Angesichts dieser Entwicklung muß aber doch auch auf die große Bedeutung hingewiesen werden,
die Kinderpredigten gewannen. Sie erlebten nicht nur die verschiedensten Neu- und Nachdrucke der Kir-
chenordnung mit bis 1753 - vor allem auch den niederdeutschen Nachdruck in Magdeburg von 1534131 -
sondern wurden gleich unverändert in vollem Umfang in verschiedene Kirchenordnungen, denen die
brandenburgisch-nürnbergische Kirchenordnung nur als Vorbild gedient hatte, übernommen, so 1540 in
die kurbrandenburgische132 und in die mecklenburgische133, 1542 in die calenberg-göttingische134 und
1543 in die pfalz-neuburgische. Das geschah noch 1577 (gedruckt 1578) in der Hohenlohischen Kir-
chenordnung135 und in deren Neubearbeitung von 1688. Wenigstens in Form eines Auszuges brachte sie
die Agende der evangelischen Stände in Österreich unter der Enns von 1571136. Außerdem wurden sie
für zahlreiche Katechismusausgaben und -bearbeitungen benützt und ausgeschrieben. So kam es, daß
ihr Text des Kleinen Katechismus von wesentlichem Einfluß auf die Gestaltung des Wortlautes wurde,
der allmählich in den lutherischen Kirchen allgemein üblich wurde137. 1539 wurden sie durch Justus
Jonas ins Lateinische übersetzt138 Über diese Übersetzung erlangten sie weltweite Bedeutung. 1548 ließ
sie Thomas Gramer in englischer Sprache erscheinen, wodurch Luthers Katechismus zum offlziellen
Katechismus der englischen Kirche wurde130. Ebenso wurden sie 1561 ins Polnische übersetzt110, und
1562 ins Isländische141.
Auf ein kleines Stück der Kirchenordnung darf seiner weittragenden Bedeutung wegen noch
besonders hingewiesen werden. Diese Kirchenordnung befahl zum ersten Mal im deutschen Raum
für ein größeres Gebiet - vereinzelte Anordnungen in mittelalterlichen Synodalstatuten waren eindeutig
ohne Erfolg gewesen - die Führung von Kirchenbüchern (Pfarrbüchern, Matrikeln) und zwar die von
Tauf- und Traubüchern. Dazu hatte nicht nur das Nürnberger Beispiel, das 1524 mit der Anlage von
Traubüchern begonnen hatte, beigetragen, sondern auch das Bedürfnis nach einer Überwachung des Ein-
dringens wiedertäuferischer Gedanken142. Waren doch eben in der Markgrafschaft die Täufer zu einem
allgemeinen Frauentausch unter sich übergegangen143. Der Befehl für die Kirchenbücher wurde auch
trotz seiner Neuheit befolgt144. Ein recht beachtlicher Teil der Kirchenbücher ist sogar von diesem Jahr
an noch erhalten.
Nicht angeordnet wurde dabei die Führung von Beerdigungsbüchern. Für sie bestand kein kirch-
liches Interesse. Trotzdem übertrugen bald Geistliche die Gewohnheit, die kirchliche Handlung - Taufe
und Eheschließung-zu beurkunden, auch auf die Beerdigungen. So beginnen die Beerdigungsbücher etwa
in Auhausen 1540, Baudenbach 1540, Heroldsberg 1541, Heilsbronn 1544, Kautendorf 1549 usw.145.
Hier begann also im größeren Baum die Führung von Personenstandsregistern, die sich dann im
Lauf des 16. Jahrhunderts über ganz Deutschland verbreitete und unausschöpfbare Quellen nicht nur
zur Personen- und Familiengeschichte, sondern auch für die verschiedensten Zweige der Kirchen- und
Kulturgeschichte entstehen ließ.
131 G.A.Will, Bibliotheca Norica Williana 2 (Altdorf 1773) S. 71—75. 88- 92. 132 Sehling 3, 7. 50.
133 Sehling 5, 129f. 148. 134 Sehling 6, 702f. 708. 786. 135 Richter 2, 401. 136 WA 30 1 802.
137 WA 30 I 619-623. - Reu, Quellen 421-424.
138 WA 30 I 627. 403. 411. 711-714. — Beu, Quellen 422; Katechismus 54.
139 Reu, Katechismus 102ff. —WA 30 I 714. 140 Reu aaO. 83. —WA 30 I 714. 795.
141 Reu aaO. 91. - WA 30 I 714.
142 Vorangegangen war mit dieser Überlegung und mit der Ausführung des Planes bereits im Jahre 1532 der nürn-
gische Pfarrer Veit Eyßler in Heroldsberg (Griebel 135f.). Ebenso hatte Althamer die nürnbergische Führung
der Ehebücher schon 1528 nach Ansbach übertragen (K. Schornbaum, Das1. Ansbacher Proklamationsbuch,
in: BbKG 12 [ 1906] 21-38). - M. Simon, Zur Geschichte der Kirchenbücher, in: ZbKG 29 (1960) bes. 15 —
19.21 (ff.-Zur Frage vorreformatorischer Kirchenbücher in Deutschland vgl. die Abrechnung des genannten Aufsat-
zes mit H. Börsting, Geschichte der Matrikeln von der Frühkirche bis zur Gegenwart. Freiburg 1959.
143 Simon, EKGB 196. — Schornbaum, Wiedertäufer 255 u. ö.
144 Um die Durchführung sicher zu stellen, befahl Nürnberg den Hebammen am 31. Dezember 1532 entsprechende
Angaben bei den Geistlichen (Schornbaum, Taufbücher 490). 145 Biebinger 8 XVf.und sonst.
125
die Kinderpredigten gewannen. Sie erlebten nicht nur die verschiedensten Neu- und Nachdrucke der Kir-
chenordnung mit bis 1753 - vor allem auch den niederdeutschen Nachdruck in Magdeburg von 1534131 -
sondern wurden gleich unverändert in vollem Umfang in verschiedene Kirchenordnungen, denen die
brandenburgisch-nürnbergische Kirchenordnung nur als Vorbild gedient hatte, übernommen, so 1540 in
die kurbrandenburgische132 und in die mecklenburgische133, 1542 in die calenberg-göttingische134 und
1543 in die pfalz-neuburgische. Das geschah noch 1577 (gedruckt 1578) in der Hohenlohischen Kir-
chenordnung135 und in deren Neubearbeitung von 1688. Wenigstens in Form eines Auszuges brachte sie
die Agende der evangelischen Stände in Österreich unter der Enns von 1571136. Außerdem wurden sie
für zahlreiche Katechismusausgaben und -bearbeitungen benützt und ausgeschrieben. So kam es, daß
ihr Text des Kleinen Katechismus von wesentlichem Einfluß auf die Gestaltung des Wortlautes wurde,
der allmählich in den lutherischen Kirchen allgemein üblich wurde137. 1539 wurden sie durch Justus
Jonas ins Lateinische übersetzt138 Über diese Übersetzung erlangten sie weltweite Bedeutung. 1548 ließ
sie Thomas Gramer in englischer Sprache erscheinen, wodurch Luthers Katechismus zum offlziellen
Katechismus der englischen Kirche wurde130. Ebenso wurden sie 1561 ins Polnische übersetzt110, und
1562 ins Isländische141.
Auf ein kleines Stück der Kirchenordnung darf seiner weittragenden Bedeutung wegen noch
besonders hingewiesen werden. Diese Kirchenordnung befahl zum ersten Mal im deutschen Raum
für ein größeres Gebiet - vereinzelte Anordnungen in mittelalterlichen Synodalstatuten waren eindeutig
ohne Erfolg gewesen - die Führung von Kirchenbüchern (Pfarrbüchern, Matrikeln) und zwar die von
Tauf- und Traubüchern. Dazu hatte nicht nur das Nürnberger Beispiel, das 1524 mit der Anlage von
Traubüchern begonnen hatte, beigetragen, sondern auch das Bedürfnis nach einer Überwachung des Ein-
dringens wiedertäuferischer Gedanken142. Waren doch eben in der Markgrafschaft die Täufer zu einem
allgemeinen Frauentausch unter sich übergegangen143. Der Befehl für die Kirchenbücher wurde auch
trotz seiner Neuheit befolgt144. Ein recht beachtlicher Teil der Kirchenbücher ist sogar von diesem Jahr
an noch erhalten.
Nicht angeordnet wurde dabei die Führung von Beerdigungsbüchern. Für sie bestand kein kirch-
liches Interesse. Trotzdem übertrugen bald Geistliche die Gewohnheit, die kirchliche Handlung - Taufe
und Eheschließung-zu beurkunden, auch auf die Beerdigungen. So beginnen die Beerdigungsbücher etwa
in Auhausen 1540, Baudenbach 1540, Heroldsberg 1541, Heilsbronn 1544, Kautendorf 1549 usw.145.
Hier begann also im größeren Baum die Führung von Personenstandsregistern, die sich dann im
Lauf des 16. Jahrhunderts über ganz Deutschland verbreitete und unausschöpfbare Quellen nicht nur
zur Personen- und Familiengeschichte, sondern auch für die verschiedensten Zweige der Kirchen- und
Kulturgeschichte entstehen ließ.
131 G.A.Will, Bibliotheca Norica Williana 2 (Altdorf 1773) S. 71—75. 88- 92. 132 Sehling 3, 7. 50.
133 Sehling 5, 129f. 148. 134 Sehling 6, 702f. 708. 786. 135 Richter 2, 401. 136 WA 30 1 802.
137 WA 30 I 619-623. - Reu, Quellen 421-424.
138 WA 30 I 627. 403. 411. 711-714. — Beu, Quellen 422; Katechismus 54.
139 Reu, Katechismus 102ff. —WA 30 I 714. 140 Reu aaO. 83. —WA 30 I 714. 795.
141 Reu aaO. 91. - WA 30 I 714.
142 Vorangegangen war mit dieser Überlegung und mit der Ausführung des Planes bereits im Jahre 1532 der nürn-
gische Pfarrer Veit Eyßler in Heroldsberg (Griebel 135f.). Ebenso hatte Althamer die nürnbergische Führung
der Ehebücher schon 1528 nach Ansbach übertragen (K. Schornbaum, Das1. Ansbacher Proklamationsbuch,
in: BbKG 12 [ 1906] 21-38). - M. Simon, Zur Geschichte der Kirchenbücher, in: ZbKG 29 (1960) bes. 15 —
19.21 (ff.-Zur Frage vorreformatorischer Kirchenbücher in Deutschland vgl. die Abrechnung des genannten Aufsat-
zes mit H. Börsting, Geschichte der Matrikeln von der Frühkirche bis zur Gegenwart. Freiburg 1959.
143 Simon, EKGB 196. — Schornbaum, Wiedertäufer 255 u. ö.
144 Um die Durchführung sicher zu stellen, befahl Nürnberg den Hebammen am 31. Dezember 1532 entsprechende
Angaben bei den Geistlichen (Schornbaum, Taufbücher 490). 145 Biebinger 8 XVf.und sonst.
125