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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0049
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I 1 Almosenordnung 1522

zen, zu erkundigen, weliche personen im reichen al-
musen merer hantraich von disem almusen begeren.
Zu demselben sol alsdan der vier knecht einer ver-
ordent und des armen begerenden haushalten, not-
durft und wesen erkundigt und alsdann durch den
pfleger demselben armen ein wochenliche hilf gleich
andern taxirt und zu raichen bevolhen werden.
Neben dem sollen auch die zwen verordenten pfle-
ger dises almusens alle wochen oder uber vierzehen
tag, wie die notturft der sachen erfordern würd, am
montag zusamkummen und die armen in irem ob-
ligen allenthalben verhören und dann, wie sie die
sachen finden, zur hilf und handreich der armen aber
das best und billichest handeln und verschaffen.
Und auf das alles sind die verordenten zwen pfle-
ger nach dem anfang diser ordenung und nemlich
ungeferlich in der dritten wochen mit den vier knech-
ten zu allen wonungen und heusern der armen ver-
zeichenten personen umbgangen, dieselben dürftigen
personlich zu besichtigen und durch den augenschein
gelegenheit eins jeden, auch ob sie mit dem taxirten
wochengelt auskummen möchten, zu erfaren. Die
haben nach solicher augenscheinlichen erkundigung
bemelt ir taxirt wochengelt eines teils gemert, zum
teil gemindert, wie sie der armen wesen nach fur pil-
lich und gut angesehen haben, auch dabei gefunden,
das sich etwo vil diser armen leut, jung und alt, die
hievor ganz müßig gangen und den ganzen tag zu
kirchen und straßen dem pettel obgelegen sein,

18 = ersprießlich (Schmeller 2,477).
19 Vgl. Anm. 16.
20 Nach der Eßlinger Reichsmünzordnung von 1524
sollten 252 Nürnberger Pfennige für 1 Gulden ge-
nommen werden. (Scholler, Ernst, Der Reichsstadt
Nürnberg Geld- und Münzwesen in älterer und
neuerer Zeit. Nürnberg 1916. 156). Zum Vergleich sei
erwähnt, daß der Frühmesser von Büchenbach bei
Schwabach (verheiratet mit 4 Kindern) 1528 einen
Wocheniohn von 1/4 fl erhielt; anderwärts wurde
1/2 fl. gezahlt. (Schornbaum, Kirchenvisitation 64.
Simon, EKDB 137.) Sonst betrug das Jahresein-
kommen eines gewöhnlichen Stadtgeistlichen 50 bis
60 fl, das Wocheneinkommen also rund 1 fl. ( Simon,
Movendelpfründe 11. 27. - Simon, Spitalmessen
149. — von Soden 233). — Ein ungelernter Erd-
arbeiter erhielt im Tage etwa 24 Pfennige ( = 1/10,5 fl),
ein gelernter Bauarbeiter im Sommer rund 40 Pfen-
nige ( = 1/6,3 fl), während man für ein Pfund Fleisch
6 Pfennige ( = 1/42 fl) und für ein paar gute Herren-
schuhe 50 Pfennige (= 75fl) bezahlen mußte (San-

widerumb zu iren vorgetriben handwerken gericht,
gearbeit und ire kinder, die hievor kelt, frost, hunger
und nesse auf der straßen gelitten, bei der arbeit
unter den obdachern erhalten, und von offenlichem
pettel gewend haben, welichs auch allen handwerken
hie (wie ein rat glaublich bericht) gar hoch erschiße-
lich18; dann, dieweil hievor an wollenspinnerin, zu-
beraitern und ander arbeit allerlei mangel erschinen,
ist derselb mangel durch die menig der arbeitenden
itzo furkummen19 und etwo vil arbeitern ganz dienst-
lich, damit auch der täglich last der armen leut und
kinder, die den burgern, kaufleuten und gesten in
kirchen, herberigen, auf der gassen, am markt und
sonst allenthalben fur und fur nachgelofen und an-
gehangen sein (weliches bei vil personen nit einen
geringen unlust und beschwerden verursacht hat)
ganz abgestelt.
Und ist der pfleger erste tax des wochengelts ge-
west wie hernach volgt20:
Nemlich ist zweien alten unvermögenden eeleuten
on kinder funfzig bis in sechzig pfenning, wo die aber
kinder gehapt, sibenzig bis in neunzig pfenning,
item einzigen unvermögenden personen funfund-
dreißig bis in vierzig pfenning,
item denen, die ganz petriß21, unvermögend und
legerhaft gewest, also das sie sondere personen zu
irer wart und handraich verlonen müssen und aus
unvermögen vorher kein almusen haben erfordern
mögen, ein halber guldin,
der Paul, Der reichsstädtische Haushalt Nürnbergs,
dargestellt auf Grund ihres Zustandes von 1431 bis
1440. Leipzig 1902. 752. 918. 921. - Lang 2, 99 bis
103). — Verglichen mit den heutigen Preisen und Löh-
nen (Fleisch: 3 DM, Schuhe: 39 DM, Taglohn
[Putzfrau]: 16 DM) entspricht also ein damaliger Gul-
den heute etwa 145 DM. 50 Pfennige von damals
entsprechen daher 1959 fast 30 DM (Über das Preis-
verhältnis zwischen der damaligen Zeit und 1914 vgl.
H. Mader, Untersuchungen über die Guldenkauf-
kraft von 1400-1650 für den fränkischen Gulden be-
zogen auf Goldmark 1914, in: Archiv für Geschichte
und Altertumskunde von Oberfranken 32 I [1933]
44-50 mit Tabelle). Die gegenwärtigen Unterstüt-
zungsrichtsätze in Bayern betragen für ein allein-
stehendes kinderloses Ehepaar unter 65 Jahren,
wenn keine besonderen Verhältnisse vorliegen, im
Monat wenigstens 126 DM, in derWoche also 32 DM
(Amtsblatt des bayerischen Ministeriums für
innere Verwaltung 1958 S. 299).
21 = bettlägerig (Schmeller 1, 302f.).

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