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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0096
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Ernestinisches Sachsen. Cap. V. 1572—1600. Weimarer Theil.

Ordnung des Gottesdienstes. Diese Berichte haben vielfach in ihrer äusseren Form ganz den
Charakter von wirklichen Kirchenordnungen. In der Wahl der Agenden herrschte ja grosse
Freiheit: die Freiheit, wie sie das Ideal Luther’sgewesen war. Die ersten Pfarrer stellten sich
nach den lokalen Bedürfnissen ihre eigene Gottesdienst-Ordnung zusammen, die dann vielfach
von den Nachfolgern übernommen wurde und sich so in den Gemeinden einlebte.
Hierher gehören der Bericht des Pfarrers von Kapellendorf vom Dezember 1569 und
der Bericht des Diakonus Siebensohn zu Kapellendorf, „was ich in den Filialen Franken-
dorf, Holsten und Kötschau für eine O. im predigen, singen und reichung des hochwürdigen
sakraments zu halten pflege“. Diese Berichte werden als Beispiel unter Kapellendorf aus
Weimar Ji. Nr. 53, Bl. 11—12a, 17—18aabgedruckt.
Von agendarischen Ordnungen sei aus dieser Periode noch erwähnt ein „Gebet so in
herzog Johann Wilhelm’s zu Sachsen feldlager in Frankreich nach der geschehenen predigt ge-
sprochen worden“, 1568. Haus- und Staats-Archiv Gotha, K.K. 3 (Vol. II) Nr. 95.
Cap. V. 1572—1600. Weimarer Theil.
Durch einen kaiserlichen Gnadenakt wurden die Söhne Johann Friedrich’s wieder in
ihren väterlichen Landestheil eingesetzt und am 6. November 1572 wurde in Erfurt eine neue
Landestheilung zu Stande gebracht. Johann Wilhelm erhielt den weimarischen Antheil, die
Söhne Johann Friedrich’s II., Johann Casimir und Johann Ernst (Friedrich war am
4. August 1572 gestorben) den coburgisch-gothaischen Antheil. Das Consistorium zu Jena
blieb bis auf Weiteres gemeinschaftlich.
Johann Wilhelm starb am 2. März 1573 mit Hinterlassung dreier Kinder: 1. Friedrich
Wilhelm, geb. 25. April 1572, gest. 7. Juli 1602; 2. Johannes, geb. 22. Mai 1570, gest.
31. Oktober 1605; 3. Marie, geb. 7. November 1571, gest. 8. März 1610 als Äbtissin zu
Quedlinburg.
I. Beendigung der Lehrstreitigkeiten. Neue Consistorial-O. 1574.
Nach dem Tode Johann Wilhelm’s übernahm Kurfürst August von Sachsen, zugleich mit
Friedrich, Pfalzgrafen bei Rhein, und Georg, Markgrafen von Brandenburg, die Vormundschaft
über Johann Wilhelm’s unmündige Söhne.
Jetzt gewann wieder die mildere, die Philippistische Lehrweise, die Oberhand. Noch in
demselben Jahre 1573 ordnete Kurfürst August eine allgemeine Kirchenvisitation — die sechste —
an, um den durch den Flacianismus entstandenen Streitigkeiten ein Ende zu bereiten.
Als Visitatoren fungirten: Superintendent Johannes Stössel in Pirna, Pastor Friedrich
Widebram in Wittenberg, Superintendent Maximilian Morlin in Coburg, der spätere Superinten-
dent von Jena Martinus Mirus, die Räthe Laurentius Lindemann und Lukas Tangel, die Edel-
leute von Eichenberg und von Heldritt. Nicht weniger als 111 Geistliche wurden bei dieser
Visitation abgesetzt.
Die „drei artickel so denen pfarrern zum eingang des examinis vorgehalten werden
sollen“, lauteten (Weimar Ji. Nr. 57):
1. „dass sie wollen den christlichen consens der lehr nach gottes wort, der bibel pro-
phetischer und apostolischer schrift, Augsburger Confession und büchern Lutheri und Philippi,
mit anderen kirchen im kurfürstenthum Sachsen eintrechtig halten;
2. sich des unbillichen condemnirens, schmehens und lästerns verdienter unschuldiger
personen, kirchen und schulen hinfür gänzlich eussern;
3. den geordneten superintendenten (jedes orts) und consistorio zu Jhena sich unter-
werfen und denselben gebührlichen gehorsam leisten.“
 
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