32. Kirchenordnung 1574/1576
den Worts hell unnd klar [hat] scheinen lassen3, Dar-
für wir billich seiner Göttlichen Allmacht nit allein
von grundt unsers Hertzens lob und danck zu sagen,
son- |A2v| dern auch unsere Danckbarkeit mit ei-
nem bußfertigen, Christlichen Leben und Wandel
zubeweisen verpflichtet, Gleichwol aber daran nit
geringer fehl und mangel allenthalben gespürt wirt,
in dem nicht allein der grösser theil in roher, unbuß-
fertiger sicher- und uppigkeit immerzu fortfehrt und
allerhandt schand und laster je lenger, je mehr uber-
handt nemen, sondern auch in der Lahr von vielen
Articuln unserer waren Christlichen Religion bey
diesen letzten und gefehrlichen zeiten allerhandt ge-
fehrliche und fast4 ärgerliche disputationes, Fragen
und Gezänck zu nicht geringer verwirrung unnd be-
trübung vieler frommer Christlicher Hertzen unnd
Gewissen erregt werden, Darumb von nöten, daß je-
der Christ desto wackerer sey und seiner Seelen heil
unnd seligkeit warneme, sonderlich aber die Obrig-
keiten, als denen Gott der Herr die Tafeln seines
Göttlichen Gesetzes befohlen hat, sich ihres von
Gott aufferlegten Ampts gebrauchen und hierinnen
allenthalben ein solch ernstes ein-I A3r | sehens thun,
daß beydes, die Lahr rein unnd unverfalscht bey uns
und von unsere Nachkommen erhalten und dem
Volck treuwlich eingebildet, auch zugleich bey den
Zuhörern ires Lebens verbesserung und wirdige
früchte der Busse gespürt und vermercket werden,
So haben wir demnach weyland deß Wolgebornen
Herrn Philipsenj, Graven zu Nassaw und zu Sar-
prücken, unsers lieben Herrn Vatter seligenk ge-
dächtniß je bißweilen zu fortpflantzung und erhal-
tung der reinen, gesunden Lehr Göttlichs Worts,
auch befürderung guter, Christlicher Zucht und Er-
barkeit, außgangene Ordnungen vor die hand ge-
nommen, ersehen unnd mit zeitigem vorgehabtem
Raht unserer beyder Geistlicher und Weltlicher
Rähte nachvolgender gestalt verglichen und erneu-
wertb.I A3v I
Von einigkeit der Lahr und Predicantenl
Und anfenglich setzen, ordnen und wöllen wir, daß
alle und jede unsere Superintendenten und Prediger
in irem Ampt und Beruff fürnemlich mit allem ernst
und fleiß dahin sehen und trachten, Daß sie nicht
allein vor sich selbßt bey der reinen, gesunden Lahr
deß heyligen Göttlichen Worts, so uns in den Pro-
phetischen und Apostolischen Schrifften offenbaret
und in den dreyen bewerten Simbolis5 der Kirchen,
auch derm Augspurgischen Confession6 in kurtze Ar-
ticul verfasset ist, bestendiglichen verharren und die
eintracht, so biß anhero in unser Graveschafften, in-
sonderheit in Schulen und Kirchen gewesen ist, auch
hinfüro under sich erhalten, Sonderlich aber sich in
j KO/Agende 1609: Albrechts.
k KO/Agende 1609: loblicher und seliger.
l KO 1618: Prediger.
m KO 1618: der wahren, ungeenderten.
n KO 1618: underweisen, Doch unbenommen den Dienern
deß H. Evangelii, wann es der Kirchen Nothurfft erfor-
dert, falsch, irrige Opinionen zu rügen und zu straffen
nach fernerer außweissung unser Kirchenordnung unter
der Rubric: Von Predigten, Verkündigung etc. [siehe un-
ten, S. 231],
das unnötige, ärgerlich und |A4r| gefehrlich dispu-
tiren und zancken, so von etlichen streitigen Theo-
logen zu wenig erbauwung der Kirchen erregt
wirt', nicht eynmengen, sondern sich dessen gäntz-
lich enthalten und das Volck von den Articuln un-
serer waren Christlichen Religion mit hindanset-
zung aller unnötigen, undienstlichen Spitzfündigkeit
und vorwitziger Fragen, die nach der Lehr deß Apo-
stels auff die Cantzel gar nicht gehören8, auch bey
den Zuhörern nichts bauwen, einfeltig und nach
dem grundt Göttliches Worts unnd Augspurgischen
Confession lehren und underweisenn
3 Vgl. 2Kor 4,4.
4 Sehr.
5 Apostolisches, nizänisches und athanasianisches Glau-
bensbekenntnis, BSLK S. 21-30.
6 Confessio Augustana von 1530, BSLK S. 44-137.
7 Anspielung auf die in den 1570er Jahren zwischen Phil-
ippisten und Gnesiolutheranern geführte Auseinander-
setzung um die Wittenberger Christologie und Abend-
mahlslehre, vgl. Dingel, Debatte; Hund, Das Wort.
