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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0042
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Martin Luther. I. Gottesdienstordnungen.

und sacrament, das dise zween tage den catechis-
men erhalten und sterken in seim rechten ver-
stand. Des mitwochens frue aber ein deudsche
lection; dazu ist der evangelist Mattheus g’anz
geordenet, das der tag sol sein eigen sein, weil
es ja zumal ein feiner evangelist ist fur die ge-
meine zu leren, und die gute predigt Christi auf
dem berge gethan beschreibt und fast zu ubung
der liebe und guten werk helt. Aber der evan-
gelist Johannes, wilcher zu mal gewaltiglich den
glauben leret, hat auch seinen eigen tag, den
sonnabent nach mittage unter der vesper, das wir
also zween evangelisten in teglicher ubung halten.
Der dornstag, freitag frue morgens haben die teg-
lichen wochen lection in den episteln der
aposteln und was mehr ist im neuen testament.
Hie mit sind lection und predigt gnug bestellet,
das gottis wort im schwang zu halten, on was
noch sind lection in der hohen schulen fur die
gelerten.
Fur die knaben und schuler in der biblia
zu uben gehets also zu. Die wochen uber teglich
fur der lection singen sie etliche psalmen latinisch,
wie bis her zur metten gewonet, denn, wie-gesagt
ist, wir wollen die jugent bei der latinschen
sprachen in der biblia behalten und uben. Nach
den psalmen lesen die knaben einer umb den
andern zween oder drei ein capitel latinsch
aus dem neuen testament, darnachs lang ist.
Darauf liset ein ander knabe dasselbige capitel
zu deudsch, sie zu uben und ob jemands von
leien da were und zu horet. Darnach gehen sie
mit einer antiphen zur deudschen lection, davon
droben gesagt ist. Nach der lection singet der
ganze haufe ein deudsch lied, darauf spricht
man heimlich ein vater unser. Darnach der
pfarherr oder capplan eine collecten und be-
schliessen mit dem benedicamus domino, wie ge-
wonet ist.
Desselbigen gleichen zur vesper singen sie
etliche der vesper psalmen, wie sie bis her ge-
sungen sind, auch latinsch mit einer antiphen,
darauf einen hymnus, so er fur handen ist.
Darnach lesen sie abermal einer umb den andern,
zween oder drei, latinsch aus dem alten testa-
ment ein ganzes oder halbes capitel, darnachs
lang ist. Darnach lieset ein knabe dasselbige
capitel zu deudsch. Darauf das magnificat zu
latein mit einer antiphen oder lied. Darnach
ein vater unser heimlich und die collecten mit
dem Benedicamus. Das ist der gottis dienst teg-
lich durch die wochen in stedten, da man
schulen hat.
Des Sontags fur die leien.
Da lassen wir die messegewand, altar, liechter
noch bleiben, bis sie alle werden oder uns gefellet

zu endern; wer aber hie anders wil baren, lassen
wir geschehen. Aber in der rechten messe unter
eitel christen muste der altar nicht so bleiben
und der priester sich imer zum volk keren, wie
on zweifel Christus im abendmal gethan hat.
Nu, das erharre seiner zeit.
Zum anfang aber singen wir ein geistlich
lied oder einen deudschen psalmen in primo tono
auf die weise wie folget.
„Ich will den Herrn loben alle zeit.“
(Psalm 34, 1 —23).
Darauf! kyrie eleison, auch im selben thon,
drei mal und nicht neun mal, wie folget.
Kyrie eleison. Christe eleison. Kyrie
eleison.
Darnach lieset der priester eine collecten
ins F faut in unisono, wie folget.
Almechtiger Gott, der du bist ein beschutzer
aller die auf dich hoffen, an welchs gnad niemand
ichts vermag noch etwas fur dir gild, lasse deine
barmherzigkeyt uns reichlich widerfarn, auf das
wir durch dein heiliges eingeben denken was
recht ist, und durch deine kraft auch dasselbige
volbringen umb Jesus Christus unsers hern willen.
Amen.
Darnach die epistel in octavo tono, das er
im unisono der collecten gleich hoch bleibe,
cuius regulae sunt istae.
[Folgen musikalische Regeln. Als Beispiel
dient 1. Cor. 4, 1 — 5.]
Er sol aber die epistel lesen mit dem an-
gesicht zum volk gekert, aber die collecten mit
dem angesicht zum altar gekeret.
Auf die epistel singet man ein deudsch
lied: 'Nu bitten wir den heiligen geist’. oder
sonst eins, und das mit dem ganzen chor.
Darnach lieset er das evangelion in quinto
tono, auch mit dem angesicht zum volk gekeret.
[Als Beispiel dient Jo. 1, 19—28.]
Nach dem evangelio singt die ganze kirche
den glauben zu deudsch: Wir gleuben all an
einen gott.
Darnach gehet die predigt vom evangelio des
sontags oder fests. Und mich dunkt, wo man
die deudsche postillen gar hette durchs jar, es
were das beste, das man verordente, die postillen
des tages ganz oder ein stucke aus dem buch
dem volk fur zu lesen, nicht alleine umb der
prediger willen, die es nicht besser kunden, son-
dern auch umb der schwermer und secten willen
zuverhueten, wie man sihet und spuret an den
homilien in der metten, das etwa eben auch
solche weyse gewesen ist. Sonst, wo nicht geist-
licher verstand und der geist selbst redet durch
die prediger (wilchem ich nicht wil hiemit zil
setzen; der geist leret wol bas reden, denn alle
postillen und homilien), so komts doch endlich
 
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