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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0093
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II 1 Gemeiner Kasten in Kitzingen 1523

vorgemelt, begabt were, funde, denselben von stund
an zu der stat hinaus weisen oder füren und in all-
weg sein fleißig aufmerken haben, das die armen leut
nit in die wirtsheuser laufen, auch nach vorbestimp-
ter zeit weder in der kirchen noch auf der gassen bet-
teln, sunder sich des almusens, so inen wuchenlich
von den geordneten pflegern gegeben wirt, genügen
lassen.
Und damit der bettelrichter dester mer fleiß für-
wende und ime seiner mühe auch zimlich belonet
werde, sol demselben wuchenlich ein zimlich gelt aus
dem gemainen kasten gegeben werden.
Item so es Got fügen, das dis almusen mit hilf und
zutun frummer, christglaubigen menschen dermaßen
geeufert und gemert wurde, es geschehe durch testa-
ment oder ander gabe bei lebendigem leib, welchs
dann das höchst almusen und allen christglaubigen
menschen von kainem andern nichts geboten ist,
dann seinen nebenchrist notturftigen menschen zu
helfen, also das ein uberfluß an barschaft erfunden
wurde, des man zu obgemeltem gemainen, teglichen
almusen nit bedörft, solle derselbig uberfluß auch zu
ander hilf des nechsten gewendet werden, nemlich:
wo etwan frumm, arm handwerksleut oder sunst
jung eevolk weren, so sich mit harter, schwerer ar-
beit gern ernerten und aber von inen selbst so gar
kain anfang gehabt und nicht hetten, einichen vor-
rat ires handels zu machen, oder ja etwan mit vil
kindern uberfallen und doch das almusen nit nemen,
sunder stets in Gottes hoffnung leben und bleiben,
denselben sol mit sunderm fleiß nachgefragt werden,
ob die nicht spilen, saufen oder ander unerlich wesen
an inen haben. Und wo man dann der frummen
weste oder funde, denen solt und möcht man als-
dann mit seiner [!] zimlichen hilf als vier und zehen
gulden mer oder minder ungeverlich anlehensweis
helfen, auf bequeme zeit wider zu bezalen, damit
manchem sunst verzagten aus großer not zu auf-
nemen geholfen werden mag, die es auch fleißiger
dann die offen betler verbeten13. Und so dann der
13 Wenn kein Lesefehler des Schreibers der Vorlage vor-
liegt, vielleicht. = verzinsen (von Bete = Steuer)
(Schmeller 1, 301). — Die Nürnberger Vorlage der
Kitzinger Ordnung liest - gleichfalls nicht recht ver-
ständlich : verbotten (Winkelmann, Armenord-
nungen 10, 275 linke Spalte).
14 = zu Hilfe kommen, nützen (Schmeller 2, 477).

lehen eins oder mere bei frummen, arbeitsamen,
hausarmen leuten, die solich lehen uber ir hart ar-
beiten und guten fleiß nit widerzugeben vermöch-
ten, außen blibe und nit bezalt wurde, das müst man
Got befelhen. Doch so sol sich niemant auf solich
nachlassen vertrösten und darumb dester weniger
oder nachlessiger arbeiten; dann wo solichs mit ichte
vermerkt, wurd man kain nachlassen tun.
Desgleichen so möcht man auch jungem eevolk,
die frummer leut kind und arm weren, aus disem
almusen, wie ob steet, mit einer zimlichen hilf an-
lehensweis erschießen14 und zu haus steurn, das sie
sich in frumkeit und eren mit irer arbeit und hand-
werk dester statlicher anzurichten hetten.
Item so sich (wie vor gemelt) uberfluß an gelt fin-
den wurd, möcht man zu zeiten, so das korn in ge-
ringem gelt were, des etlich meß15 fürkaufen, mit
dem denen, so dis almusen nemen, auch beholfen
möcht werden nach rate der herren und pfleger dis
almusens.
Und also, wie vor gemelt, sollen die verordenten
nach verscheinung bestimpter zeit berürt heilig al-
musen nach inhalt diser ordnung austailen zu trost
und hilf der armen, dorftigen christenmenschen,
auch darinnen allen getreuen fleiß fürwenden und
solicher irer handlung, einnemens und ausgebens
alle quotember16 vor dem ambtman, burgermaister
und rat, auch vor geordenten vier mannen aus der
gemain, so von rat und gemain zu der stat rech-
nungen erwelet seind, oder, wo der ambtman nit dar-
bei sein möcht, in desselben abwesen vor dem vogt
und den andern obgemelten personen erber redlich
rechnung tun, darob dann die ambtleut und ein rate
sein sollen und wöllen, damit das heilig almusen nach
dem getreulichsten und besten eingesamelt und wider
ausgetailt werde.
Ein erber rat steet auch in ratschlagen mit wissen
und willen unsers gnedigen herrn des marggraven zu
Brandenburg etc., noch ander mer notturftig artikel
zu diser ordnung zu setzen und fürzunemen, nach-
15 = Getreidemaß.
16 = Quatuor tempora = die mittelalterlichen Fast-
tage in der Woche nach Invocavit, Pfingsten, Kreuz-
erhöhung (14. Sept.) und Luciä (13. Dez.) LThK
8, 580. — Eisenhofer 116f. — Braun 280f.) als
Vierteljahresanfänge.

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