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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0048
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Nürnberg I

zosenmenschen in abnemen wachsen, derhalb es me-
rer hilf notturftig würde. Alsdan solt ine von disem
almusen nach pillichkeit auch geholfen werden.
Item, wo mit der zeit durch hilf frommer christen-
licher, gothebender personen oder durch stiftung,
testament und seelgeret11 solich almusen dermaßen
in merung erwachsen, das uber die wochenlich aus-
gab und verlegung an barschaft unberschus erschei-
nen würd, das sol gleicherweis zu ubung und erhal-
tung brüderlicher lieb und des negsten nutz, hilf und
notturft nachvolgender gestalt gepraucht werden,
nemlich: mit solichem armen, frumen handwerks-
leuten, die sich und die iren mit irer handarbeit gern
ernerten und doch zu solichem keinen anfang oder
verlegung12 haben, desgleichen andern frumen bur-
gern, die heimlich not leiden mit kindern uberfallen
und sich des petelns schemen, denen auch in sonders,
ob sie spielen, prassen oder sonst ein unerber wesen
furen oder nit, mit vleiß nachgefragt werden sol, zu
helfen mit vier, sechs oder zehen guldin, minder oder
mer, wie die pfleger das nach gestalt eins jeden ar-
men oder notleidenden wesens und handels fur not
ansehen und taxiren werden. Denselben, den also
geholfen und furgesetzt, sol auch eingepunden wer-
den, ob sich mit der zeit ire sachen zu solichem gluck
und narung richten, das sie widerumb vermöglich
wurden, den pflegern solich gelt zu bequemen leid-
lichen fristen widerumb zu uberantworten. Ob aber
solichs nit jedesmals beschee, das sol im namen Got-
tes, dem solichs zu eeren getan ist, auch für unge-
verlich geacht werden.
Desgleichen möchten auch die verordenten pfle-
ger, ob das almusen mit der zeit so vermöglich würd,
abermalen ein ander werk christlicher lieb und hilf
dergestalt uben, das den hantwerksleuten diser stat
ire gemachte arbeit oder pfenwert13, wo sie die fur-
fahender kriegs- oder ander leuft halben nit vertrei-
ben oder zu gelt machen könten oder durch ire ver-
leger14 so hart gedrungen wurden, soliche ire arbeit
mit schaden hinzugeben, durch einen verstendigen,
so die pfleger darzu verordenen, angenomen, orden-

11 Das überaus vieldeutige Wort ist hier im Sinne einer
Stiftung zum Heil der eigenen Seele (remedium ani-
mae) gemeint (Schmeller 2, 165f. 257).
12 = Mittel zur Beschaffung der (ersten) Ausstattung
(Schmeller 1, 1457).

lich aufgeschriben, in ein sonder bestandhaus dar-
zu verordent gelegt und dem handwerker der also
abgeholfen werden. Wo dieselben pfenwert oder ar-
beit hundert guldin wert were, das dann dem, so die
zugehörig seien, pis in achtzig guldin ungeferlich dar-
auf solt gelihen und gereicht werden mit dem be-
velhe, das er fur sich selbs den pesten vleis tun wolt,
soliche angenomene und beschribene pfenwert und
ware in einem halben jar oder ehe, wann das mit fueg
und seinethalben on großen schaden bescheen möcht,
zu verkaufen und zu vertreiben und dagegen das
ausgelihen gelt zu erlegen und zu bezalen. Damit
möchten die handwerk dester in pesseren wirden
bleiben und die handwerker oder arbeiter ire werk-
statten und ehhalten15 erhalten und vor kunftigem
verderben verhüten. Es wurd auch damit das ge-
mein hausiren, so die hantwerker allenthalben in den
wirtsheusern und sonst zu Nürmberg bisher aus not
und armut zu vertreibung irer arbeit haben für-
nemen müssen, einen großen teil abgestelt und da-
durch allerlei schand, unere und nachrede der wei-
ber und tochter fürkummen16.
Die verordenten pfleger mögen auch von dem
uberschuß und zunemen vermelts almusens ein an-
zal korns, wo das in wolfailem kauf ist, fürkaufen
und auf den casten, so inen ein rat von gemeiner stat
darzuleihen zugesagt hat, aufschutten und damit den
hausarmen leuten zu zeit der notturft auch nit ein
geringe hilf erzaigen.
Und nachdem etwo vil armer personen unter den
verzeichenten mögen gefunden werden, denen die
not in mancherlei weis also obgelegen, das sie des
taxirten wochengelts nit benügig sein können oder
sonst unwesens halben bei den verordenten pflegern
angeben und berüchtigt werden, desgleichen das sich
uber die verzeichenten personen noch mer armer
erfunden, darzu auch eins teils derjenen, den das
reich sontaglich almusen17 geraicht würdet, die von
disem großen ahnusen hausarmer leut hilf begern,
so sollen die zwen verordenten pfleger alle sontag
neben den pflegern gedachts reichen almusens sit-
13 = Pfennigswert, Ware (Schmeller 1, 432; 2, 99).
= Geldgeber (Schmeller 1, 145f.).
15 = Dienstboten als Hausgenossen (Schmeller 1,8).
16 = zuvorgekommen, verhütet, abgestellt. (Schmel-
ler 1, 1248). 17 Vgl.Anm.8!

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