8 Vgl. 1Tim 6,20; 2Tim 2,16.23; Tit 3,9.
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den Worts hell unnd klar [hat] scheinen lassen3, Dar-
für wir billich seiner Göttlichen Allmacht nit allein
von grundt unsers Hertzens lob und danck zu sagen,
son- |A2v| dern auch unsere Danckbarkeit mit ei-
nem bußfertigen, Christlichen Leben und Wandel
zubeweisen verpflichtet, Gleichwol aber daran nit
geringer fehl und mangel allenthalben gespürt wirt,
in dem nicht allein der grösser theil in roher, unbuß-
fertiger sicher- und uppigkeit immerzu fortfehrt und
allerhandt schand und laster je lenger, je mehr uber-
handt nemen, sondern auch in der Lahr von vielen
Articuln unserer waren Christlichen Religion bey
diesen letzten und gefehrlichen zeiten allerhandt ge-
fehrliche und fast4 ärgerliche disputationes, Fragen
und Gezänck zu nicht geringer verwirrung unnd be-
trübung vieler frommer Christlicher Hertzen unnd
Gewissen erregt werden, Darumb von nöten, daß je-
der Christ desto wackerer sey und seiner Seelen heil
unnd seligkeit warneme, sonderlich aber die Obrig-
keiten, als denen Gott der Herr die Tafeln seines
Göttlichen Gesetzes befohlen hat, sich ihres von
Gott aufferlegten Ampts gebrauchen und hierinnen
allenthalben ein solch ernstes ein-I A3r | sehens thun,
daß beydes, die Lahr rein unnd unverfalscht bey uns
und von unsere Nachkommen erhalten und dem
Volck treuwlich eingebildet, auch zugleich bey den
Zuhörern ires Lebens verbesserung und wirdige
früchte der Busse gespürt und vermercket werden,
So haben wir demnach weyland deß Wolgebornen
Herrn Philipsenj, Graven zu Nassaw und zu Sar-
prücken, unsers lieben Herrn Vatter seligenk ge-
dächtniß je bißweilen zu fortpflantzung und erhal-
tung der reinen, gesunden Lehr Göttlichs Worts,
auch befürderung guter, Christlicher Zucht und Er-
barkeit, außgangene Ordnungen vor die hand ge-
nommen, ersehen unnd mit zeitigem vorgehabtem
Raht unserer beyder Geistlicher und Weltlicher
Rähte nachvolgender gestalt verglichen und erneu-
wertb.I A3v I
Von einigkeit der Lahr und Predicantenl
Und anfenglich setzen, ordnen und wöllen wir, daß
alle und jede unsere Superintendenten und Prediger
in irem Ampt und Beruff fürnemlich mit allem ernst
und fleiß dahin sehen und trachten, Daß sie nicht
allein vor sich selbßt bey der reinen, gesunden Lahr
deß heyligen Göttlichen Worts, so uns in den Pro-
phetischen und Apostolischen Schrifften offenbaret
und in den dreyen bewerten Simbolis5 der Kirchen,
auch derm Augspurgischen Confession6 in kurtze Ar-
ticul verfasset ist, bestendiglichen verharren und die
eintracht, so biß anhero in unser Graveschafften, in-
sonderheit in Schulen und Kirchen gewesen ist, auch
hinfüro under sich erhalten, Sonderlich aber sich in
j KO/Agende 1609: Albrechts.
k KO/Agende 1609: loblicher und seliger.
l KO 1618: Prediger.
m KO 1618: der wahren, ungeenderten.
n KO 1618: underweisen, Doch unbenommen den Dienern
deß H. Evangelii, wann es der Kirchen Nothurfft erfor-
dert, falsch, irrige Opinionen zu rügen und zu straffen
nach fernerer außweissung unser Kirchenordnung unter
der Rubric: Von Predigten, Verkündigung etc. [siehe un-
ten, S. 231],
das unnötige, ärgerlich und |A4r| gefehrlich dispu-
tiren und zancken, so von etlichen streitigen Theo-
logen zu wenig erbauwung der Kirchen erregt
wirt', nicht eynmengen, sondern sich dessen gäntz-
lich enthalten und das Volck von den Articuln un-
serer waren Christlichen Religion mit hindanset-
zung aller unnötigen, undienstlichen Spitzfündigkeit
und vorwitziger Fragen, die nach der Lehr deß Apo-
stels auff die Cantzel gar nicht gehören8, auch bey
den Zuhörern nichts bauwen, einfeltig und nach
dem grundt Göttliches Worts unnd Augspurgischen
Confession lehren und underweisenn
3 Vgl. 2Kor 4,4.
4 Sehr.
5 Apostolisches, nizänisches und athanasianisches Glau-
bensbekenntnis, BSLK S. 21-30.
6 Confessio Augustana von 1530, BSLK S. 44-137.
7 Anspielung auf die in den 1570er Jahren zwischen Phil-
ippisten und Gnesiolutheranern geführte Auseinander-
setzung um die Wittenberger Christologie und Abend-
mahlslehre, vgl. Dingel, Debatte; Hund, Das Wort.
8 Vgl. 1Tim 6,20; 2Tim 2,16.23; Tit 3,9.
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