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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0169
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III 4 a Kirchenordnung 1533

darwider. Geschichts nicht auswendig, so geschichts
aber inwendig. Wann dann die bös begird wider das
gepot begert, so verdambt das gesetz die begird und
uns damit von der begird wegen. Wann wir dann
merken, das wir verdambt sollen sein, so wolten wir
die begird gern meiden und finden dann, das es uns
aus aignen kreften unmüglich ist. Da verzagen wir
dann an uns selber und fahen an zu zürnen mit Gott,
als tue er unbillich, das er uns umb der begird wil-
len wöl verdammen, der wir doch nicht mechtig sein,
sunder sie ist herr über uns und reget sich wider
unsern willen. Soliches ist dann ein gaistlicher tod
und, wann das evangelion nit hernach gepredigt
würde, so müsten wir darinnen verderben. Also wird
offenbar durch das gesetz, das wir nicht allein sünder
seien, sunder auch, das die sünd durch das gesetz nur
sterker wirdet und wir mit Gott anfahen zu zürnen
und zu kriegen und werden eben vom gesetz frumm,
wie das feuer vom dürren holz erlischet. Je mer man
anlegt, je mer es prennet; je mer gesetz, je mer be-
gird und fürwitz; je mer begir, je mer verdamnus;
je mer verdamnus, je mer feindschaft wider Gott.
Je mer feindschaft wider Gott wir empfinden, je
größer und sterker unser sünd, so hievor in uns ver-
porgen lag, an tag kumbt, darumb der heilig Paulus
billich 1. Corintb. am 15. [56] spricht : Die kraft der
sünd ist das gesetz, und haist es ein ampt des tods
am 3. Capit. [2. Kor. 3, 7] und ist doch die schuld
nicht des gesetzes, sunder der sünde, das ist die bös
angeboren natur, die wir alle erben vom Adam.
Soliches alles leret der heilig Paulus mit klaren
worten zu dem Römern am 7. cap. [7-13] also: Ich
wüst nichts von der lust, wo nicht das gesetz het
gesagt, laß dich nit gelusten. Da nam aber die sünd
ursach am gepot und erreget in mir allerlei lust; dann
on das gesetz, war die sünd tot (das ist: sie reget
sich nicht und ich empfands auch nicht). Ich aber
lebet etwa on gesetz (das ist: ich wüste es nicht oder
achtet es nicht). Da aber das gepot kam, da ward
die sünd lebendig; ich aber starb und befand sich,
das das gepot mir zum tod (das ist: schrecken, forcht
und verzagen des gewissens) raichet, das mir doch
zum leben geben war; dann die sünd nam ursach
am gepot und betrog mich und tötet mich durch
dasselbig gepot. Das gesetz ist je heilig und das ge-
pot heilig, recht und gut. Ist dann, das da gut ist,

mir ein tod worden ? Das sei ferne! Aber die sünde,
auf das sie erscheine, wie sie sünd ist, hat sie mir
durch das gut den tod gewürkt, auf das die sünd
würd überaus sündig durchs gepot.
Also ist genug angezaigt, das das gesetz nicht dar-
umb geben ist, das es den sündern helfen und sie
frumm machen könn, sunder darumb, das sie daran
sollen lernen, das die sünd in ine so geweltig herr-
sche, das sie durchs gesetz nur sterker werde und
uns töte, auf das wir darnach dester leichter glau-
ben, das wir durch ein höhern, wunderbarlichern
und götlichern weg müssen von der sünd errettet
werden dann durchs gesetz. Das zeuget Paulus noch
klärlicher zu den Galatern am 3. [19] und spricht:
Das gesetz ist darzu kummen umb der ubertretung
willen, das ist: das es soviel übertretungen ver-
ursachen solle, das jederman merken mag, das wir
durch Christum und nicht durch das gesetz müssen
selig werden, und abermal spricht er [Gal. 3, 21]:
Wann ein gesetz geben were, das lebendig machen
könt, so köme warhaftig aus dem gesetz die gerech-
tigkeit. Das gesetz macht aber nicht lebendig, sun-
der fordert nur, was ein mensch, der durch den Hei-
ligen Gaist in Gott lebet, tun soll. Das können wir
dann nicht, dann wir sein tot in sünden, Ephe.
2 [1-5], mangeln des preis Gottes, haben den Hei-
ligen Gaist nicht, sein kinder des zorns von natur,
unter die sünd verkauft und knecht der sünde und
steet so übel umb uns, das die ainig und pest ärznei,
die die vernunft weiß, nemlich das gesetz, wird uns
zu gift, sterkt die sünd und würkt den tod und kann
uns niemant helfen dann Christus allein, der uns mit
seinem leiden und sterben gnad erlangt, zur neuen ge-
burt bringt und den Heiligen Gaist gibt, durch den wir
geheiligt, gesterkt und zum guten getrieben werden.
Zum dritten spricht Paulus [Gal. 3, 24]: Das ge-
setz ist unser zuchmaister gewesen auf Christum.
Ein zuchtmaister aber sol die kinder unter der ruten
halten und mit gewalt zwingen, frumm zu sein, bis
die vernunft und der verstand kumme, das sie selbs
williglich und ungezwungen recht tun. Also auch das
gesetz soll das volk das noch nicht glaubig ist und
den Heiligen Gaist noch nit hat empfangen, zu der
eußerlichen, burgerlichen frümbkeit zwingen, auf das
sie den andern nicht schaden tun, dieweil sie sünder
sein und der sünd nit mechtig. Dann wiewol solche

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