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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0300
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Nassau-Weilburg

Vom schrecken
Weil nun die sünde[n], welche von weltlicher Ober-
keit mit dem Schwerd oder Todt gestraffet werden,
ohn alles mittel wider die zehen Gebot220 seindt, sol
man von den zehen Gebotten anheben, wenn man
den Armen schrecken unnd zu erkanntnuß seiner
sünden bringen wil, Nemblich also: Ob er auch zur
Predig gangen und die zehen Gebot Gottes gelehr-
net oder gehört hab. ySagt er, er habs nit gehört, so
weiß man, wie solchs Gottlos leben zu straffen ist,
wo man nach Gott und seinem Wort so gar bey ge-
sundem leib nichts gefragt hat und Gott derhalben
solche rohe leut widerumb verachtet unnd in sünd
unnd schandt fallen leßt. Saget er aber, er habe es
wol gewust und gehört, so folget, daß die sünde de-
sto grösser sey, weil er sich davor nicht gehütet und
Gottes wort nicht gefolget hat.
zZum andernz ist solche sünde nicht allein wider
Gott unnd sein wort, sonder auch wider die Oberkeit
und den Nechsten. Das ein solcher mensch zugleich
wider Gott und weltliche Oberkeit gesündiget hat,
| f3r | Da mag man in vermanen, was er thun würdt
mit einem Knechte oder Kinde, so seinem willen nit
geleben wolt, wie er wider seines Gottes unnd der
Oberkeit willen muthwillig gethan hat, da er ge-
wußt, Gott habe es verbotten, da er manchmal ge-
sehen an andern, so dergleichen wider Gott unnd
Oberkeit gethan, was es für ein ende mit inen ge-
nommen hat.
Da lehrne (sprich), wie dein hertz so gar ver-
stockt unnd der Teuffel dich so gar in seiner gewalt
gehabt habe, daß du dich Gott nicht befohlen, nicht
darumb gebeten hast, daß du dich seines willen hal-
ten unnd der sünde widerstehen könnest, ja, daß du
solch offentlich urtheil unnd gericht Gottes unnd
der Oberkeit an andern nicht hast bedacht, sondern
in dergleichen sünde auch gefallen unnd darinnen
beharret unnd deinem nechsten nicht allein mit bö-
sem Exempel, sondern auch mit der that ohne ur-
sach allen schaden gethan hast.

Hie findet sich nun underscheidt der sünden: Ein
Dieb stilt einem, der im nie kein leidt gethan hat;
ein Mörder nimpt einem leib unnd leben, der im nie
kein böß wort geben hat, allein umb gelts willen.
Solchs alles sihet unnd weiß Gott, unnd weil du dich
an sein wort und warnung nicht kehren, an offent-
liche schande und laster, so du an andern gesehen,
dich nicht hast bessern wöllen, hat er dich jetzo in
sein gericht genom-| f3v | men und also gefasset, daß
du nicht mehr entlauffen, sondern den todt, wie du
verdienet hast, leiden mußt, daß du es greiffen
mußt, Gott sey erzörnet und wölle deiner schalck-
heit nicht lenger zusehen, so du sonst, wo du dich
solcher sünde enthalten, dich deiner arbeit genehret
und Christlich gelebt hettest, beym leben blieben,
deine narung von Gott gehabt und mit natürlichem
todt, ohn schande und laster, ehrlich gestorben we-
rest. Solchs hat dein Gottloß leben und fürsetzliches
sündigen gehindert, daß du sehen mußt, Gottes zorn
sey umb deiner sünden willen uber dich kommen.
Also sol man ime die sünde grob einreiben und der-
massen fürbilden, daß ers jetzo greiffen und nicht
mehr leugnen noch beschönen möge.
So nun ihm das hertz beginnet brechen und
weich zu werden, sol man mit dem trost auff Gottes
güte und deß künfftigen lebens weiterfahren. Wo er
aber solchs noch verachten, im trotz unnd unbuß-
fertig bleiben würde, da kan man nicht mehr, denn
daß man anhalte und im diese beyde gefahr wol ein-
bilde: Zum ersten, er sey jetzundt im Gericht welt-
licher Oberkeit, dem werde er nicht entlauffen. Dar-
nach werde er für Gottes Gericht auch kommen, da
sey kein ander mittel. Werde er sein sünde nicht er-
kennen, ihm lassen leidt sein unnd vergebung von
Gott begeren, so muß auff solchen zeitlichen todt
der ewig todt folgen, welcher doch unmeßlich schwe-
rer unnd unleidtlicher ist denn der leibliche todt,
Sintemal es |f4r| ein ewig dinga ist unnd nimmer-
mehr auffhöret. So nun der zeitlich tod dich so sau-
wer ankompt, warumb wilt du den ewigen auff dich
laden? Solcher gefahr (sprich), lieber freundt, wil ich

y Agende 1618: 2. Sagt. 220 Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21.
z-z Agende 1618: Zum dritten.
a Agende 1618: Straffe.

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