gelische Bewegung das Leben in Nürnberg verleidete. Er zog sich auf seine Domherrnpfründe in Mainz
zurück. Zu seinem Nachfolger bestellte Nürnberg in Georg Besler15 wieder einen Schüler Martin Lu-
thers. Zu diesem Wechsel ergab sich gleichzeitig noch die Möglichkeit zu einer Neubesetzung der nicht
weniger bedeutsamen Predigerstellen. 1522 wurde die Predigerstelle bei St. Lorenz frei. Nun konnte sie
im März dem jugendlichen Andreas Osiander16 übertragen werden. Gleichzeitig konnte auf die eben auf-
gebesserte Predigerstelle bei St. Sebald auf Luthers Rat der Breslauer Dominikus Schleupner berufen
werden17. Kurz darauf berief die Stadt als Prediger ans Heilig-Geist-Spital den Humanisten Thomas
Venatorius18. Zumal während des Reichstages, der in diesem Jahr in Nürnberg tagte, war der Zustrom
zu den evangelischen Predigten so stark, daß in die gewaltige Sebalduskirche noch Emporen eingebaut
werden mußten. Die bisher nach dem Mittagessen gehaltenen Predigtgottesdienste wurden im August
auf den Vormittag verlegt19.
Die ersten reformatorischen Maßnahmen.
Eine Frucht evangelischen Verständnisses des Christentums war es, als der Rat am 23. Juli 1522
die Grundzüge einer neuen Armenordnung festlegte. Erklärte ja doch bald darauf vor allem Osiander
es als eine wesentliche Aufgabe der Kirche ,,ordnung zu machen, das die durftigen mit dem almusen
versehen werden“20. Wenn auch sonst keine Beziehungen zwischen Nürnberg und der in Luthers Ab-
wesenheit in Wittenberg vor sich gehenden Bewegung bekannt sind, darf man hier doch einen Einfluß
der dort wohl im Januar 1522 erlassenen ,,Ordnung des gemeinen Beutels“21 annehmen. Nach verschied-
nen Ergänzungen und Änderungen wurde die Almosenordnung, nachdem früher schon eine ganze Reihe
von Drucken auswärts erschienen war, Ende August anfangs September 1523 gedruckt22. So wurde denn
hier in grundlegendem Umsturz gegenüber der mittelalterlichen Übung die Liebestätigkeit nicht auf die
Gewinnung eigenen Seelenheiles, sondern auf den Dank für die erfahrene Gnade als Erweis des Glau-
bens gegründet.
Die Ordnung fand in der Bevölkerung so starken Anklang, daß in den ersten drei Jahren nicht
weniger als 13000 Gulden dafür gegeben wurden, wobei sich der Wert dieser Gaben darnach berechnen
läßt, daß das Jahreseinkommen eines mittelmäßig bepfründeten Geistlichen in Nürnberg damals 45 Gul-
den und freie Wohnung betrug. Damit war nicht nur eine Ordnung geschaffen, die unmittelbar in das
soziale und kirchliche Leben der Gemeinde eingriff. Sie begründete auch eine Anstalt, die bald Sammel-
becken und Verwaltungsmittelpunkt des ganzen Nürnberger Kirchenvermögens werden sollte.
15 Resigniert 1533, † 1536 (v. Schubert, Spengler 333ff. — Will, Gelehrtenlexikon, 1, 101f.; 8, 84).
16 * Gunzenhausen 1498. — 1520 Nürnberg Augustinerkloster Lektor, 1522 Prediger bei St. Lorenz, 1548 als Gegner
des Interims gegangen, Königsberg i. Pr. Pfarrer und Professor — † 1552 (Tschackert, in: RE 14, 501-509.
— Gußmann 1 II 367 [Lit.]. — Schottenloher 16 668—16 712a).
17 * Neiße (in Schlesien). — Breslau Chorherr und bischöflicher Rat, 1519 Student in Wittenberg, 1520 Breslau
Chorherr, 1522 Nürnberg Sebalduskirche Prediger, 1533 Katharinenkirche Prediger — † 1547 (Will, Gelehrten-
lexikon 4, 526ff.; 8, 81f. - A.Würfel, Diptycha ecclesiae Sebaldinae. Nürnberg 1756, 1f. - Kawerau, Der...
Streit über die 2. Ehe der Geistlichen, in: BbKG 10 (1904) 119-129. - Gußmann 1 II 366f. [Lit.]. - v. Schu-
bert, Spengler 334).
18 Th. Kolde, in: BbKG 13 (1907) 97-131. 157-195. - Ders., in: RE 20, 489ff. - von Schubert, Spengler
335. 19 Ratsverlaß 7. 8. 15 22. 20 Vgl. die Nürnberger 23 Lehrartikel, unten S. 128jf.
21 H. Barge, Andreas Bodenstein von Karlstadt. Leipzig 1905. 2, 559jf.
22 Unsere Nr. I 1. — Reicke 823ff. -Winkelmann, Armenordnungen 10 (1913) 242—280. — Waldau, Ver-
mischte Beiträge 4 (1789) 417-444. — F. Ehrle, Die Armenordnungen von Nürnberg (1522) und Ypern (1525),
in: Historisches Jahrbuch 9 (1888) 450-479. - G. Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit 3 (Stuttgart 1890)
55ff. - W. Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen. Die Almosenordnungen der Reichsstadt Nürnberg. Nürn-
berg 1932 ( = Nürnberger Beiträge zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 31).
2 Sehling, Bd. XI, Franken
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zurück. Zu seinem Nachfolger bestellte Nürnberg in Georg Besler15 wieder einen Schüler Martin Lu-
thers. Zu diesem Wechsel ergab sich gleichzeitig noch die Möglichkeit zu einer Neubesetzung der nicht
weniger bedeutsamen Predigerstellen. 1522 wurde die Predigerstelle bei St. Lorenz frei. Nun konnte sie
im März dem jugendlichen Andreas Osiander16 übertragen werden. Gleichzeitig konnte auf die eben auf-
gebesserte Predigerstelle bei St. Sebald auf Luthers Rat der Breslauer Dominikus Schleupner berufen
werden17. Kurz darauf berief die Stadt als Prediger ans Heilig-Geist-Spital den Humanisten Thomas
Venatorius18. Zumal während des Reichstages, der in diesem Jahr in Nürnberg tagte, war der Zustrom
zu den evangelischen Predigten so stark, daß in die gewaltige Sebalduskirche noch Emporen eingebaut
werden mußten. Die bisher nach dem Mittagessen gehaltenen Predigtgottesdienste wurden im August
auf den Vormittag verlegt19.
Die ersten reformatorischen Maßnahmen.
Eine Frucht evangelischen Verständnisses des Christentums war es, als der Rat am 23. Juli 1522
die Grundzüge einer neuen Armenordnung festlegte. Erklärte ja doch bald darauf vor allem Osiander
es als eine wesentliche Aufgabe der Kirche ,,ordnung zu machen, das die durftigen mit dem almusen
versehen werden“20. Wenn auch sonst keine Beziehungen zwischen Nürnberg und der in Luthers Ab-
wesenheit in Wittenberg vor sich gehenden Bewegung bekannt sind, darf man hier doch einen Einfluß
der dort wohl im Januar 1522 erlassenen ,,Ordnung des gemeinen Beutels“21 annehmen. Nach verschied-
nen Ergänzungen und Änderungen wurde die Almosenordnung, nachdem früher schon eine ganze Reihe
von Drucken auswärts erschienen war, Ende August anfangs September 1523 gedruckt22. So wurde denn
hier in grundlegendem Umsturz gegenüber der mittelalterlichen Übung die Liebestätigkeit nicht auf die
Gewinnung eigenen Seelenheiles, sondern auf den Dank für die erfahrene Gnade als Erweis des Glau-
bens gegründet.
Die Ordnung fand in der Bevölkerung so starken Anklang, daß in den ersten drei Jahren nicht
weniger als 13000 Gulden dafür gegeben wurden, wobei sich der Wert dieser Gaben darnach berechnen
läßt, daß das Jahreseinkommen eines mittelmäßig bepfründeten Geistlichen in Nürnberg damals 45 Gul-
den und freie Wohnung betrug. Damit war nicht nur eine Ordnung geschaffen, die unmittelbar in das
soziale und kirchliche Leben der Gemeinde eingriff. Sie begründete auch eine Anstalt, die bald Sammel-
becken und Verwaltungsmittelpunkt des ganzen Nürnberger Kirchenvermögens werden sollte.
15 Resigniert 1533, † 1536 (v. Schubert, Spengler 333ff. — Will, Gelehrtenlexikon, 1, 101f.; 8, 84).
16 * Gunzenhausen 1498. — 1520 Nürnberg Augustinerkloster Lektor, 1522 Prediger bei St. Lorenz, 1548 als Gegner
des Interims gegangen, Königsberg i. Pr. Pfarrer und Professor — † 1552 (Tschackert, in: RE 14, 501-509.
— Gußmann 1 II 367 [Lit.]. — Schottenloher 16 668—16 712a).
17 * Neiße (in Schlesien). — Breslau Chorherr und bischöflicher Rat, 1519 Student in Wittenberg, 1520 Breslau
Chorherr, 1522 Nürnberg Sebalduskirche Prediger, 1533 Katharinenkirche Prediger — † 1547 (Will, Gelehrten-
lexikon 4, 526ff.; 8, 81f. - A.Würfel, Diptycha ecclesiae Sebaldinae. Nürnberg 1756, 1f. - Kawerau, Der...
Streit über die 2. Ehe der Geistlichen, in: BbKG 10 (1904) 119-129. - Gußmann 1 II 366f. [Lit.]. - v. Schu-
bert, Spengler 334).
18 Th. Kolde, in: BbKG 13 (1907) 97-131. 157-195. - Ders., in: RE 20, 489ff. - von Schubert, Spengler
335. 19 Ratsverlaß 7. 8. 15 22. 20 Vgl. die Nürnberger 23 Lehrartikel, unten S. 128jf.
21 H. Barge, Andreas Bodenstein von Karlstadt. Leipzig 1905. 2, 559jf.
22 Unsere Nr. I 1. — Reicke 823ff. -Winkelmann, Armenordnungen 10 (1913) 242—280. — Waldau, Ver-
mischte Beiträge 4 (1789) 417-444. — F. Ehrle, Die Armenordnungen von Nürnberg (1522) und Ypern (1525),
in: Historisches Jahrbuch 9 (1888) 450-479. - G. Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit 3 (Stuttgart 1890)
55ff. - W. Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen. Die Almosenordnungen der Reichsstadt Nürnberg. Nürn-
berg 1932 ( = Nürnberger Beiträge zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 31).
2 Sehling, Bd. XI, Franken
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