet. Bei dem 1594 entstande-
nen Epitaph für Christoff Kraft in Leipheim (Nr. 116) ist die Ausführung der Versalien vergleichbar;
doch sind hier die Schäfte der Kleinbuchstaben gerade gesetzt. Einem darüber hinausgehenden Ver-
gleich entzieht sich die Schrift jedoch aufgrund der verfälschenden Übermalungen, die an einigen
Stellen nicht authentisch sind.
Obwohl die Fraktur schon vor der Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Werken Michael Schallers d.Ä.
einsetzt, ist sie auch zwischen 1580 und 1600 der Gotischen Minuskel, die auf den Grabmälern von
109 Bornschlegel, Inschriften des Loy Hering 49, Taf. 1, Abb. 2.
110 Christa, Michael Schaller 576.
XXVII
nuskel zu einem Großteil dem Einfluß der Ulmer Steinmetzentradition zugeschrieben werden, die
offensichtlich nach ihrem eigenen Schriftmusterjahrzehnte lang arbeitete.
Fraktur
Die frühesten reinen Frakturinschriften im Landkreis befinden sich auf dem 1542 von Loy Hering ge-
schaffenen Epitaph für Beatrix von Waldkirch in Edelstetten (Nr. 65) und auf drei Epitaphien, die dem
Bildhauer Michael Schaller zugewiesen sind (Nrr. 67, 69, 75). Da das Edelstettener Epitaph sehr
schlecht erhalten ist, läßt sich hier eine Charakterisierung der Schrift Loy Herings kaum ausmachen:
Erkennbar ist jedoch eine Schlaufenbildung an h und rundem s, ein breitrundes, unten gespitztes d
mit kurzem, schräg nach links oben geneigtem Schaft109. Michael Schaller d.Ä. erscheint um die Jahr-
hundertmitte im Ulmer Bürgerbuch, muß dort aber schon früher ansässig gewesen sein, denn 1540
wird sein Sohn Hans in Ulm geboren. Von wo der vermutlich in Hall geborene Michael nach Ulm
zugezogen ist, ist nicht bekannt. Um 1555 war er mit Arbeiten bei Neuburg a.D. beauftragt, wo ver-
mutlich sein Bruder Matthias Schaller als herzoglicher Baumeister tätig war. Erst 1568 ist Michael
Schaller als Steinmetz in Ulm selbst greifbar110. Zur Entstehungszeit der drei genannten Sandsteinre-
liefs jedenfalls scheint in seinem Schaffen ein spezifisch ulmerischer Einfluß, der sich in den Werken
seines Sohnes so deutlich zeigt, nicht vorherrschend gewesen zu sein. Zumindest die Schriftform ist
gänzlich von der seines Sohnes verschieden: Bei den Inschriften auf den drei Epitaphien Michael
Schallers ist das a typisch für die Fraktur einstöckig gebildet, das lange s wie auch das 1 sind oben gebo-
gen und leicht unter die Zeile gezogen. Bevorzugt wird das runde s und auch das „Schleifen-s“. Das
Bemühen, die Buchstaben geschwungen zu formen, hat bei den Kleinbuchstaben zur Folge, daß die
Schäfte von a oder m vereinzelt nicht gerade, sondern gekrümmt gezogen sind.
Anspruchsvolle Grabmäler mit Frakturinschriften sind gegen Ende des 16. Jahrhunderts selten. Es
überwiegen nun schlichtere Reliefplatten auch für Bürgerliche (Nrr. 98, 118) und Landgeistliche
(Nrr. 87, 117). Die beiden Reliefplatten für Ortspfarrherren von 1570 in Ettenbeuren und 1594 in
Scheppach sind sich zwar im Schriftbild insgesamt ähnlich, divergieren jedoch in der Ausführung ein-
zelner Buchstaben. Auf der älteren Platte sind die Kleinbuchstaben mehr gerundet.
Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts hat die Fraktur die Gotische Minuskel noch keineswegs ver-
drängt, sie ist aber durchaus im Schriftrepertoir traditioneller Steinmetzwerkstätten bekannt. So sehen
wir im Werke des der Gotischen Minuskel so sehr verbundenen Hans Schaller als interessanten Misch-
typ die Schrift einer Wappenplatte aus der Rettenbacher Pfarrkirche (1585 — Nr. 104), ihr vergleich-
bar die Schrift einer weiteren Platte in ebenderselben Kirche von 1586 (Nr. 105). Was wir vor uns
haben, ist im Kleinbuchstabenbereich — und das ist maßgeblich — im wesentlichen noch immer das
System der Gotischen Minuskel, in das — im Werk von 1585 mehr als in dem jüngeren — Frakturele-
mente behutsam Eingang gefunden haben. Dies betrifft das einstöckige a und w, auf der älteren Platte
auch o und v. Daß sich Frakturversalien inzwischen voll durchgesetzt haben, kann nicht überra-
schen.
Vergleichsweise dazu entwickelt Peter Schmid, der ebenfalls zu den Ulmer Steinmetzen gehört, bei
der Fraktur em freieres Schriftbild. Das von ihm 1590 geschaffene Epitaph für Regina Ehinger
(Nr. 110) trägt noch Gotische Minuskeln mit einigen Frakturversalien. Bei der zwei Jahre später von
ihm geschaffenen und leider nur noch photographisch dokumentierten Grabplatte für Melchior
Schweier (Nr. 111 f) sind aber nicht nur die Versalien nach dem Muster der Fraktur, sondern auch die
Kleinbuchstaben geschwungen und dabei allenthalben regelmäßig gebildet. Bei dem 1594 entstande-
nen Epitaph für Christoff Kraft in Leipheim (Nr. 116) ist die Ausführung der Versalien vergleichbar;
doch sind hier die Schäfte der Kleinbuchstaben gerade gesetzt. Einem darüber hinausgehenden Ver-
gleich entzieht sich die Schrift jedoch aufgrund der verfälschenden Übermalungen, die an einigen
Stellen nicht authentisch sind.
Obwohl die Fraktur schon vor der Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Werken Michael Schallers d.Ä.
einsetzt, ist sie auch zwischen 1580 und 1600 der Gotischen Minuskel, die auf den Grabmälern von
109 Bornschlegel, Inschriften des Loy Hering 49, Taf. 1, Abb. 2.
110 Christa, Michael Schaller 576.
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