Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0301
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32. Kirchenordnung 1574/1576

dich erinnert haben. Bleibstu verstockt, so bleibstu
dirs in ewigkeit widerumb; Bekehrestu dich, so sol
der zeitlich todt als die straff deiner sünde auffhören
unnd dort in ein ewiges leben unnd freude verwan-
delt werden, denn Gott wil dem sünder gnedig sein
und vergeben, wenn er sich von hertzen bekehret
unnd ihm seine sünde leßt leidt sein.
Neher kan mans einem solchen Menschen nicht
bringen, darumb mag man ihn selbs mit solchen ge-
dancken bey sich ein zeitlang arbeiten lassen unnd
Gott für ihn bitten, daß er sein hertz erleuchten und
dem bösen Geiste wehren wölle.
Vom trösten
Wo aber die hertzen zuvor blöde221, verzagt oder
durch solche vermanung seind erschrecket worden
und lassen ihn ire sünde leidt sein, da muß zweyer-
ley trost sein: Der erste deß gewissens trost, daß sie
sich wider das böse gewissen wehren und mit Gottes
güte trösten lernen, Der ander trost wider das ster-
ben und den schmehelichen todt, daß sie ihn verach-
ten unnd sich eines bessern lebens denn dieses trö-
sten lehrnen. | f4v | Den trost deß gewissens mag man
also anfahen, das, gleich wie man zuvor Gottes zorn
durch das gefengnuß und die straff bewiesen hat,
jetz auch also solchs gefengnuß und straff auff Got-
tes gnad gezogen werd, Nemlich also, daß man zum
allerersten den armen vermane, im sey zumuth, wie
es wolle, daß er gedenck unnd Gott von hertzen
dancke, weil es doch sonst müß gestorben sein unnd
er den todt vielfaltig verdienet hatb, daß in Gott
also zur buß gefordert und an den ort bracht hab, da
man in recht zum sterben underweisen unnd trösten
könne, denn so Gott mit ungnaden (sprich) gegen
dir hette handeln wöllen, het er dich auff frischer
that erwürget, den halß abfallen oder sonst umb-
bringen lassen und also gerichtet, wie er dich gefun-
den hett in deinen sünden, darauff were gewißlich
der ewig todt gefolget, denn auff die sünde gehöret
der todt. Nun aber beweiset er dir diese gnad, daß er
nicht nach der strenge mit dir handeln, sondern, ob
du es wol nicht verdienet hast, dennoch sein gnad
b Agende 1618: habe.

dir beweisen und dich zu einem kindt annemmen
und dein sünde dir vergeben wil. Wieviel seind ihr,
die solche sünde nicht auff sich haben wie du hast,
unnd dennoch unversehens umbkommen? Dich aber
wil Gott nicht ubereilen, schickt dir seine Diener,
die dich trösten und durch sein wort deiner Seelen
helffen sollen. Solche gnade lehrne erkennen und sey
Gott darfür danckbar, daß er mit dir armen Sünder
so gnedig und vätterlich handelt. | g1r |
Darnach, neben dem, daß dich Gott nicht mit
seinem Gericht ubereilet hat, mußt du Gottes Gna-
de auch in dem erkennen und solt im darfür dan-
cken, daß er dein Hertz durch den heyligen Geist
gerühret hat, daß du deine Sünde erkennest und leßt
dirs von hertzen leid seyn, so dargegen mancher
Mensch in sicherheit seines Hertzens verdirbt und
steckenbleibt. Nun ist Gott solchs noch nicht gnug-
sam, daß er damit seine güte gegen dir beweise, son-
dern, weil du dein sünde erkennest und jetzt ein bö-
ses gewissen hast, wil dir Gott auß demselben helf-
fen, daß dir doch endtlich gar geholffen werde, und
hat mich, seinen Kirchendiener, zu dir verordnet,
das du durch mich unterrichtet werdest, wie du wi-
der die sünde unnd dein böses gewissen dich auff-
halten und wehren solt. So dencke nun, daß du disen
unterricht mit dancksagung gegen Gott in rechtem
glauben annemmest, auff daß du wissest, worauff
dein trost und seligkeit beruhen sol.
Du bekennest ja, daß du ein sünder bist, so höre
jetzt unnd lerne, was Gott mit den sündern thun
wölle: Du denckest und alle menschen, Gott sey
eben deß sinnes wie die menschen. Wer ihnen guts
thut, der geneußt es, Wer inen leids thut, der entgilt
es, wie denn du umb deiner mißhandlung willen
jetzt daligst und den todt leiden must. Hettestu
nicht gemordet, würde dir der kopff nicht abgehau-
wen; hettestu nicht gestolen, so würdestu nicht ge-
henckt werden. Das ist der Welt urtheil, will und
meinung, aber Gott soltu anders lehrnen erkennen.
War ists, wer Christlich unnd nach | g1v | Gottes wil-
len und befehl lebt, der sol es geniessen. Wer aber
solches nicht gethan hat, sol darumb dennoch nicht

221 Furchtsam.

283
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften