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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0052
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Nassau

dete Handauflegung123 wurde in die Nassauer Ordnung übernommen, auch die Konfirmationszeremonie
folgte dieser Vorlage sowie der hessischen Kirchenordnung von 1566. Die in den hessischen Texten darge-
legte Befragung der Kinder anhand des Katechismus fehlte in Nassau jedoch.124
Die Nassauer Agende weist einen gewissen Übergangscharakter von der Wittenberger Theologie zu
derjenigen Calvins auf. Diese Zwischenstellung wird in der Beibehaltung von Luthers Kleinem Katechis-
mus und Melanchthons Examen ordinandorum auf der einen Seite und in der alternativen Verwendung der
von Christoph Pezel125 und Niels Hemmingsen verfassten Katechismen auf der anderen deutlich.126 Pezel
und Hemmingsen galten als Anhänger Philipp Melanchthons und somit aus Sicht der orthodoxen Luther-
anhänger als Kryptocalvinisten.127 Mit der Verwendung dieser Katechismen zeigt die Agende, dass man sich
dem Wechsel zum reformierten Bekenntnis näherte.
In der Nassauer Agende ist Pezels Enchiridion als „Wittenberger Katechismus“ bezeichnet. Hierunter
wird im Allgemeinen ein von Pezel 1571 verfasster, aber als gemeinsames Werk der Wittenberger Theologen
gekennzeichneter lateinischer Katechismus verstanden.128 In der Agende ist jedoch hierunter nicht diese
umfangreiche Schrift zu verstehen, sondern der ebenfalls von Pezel verfasste Lehrtext „Kurtze und Not-
wendige Fragen und Antwort“.129 Dieser Katechismus, der 44 knappe Fragen und Antworten umfasst, muss
jedoch seinerseits noch unterschieden werden von dem ebenfalls 1571 von Pezel konzipierten, aber als
Wittenberger Gemeinschaftswerk geltenden Lehrtext „Christliche Fragstück von dem unterschied der
zweyen Artickel des Apostolischen Glaubens Bekentnis“,130 der lediglich 17 Fragen und Antworten enthält.
Während die „Christlichen Fragstück“ vor dem Hintergrund des Abendmahlsstreits entstanden waren,
hatte Pezel die „Kurtze und Notwendige Fragen und Antwort“ für den praktischen Unterricht der Schüler
konzipiert. Dieser Lehrtext war 1571 verfasst, aber erst 1573 gedruckt worden.131
Neben Luthers und Pezels Katechismus war nach der Agende auch derjenige von Niels Hemmingsen in
Nassau-Dillenburg in Gebrauch. Hemmingsen hatte zwei katechetische Schriften verfasst, 1555 das „Enchi-
ridion theologicum“ und 1560 die „Catechismi quaestiones concinnatae“, beide mit mehreren hundert Sei-
ten.132 Welchen dieser Lehrtexte Graf Johann VI. für Nassau-Dillenburgvorgesehen hatte, bleibt offen.
16. Reformationsmandat für Stadt und Amt Siegen 23. Juli 1581 (Text S. 158)
Obwohl sich bereits Anfang der 1570er Jahre erste reformierte Tendenzen in der Politik Graf Johanns VI.
abgezeichnet hatten, wurde er erst Mitte des Jahrzehnts zum überzeugten Anhänger von Calvins

123 Abdruck in Sehling, EKO VIII, S. 286-293.
124 Vgl. Münch, Zucht und Ordnung, S. 76 Anm. 358;
Grün, Kirchenordnung, S. 157f.
125 Christoph Pezel (1539-1604) kam 1577 als Hofprediger
nach Dillenburg. Seit 1578 war er Pfarrer in Herborn
sowie Generalsuperintendent. Pezel blieb mit Unterbre-
chungen bis 1581 in der Grafschaft, bis er nach Bremen
gerufen wurde, Münch, Zucht und Ordnung, S. 83
Anm. 403; Ohrndorf, Einführung, S. 88 Anm. 45;
Klueting, Wittenberger Katechismus, S. 3-13; ders.,
Pezel(ius), in: NDB 20 (2001), S. 287f.; Wolf, Aus dem
Briefwechsel, S. 177-234; Steubing, Biographische
Nachrichten, S. 119-149; Cuno, Blätter, S. 110-113;
Wenneker, Pezel, in: BBKL 7 (1994), Sp. 403-408;
126 Münch, Zucht und Ordnung, S. 76; Wolf, Einführung,
S. 174; Grün, Kirchenordnung, S. 156. Niels Hemming-
sen (1513-1600) hatte 1537 in Wittenberg studiert. Seit
1543 war er in Kopenhagen Professor der Dialektik und

ab 1553 der Theologie, Ohrndorf, Einführung, S. 87
Anm. 39.
127 Vgl. Ohrndorf, Einführung, S. 85 Anm. 32.
128 Abdruck in: Dingel, Debatte, S. 94-288. Die hand-
schriftlich überlieferte deutsche Fassung ist abgedruckt
ebd., S. 91-289. Vgl. Klueting, Wittenberger Kate-
chismus, S. 13-16.
129 Abdruck in Reu, Quellen, I, 2/2, S. 156-160. Vgl. Ohrn-
dorf, Einführung, S. 85 Anm. 31, S. 87.
130 Abdruck in Dingel, Debatte, S. 681-702. Vgl. Hund,
Das Wort, S. 393-398; Klueting, Wittenberger Kate-
chismus, S. 18-21.
131 Im Kolophon ist zwar das Jahr genannt: Gedruckt durch
Hans Lufft 1573, am Schluss des Texts findet sich jedoch
der Zusatz: End der Fragstück, den Einfeltigen zu gut
gestellet Anno 1571. Vgl. Ohrndorf, Einführung, S. 85
Anm. 31; Klueting, Wittenberger Katechismus,
S. 16-18.
132 Ohrndorf, Einführung, S. 87 Anm. 39.

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