Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0044
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nassau

Lutz Hatzfeld machte auf die Ähnlichkeit der Nassau-Dillenburger Kirchenordnung mit der Witten-
berger Konkordie von 153648 sowie der hessischen Kirchendienerordnung von 153749 aufmerksam und kon-
statierte die Anlehnung der nassauischen Kirche an die hessische.50 Die textlichen Beziehungen der genann-
ten Ordnungen sind jedoch nicht so spezifisch, dass ein direkter Einfluss Hessens auf Nassau-Dillenburg
erkennbar ist.
3. Kirchenordnung für Hadamar 14. Mai 1546 (Text S. 88)
Bei der Teilung der ottonischen Stammlande 1303 entstand neben den Teilgrafschaften Nassau-Dillenburg
und Nassau-Siegen auch Nassau-Hadamar mit dem 1324 zur Stadt erhobenen gleichnamigen Herrschafts-
mittelpunkt. Dieser Landesteil stand lange Zeit in wechselnden Besitzverhältnissen, im 16. Jahrhundert
wurde er bis 1557 gemeinsam von den Grafen von Nassau-Dillenburg und Stolberg-Königstein regiert.51 In
der Stadt Hadamar war Gerhard Lorich,52 der Pfarrer an St. Ägidius auf dem Berg,53 zunächst die zentrale
Figur der reformatorischen Bewegung. Lorich hatte 1509/10 in Heidelberg und Köln studiert, war 1521 in
Wittenberg und hielt um 1524 in Hadamar evangelische Predigten. Nach 1536 wandte er sich jedoch von
der reformatorischen Bewegung ab und näherte sich wieder der römischen Kirche an. Zu dieser Zeit führten
die beiden Landesherren gegen seinen Protest die Reformation in Nassau-Hadamar ein.54
Am 8. Dezember 1539 führte der Superintendent Erasmus Sarcerius gemeinsam mit Königsteiner Ver-
tretern eine Visitation im Amt Hadamar durch, in deren Folge Gerhard Lorich untersagt wurde, Messen zu
halten. Dieser verließ daraufhin die Stadt und ging nach Wetzlar.
Obwohl Gerhard Lorich seit 1540 nicht mehr ais Pfarrer in Hadamar tätig war, blieb er offiziell Inhaber
der Pfarrpfründe und bezog hieraus weiterhin Einkünfte. Erst 1546 wurde er abgesetzt.55 Am 14. Mai dieses
Jahres erließen Wilhelm I. von Nassau-Dillenburg und Ludwig von Stolberg-Königstein56 eine Kirchenord-
nung für Hadamar, deren erster Punkt Lorichs Amtsenthebung betraf, an dessen Stelle der bisherige
Kaplan Johann Stein rückte.57 Neben dieser personellen Veränderung regelte die Kirchenordnung in 13
weiteren Punkten, wie eine Schule sowie Studienstipendien für angehende Pfarrer einzurichten58 und die
Verwaltung der kirchlichen Gefälle neu zu organisieren sei. Ferner äußerte sie sich zu den Dienstverhält-
nissen der weiterhin in Hadamar bepfründeten Altaristen sowie der beiden Pfarrer in Esten-Holzappel und
Eppenrod.59
Das Original der Hadamarer Kirchenordnung befindet sich im Besitz der Grafen von Stolberg-König-
stein in Ortenberg. Da das dortige Archiv nicht zugänglich ist, folgt unser Text dem Abdruck von Wolf
Heino Struck.60

48 Abdruck in Bucer, Deutsche Schriften 6, 1, S. 114-134.
49 Abdruck in Sehling, EKO VIII, S. 92-100.
50 Hatzfeld, Reformation, S. 102.
51 Zur Territorialgeschichte von Nassau-Hadamar siehe
Gensicke, Landesgeschichte, S. 285-289, 348-350;
Struck, Zur Reformation, S. 93f. Zur Hadamarer Kir-
chengeschichte siehe Struck, Kirchenwesen, S. 49-185.
52 Zu Gerhard Lorich (1485/90-nach 1549) siehe Kunz-
ler, Lorich, in: BBKL 5 (1993), Sp. 230-234; ders., Kir-
chenreform, S. 75-110; Struck, Zur Reformation,
S. 90-135; Schulten, Antonius Wedensis, S. 99-104;
Michel, Lorich, S. 160-172.
53 Vgl. Struck, Kirchenwesen, S. 52-59.
54 Struck, Zur Reformation, S. 91-93, 99; Franz,
Bestrebungen, S. 656.
55 Struck, Zur Reformation, S. 92.
56 Zu Ludwig von Stolberg-Königstein (1505-1574), siehe

Jacobs, Stolberg, in: ADB 36 (1893), S. 339-345;
Stoehlker, Friedrich, Ludwig Graf zu Stolberg,
Königstein, Rochefort 1505-1574. Leben und Regierung
bis 1556, in: Burgfest in Königstein, Festbuch 1978,
S. 13-29; ders., Königstein und seine Beziehungen zum
Hause Stolberg [1535-1986], in: ebd., Festbuch 1986,
S. 29-35; ders., Die Stolberger in Königstein, in: ebd.,
Festbuch 1989, S. 40-97.
57 Struck, Zur Reformation, S. 110 Anm. 75, S. 115f.;
Kunzler, Kirchenreform, S. 76.
58 Die Einrichtung der Stipendien geht auf das Vorbild der
bereits seit 1539 an der Dillenburger Lateinschule beste-
henden Stipendiatenverwaltung zurück, Peters, Sar-
cerius, S. 38.
59 Vgl. Struck, Zur Reformation, S. 115f.; Achenbach,
Kirchen-Reformation, S. 12f.
60 Siehe unten, S. 88 Anm. a.

26
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften