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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0019
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Vorwort.

XV

Was unter Kirchen-Ordnung' zu verstehen, ist unter I. ausgeführt. Ausgeschlossen
bleiben alle Urkunden, welche sich ausschliesslich mit der Lehre befassen, also vor allen Dingen
die Symbole, die Corpora doctrinae und Ähnliches. Hierfür sind ja auch zumeist genügende
Sammlungen vorhanden. Dagegen sollen zum Abdruck gelangen alle Kirchen-Ordnungen, welche
zum Gegenstande haben: Kultus, Liturgie, Verfassung, Disciplin und Zucht, Eherecht, Schul-
wesen, Krankenwesen, Armenwesen, Vermögensrecht. Aber auch die Lehre als Bestandteil
solcher Ordnungen (Credenda) soll mit abgedruckt werden. Einmal verlangt der Leser die
Kirchen - Ordnung vollständig. Weiter bildet gerade die Lehre häufig die Grundlage für die
Ordnung, z. B. die Lehre von der Stellung der Obrigkeit.
Es sollen also abgedruckt werden alle Verfügungen, welche die Grundlage des evan-
gelischen Kirchenwesens gebildet haben. Die Visitations-Instruktionen, namentlich die säch-
sischen, dürfen daher nicht fehlen. Auf der Grundlage derselben wurde das neue Kirchenwesen
organisirt. Verwaltungs-Verordnungen, welche nur aus vorübergehenden Anlässen ergingen und
nur ganz vorübergehenden Zwecken dienten, werden dagegen nicht aufgenommen.
Nicht abgedruckt sollen werden Kirchen-Ordnungen, welche niemals Geltung erlangt
haben, sei es, dass sie nur Entwurf geblieben sind, oder dass sie zwar auch durch Publikation
Gesetz geworden, aber durch irgend welche Umstände nicht in’s Leben getreten sind.
Ferner werden nur die wahrhaft evangelischen Kirchen-Ordnungen gebracht werden.
Ausgenommen sind die halben Massregeln, wie sie schwankende Obrigkeiten zur Beschwich-
tigung der Gemüther, oder wohl auch im Bestreben, Reformen einzuführen, getroffen haben,
ohne dass es jedoch eigentlich evangelische Ordnungen geworden wären.
Insonderheit gedenke ich nicht abzudrucken die Interims-Kirchen-Ordnungen. Ferner
will ich nur drucken die die Rechtssätze enthaltenden Urkunden selbst nebst den unmittelbar
dazu gehörigen Aktenstücken, wie Publikations-, Vollzugs-Urkunden, Vorreden und dergleichen.
Nicht also Nachrichten, Berichte der Zeitgenossen u. s. w.
Ganz streng lassen sich diese Grundsätze jedoch nicht durchführen. Wenn nicht an
manchen Stellen Ausnahmen gemacht würden, so würde der Leser Wichtiges vermissen. So
müssen auch einige besonders charakteristische Entwürfe mitgetheilt werden, z.B. die Beschlüsse
der Hornberger Synode. So können auch gewisse Kirchen-Ordnungen nicht fehlen, welche wesent-
lich vermittelnd sind, wie z. B. die Kölner Reformation des Erzbischofs Hermann.
In Ermangelung der Ordnungen selbst und als einzige Erkenntnissquelle für dieselben
müssen bisweilen Berichte über dieselben gegeben werden, so z. B. die Renovatio Nordlingia-
censis (welche auch Richter 1, 18 ff. bringt), so bei Wertheim der Brief von Kolb an
Luther, so der Bericht von Emden (kordte Bekenntniss), so bei der Synode von Honnefeld
der darüber erstattete Bericht. So dürfen die Berichte, welche die Pfarrer über die von ihnen
eingehaltene Ordnung, namentlich des Kultus, bei den Visitationen schriftlich erstatteten, und
welche vielfach auch äusserlich die Form von Ordnungen besitzen —- ich habe hier insonderheit
Sachsen im Auge — nicht gänzlich ausgeschlossen werden. In welchem Umfange sonst Privat-
arbeiten zum Abdrucke gelangen, ist oben erörtert. (Vgl. auch unten.)
Inwieweit sind die Schul-Ordnungen aufzunehmen? In Frage kommen natürlich nur
solche, welche zur Reformation direkt in enger Beziehung stehen. Da wir hier schon Samm-
lungen besitzen (z. B. Vormbaum), so will ich mich mit dem Abdruck der einen Bestand-
theil einer eigentlichen Kirchen-Ordnung bildenden Schul-Ordnungen begnügen.
Wie steht es mit den Zucht- und Polizei-Ordnungen? Die strengen Verordnungen,
welche evangelische Fürsten und städtische Obrigkeiten erliessen, haben alle mehr oder weniger
Berührung mit der Reformation und sind durch reformatorische Gedanken beeinflusst. Es ver-
mischen sich hier kirchliche und weltlich-polizeiliche Gesichtspunkte (modern gesprochen), und
es ist bisweilen schwer zu sagen, welchem von beiden (modern geschiedenen) Gebieten die Ord-
 
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