Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0373
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34. Dresdener Ehe-Ordnung. 1556.

345

geordenten consistorien, welche erkennen sollen,
ob die eltern billiche, erhebliche und genugsame
ursachen haben zu widersprechen. Dan dieses
ist auch gotes gebot, das vater und mutter einen
väterlichen und mütterlichen willen haben, der
die kind nicht ursach zu unmuglicheit oder zu-
vorwundung ihrer gewissen, und vorhinderung an
gottes anrufung dringe, und sollen zu solcher er-
kantnuss von ursachen neben den consistorien
christliche gelarte und vornünftige pastores oder
facultas theologica gezogen werden. Wir wollen
auch darneben die kinder, so sich hinter wissen
und willen der eltern verlobet, in allen fellen, die
ehe werde volzogen oder nicht, nach gelegenheit
der umbstende und gestalt ihres ungehorsams in
geburliche und ernste straf nehmen lassen.
Von den heimlichen verlobnus, wo
gleich keine eltern seind.
Wo die eltern noch im leben seind, und vor-
lobnus gescheen ohne ihr vorwissen und bewilli-
gung, und sonst heimlich seind, so inen solchs
vorkompt, haben dieselbigen eltern ihre einrede
von wegen ihrer veterlichen und muterlichen
autoritet, die in gotes gebot ausgedruckt ist, wie
zuvor gesaget ist, und ist ein andere frag von dem
heimlichen verlobnus, ob gleich die eltern nicht
in leben seind.
Nun ist gotes ernstlicher wille, das der ehe-
stand sol ein ordentliche ewige zusammenfugung
sein eins einigen mannes und eines einigen
weibes, die zeugnus haben soll 1) dieser ihrer
gegen-vor-pflichtung, das man wisse, das die per-
sonen nicht also zusammen gelofen seind, einander
zuvorlassen ihres gefallens wider gotlich ordenung.
Darumb vorbieten wir ernstlich alle heimliche
vorlobnuss. Da aber personen vorkommen, die
mundig seind, und das vorlobnuss bekennen, oder
so es beweisslich, oder durch umbstend befindlich
ist, sol solches vorlobnuss creftig gesprochen werden,
dan durch diese bekantnus beweisung oder ander
ausfurung ist nun das vorlobnus offenbar; so ge-
buret auch dem richter nichts, sie nach ihrer be-
kentnus von einander zu sprechen; was aber ander
fell und personen belanget, das sol stehen zu er-
kentnus der consistorien, welche neben christliche
pastoren oder theologica facultate sollen macht
haben, derselbigen personen heimliche und un-
bekante vorlobnus vor onkreftig zu erkennen.
Von den beschlafenen.
Auch geschicht oft, das die beschlafenen meid
furgeben, ihnen sei die ehe zugesagt. Wo nun die
eheliche zusage nicht bekannt und nicht ausfundig
x) In Dresden 111 hat hier Melanchthon angemerkt,
dass hinter „haben soll“ ein Absatz einzutreten habe.
Sehling, Kirchenordnungen.

gemacht wurd, sollen christliche vormahnungen
gescheen, das der beklagte sein gewissen nicht
mit onwahrheit wolle beladen, item das er der
meid und des kindes elend bedenken wolle, und
was er woll im gleichen fall dass seinen kindern
widerfahren sollte 1) und so er endlich darauf be-
ruht, die meid nicht zu ehelichen, sol gesprochen
werden, das der beclagte sol geben ein genant
geld laut der recht, oder nach erkentnuss des
consistorii, item dem kind alimenta, auch nach
erkentnuss, und sollen beide personen von welt-
licher oberkeit umb geubter unzucht willen mit
leiblicher straf unachlesslich gestraft werden, und
sollen hernach die personen publicam poeniten-
tiam thun und anders nicht ad communionem zu
gelassen werden, und sol hierin niemand verschonet
werden 2).

x) Der Satz „dass seinen kindern widerfahren
sollte“ fehlt bei Muther S. 466.
2) Hier enden alle Exemplare. Nur Dresden III
hat noch folgenden Abschnitt:
Vom fall so einer unwissent eine freiet, die
zuvor ein anderer beschlafen:
Davon ist offentlich, dass vor dieser zeit die ge-
richte solche ehe vor eine beständige unzertrennliche
ehe gehalten, und haben den mann nicht ledig gesprochen.
Mögen erstlich darzu bedenken gehabt haben, dass
leichtfertige leut leichter ursach nemen zu klagen, wenn
sie hofften ledig zu werden. Item dass das besser ist,
dass solch Unfall so viel möglich heimlich bliebe. Item
dass hernach dasselbe arme weib nicht wiederum zur
ehre kommen könne. Wie wol nun dieselben ursachen
nicht gering zu achten, so sein doch die schaden grösser
auf der andern seiten, denn die versonung geschiet
selten und laufen die männer weg mit bösem gewissen
und kommen beide personen in irre etc. Daher dann
alle gesetz furnehmlich dahin gericht sein sollen, dass
die menschen in gutem gewissen leben und gott anrufen
können, so achten wir nötiger, dass man dem gewissen
rathe, haben derhalben bedacht, dass fürohin die ord-
nung in solchen fällen soll gehalten werden: Erstlich,
so die that nicht bekannt, oder bewiesen ist, ist offent-
lich, dass man den mann nicht ledig sprechen kann und
soll ime geboten werden, in diser ehe zu bleiben und
darin christlich zu leben und sich und seine hausfrau
nicht zu schanden machen, wie der text Deut. 22 den
mann ernstlich straft, der mit ungrund ein eigen weib
zu schanden macht. Zum andern, so die that bekannt
oder bewiesen ist, als so sie schwanger gewesen vor
der zeit, hie soll aber mal der richter erstlich die ver-
sühnung suchen, die frau soll um gottes willen um ver-
zeihung bitten und sich zu allem gehorsam erbieten,
und soll der mann erinnert werden, dass man auch
solcher armen weiber schonen soll, denn sie können
hernach nicht wieder zu ehren kommen. Item es sei
gottgefellig, dass ein mensch des andern schande so
viel muglich zudecke. Zum dritten, so aber der mann
ist hart und will dem weibe nicht gnade erzeigen _ uf
vorgesehene gute erinnerung, und begehrt entlich,
dass man ihn ledig spreche, sollen die verordneten des
consistorii zuvor auch diese vorsichtigkeit üben. Näm-
lich der mann und das weib sollen gefragt werden, ob
der mann das weib auch hernach berurt habe, nach-
dem er gewusst hat, dass sie zuvor von einem andern
44
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften