III 4 a Kirchenordnung 1533
Dann was nicht aus dem gesetz der natur ist und
Christus oder die apostel uns dasselbig anzaigen und
für unnötig erklären, das lassen wir auch faren, als
dann Christus tut mit dem sabath Mathei am 12.
[9-14], und Luce am 13. [10-17]. Derhalben sein wir
mit dem gepot von sabath nicht verpunden wie die
jüden.
Darumb sollen die diener des worts sich fleißig hü-
ten, das sie nicht unter dem schein des gepot Gottes
widerumb aus dem Mosi herfür ziehen soliche stück,
davon uns Christus gefreiet hat, als etlich unver-
stendige prediger die vergangen zeit unterstanden
haben. Das werden sie aber zu tun fein wissen, wann
sie die schrift des neuen testaments fleißig lesen.
So sollen sie nun, das gesetz zu treiben und die
puß zu predigen, die zehen gepot für sich nemen.
Wie sie aber ein jedes gepot in sunderheit ausstrei-
chen und was sie darbei leren sollen, wer hie zu lang
und viel zu erzelen, sunder sie sollen sich desselben
aus andern schriften, darvon ausgangen 1, erholen.
Es wird auch ein catechismus oder kinderpredig die-
ser kirchenordnung im druck angehangen, in weli-
chern die zehen gepot, der glaub, das vaterunser,
vom ampt der schlüssel, vom tauf und vom abent-
mal des Herrn, wie man darvon leren soll, verfast
sein, und wiewol er einfeltig für die einfeltigen jungen
kinder gestelt ist, so wird doch sovil darinnen an-
zaigt, das ein jeder, auch kleins verstands, dardurch
gnugsam erinnert wird, was man baide junge und
alte von solichen stücken leren soll. Das mag dann
ein jeder nach der gnad, die ime von Gott geben ist,
für die alten weiter ausstreichen. Darumb wöllen wir
alhie von solchen stücken kein weitleuftigere weis zu
lerenfür schreiben, sunder diejenen, so unterricht be-
dörfen, auf denselbigen catechismus gewisen haben.
Vor allen dingen aber sollen sie sich fleißigen, das
sie dem gemainen einfeltigen man ein jede leer aufs
kürzest in ein summa fassen, die sie wol merken und
behalten können, wie dann Christus selbs auch tut,
da er spricht: Das ganz gesetz und die Propheten
hangen in den zweien gepoten: Du solt Gott deinen
Herren lieben von ganzen herzen, von ganzer seelen
und von ganzem gemüt! Dis ist das fürnembst und
a 1591 : + Das fünfte capitul.
1 z.B.Luthers Deutsch Katechismus ( = Großer Kate-
gröst gepot. Das ander aber ist dem gleich: Du solt
deinen nechsten lieben, als dich selbs! Math. am 22.
[37-40], und Paulus Roma. 13. [8]: Wer den nech-
sten liebt, der hat das gesetz erfült.
So fordert nun das gesetz die lieb, nicht ein aigen-
nützige oder flaischliche lieb, sunder die, von weli-
cher Johannes spricht [1. Joh. 3, 16]: Gott ist die
liebe, und wer in der lieb bleibt, der bleibt in Gott
und Gott in ime. Soliche lieb haben wir von natur
nicht, so gibt sie das gesetz auch nicht. Darumb be-
dörfen wir des Heiligen Gaists, der die lieb in unser
herz geust, Roma. 5 [5]. Der Gaist aber wird uns
durch das evangelion geben, wann wir von herzen dar-
an glauben, wie Paulus zun Galat. am 3. [5] bezeugt
und in geschichtend er apostel am 10. cap. [44-47]
mit einem tröstlichen exempel bewisen wird. Dar-
umb soll das evangelion von stund an allen den ge-
predigt werden, die durch das gesetz erschreckt und
zur puß getrieben sein.
a
Vom evangelio.
Wann nun die leut durchs gesetz zu erkantnus der
sünd und zu reu und laid gebracht sein, also das sie
ir sünd hassen und gern frumm und mit Gott wol
dran sein wolten, so sol man ine auch das heilig
evangelion predigen; dann es ist noch nicht genug
zur pesserung und frümbkeit, die vor Gott gilt, das
man reu und laid über die sünd hab, ob schon soliche
reu und laid so groß were, das ein mensch darob ver-
geen und vor laid sterben möcht, wie das des Judas
reu wol beweiset [Matth. 27, 3], sunder es muß ein
volkummene bezalung oder genugtuung da sein für
die vergangen sünd und ein rechtschaffne pesserung
und ewige gerechtigkeit volgen in dem künftigen
wandel und leben.
Nun vermag aber der mensch dieser baider keins
aus aigen kreften oder durch sich selbs, sunder Chri-
stus, unser lieber Herr und Hailand, hat durch sein
allerheihgstes leiden und sterben, unser aller sünd
bezalt, wie Johannes spricht. [1. Joh. 2, 2]: Es ist
die versönung für unser sünd und nicht allein für
die unser, sunder auch für der ganzen welt, und
durch die predig des evangelions, darinnen wir ine
chismus) 1529 (WA 30 I 239-425), Luthers Ka-
techismuspredigten 1528 (WA30 I 1-122), Altham-
mer Andr., Catechismus. Nürnberg 1528.
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Dann was nicht aus dem gesetz der natur ist und
Christus oder die apostel uns dasselbig anzaigen und
für unnötig erklären, das lassen wir auch faren, als
dann Christus tut mit dem sabath Mathei am 12.
[9-14], und Luce am 13. [10-17]. Derhalben sein wir
mit dem gepot von sabath nicht verpunden wie die
jüden.
Darumb sollen die diener des worts sich fleißig hü-
ten, das sie nicht unter dem schein des gepot Gottes
widerumb aus dem Mosi herfür ziehen soliche stück,
davon uns Christus gefreiet hat, als etlich unver-
stendige prediger die vergangen zeit unterstanden
haben. Das werden sie aber zu tun fein wissen, wann
sie die schrift des neuen testaments fleißig lesen.
So sollen sie nun, das gesetz zu treiben und die
puß zu predigen, die zehen gepot für sich nemen.
Wie sie aber ein jedes gepot in sunderheit ausstrei-
chen und was sie darbei leren sollen, wer hie zu lang
und viel zu erzelen, sunder sie sollen sich desselben
aus andern schriften, darvon ausgangen 1, erholen.
Es wird auch ein catechismus oder kinderpredig die-
ser kirchenordnung im druck angehangen, in weli-
chern die zehen gepot, der glaub, das vaterunser,
vom ampt der schlüssel, vom tauf und vom abent-
mal des Herrn, wie man darvon leren soll, verfast
sein, und wiewol er einfeltig für die einfeltigen jungen
kinder gestelt ist, so wird doch sovil darinnen an-
zaigt, das ein jeder, auch kleins verstands, dardurch
gnugsam erinnert wird, was man baide junge und
alte von solichen stücken leren soll. Das mag dann
ein jeder nach der gnad, die ime von Gott geben ist,
für die alten weiter ausstreichen. Darumb wöllen wir
alhie von solchen stücken kein weitleuftigere weis zu
lerenfür schreiben, sunder diejenen, so unterricht be-
dörfen, auf denselbigen catechismus gewisen haben.
Vor allen dingen aber sollen sie sich fleißigen, das
sie dem gemainen einfeltigen man ein jede leer aufs
kürzest in ein summa fassen, die sie wol merken und
behalten können, wie dann Christus selbs auch tut,
da er spricht: Das ganz gesetz und die Propheten
hangen in den zweien gepoten: Du solt Gott deinen
Herren lieben von ganzen herzen, von ganzer seelen
und von ganzem gemüt! Dis ist das fürnembst und
a 1591 : + Das fünfte capitul.
1 z.B.Luthers Deutsch Katechismus ( = Großer Kate-
gröst gepot. Das ander aber ist dem gleich: Du solt
deinen nechsten lieben, als dich selbs! Math. am 22.
[37-40], und Paulus Roma. 13. [8]: Wer den nech-
sten liebt, der hat das gesetz erfült.
So fordert nun das gesetz die lieb, nicht ein aigen-
nützige oder flaischliche lieb, sunder die, von weli-
cher Johannes spricht [1. Joh. 3, 16]: Gott ist die
liebe, und wer in der lieb bleibt, der bleibt in Gott
und Gott in ime. Soliche lieb haben wir von natur
nicht, so gibt sie das gesetz auch nicht. Darumb be-
dörfen wir des Heiligen Gaists, der die lieb in unser
herz geust, Roma. 5 [5]. Der Gaist aber wird uns
durch das evangelion geben, wann wir von herzen dar-
an glauben, wie Paulus zun Galat. am 3. [5] bezeugt
und in geschichtend er apostel am 10. cap. [44-47]
mit einem tröstlichen exempel bewisen wird. Dar-
umb soll das evangelion von stund an allen den ge-
predigt werden, die durch das gesetz erschreckt und
zur puß getrieben sein.
a
Vom evangelio.
Wann nun die leut durchs gesetz zu erkantnus der
sünd und zu reu und laid gebracht sein, also das sie
ir sünd hassen und gern frumm und mit Gott wol
dran sein wolten, so sol man ine auch das heilig
evangelion predigen; dann es ist noch nicht genug
zur pesserung und frümbkeit, die vor Gott gilt, das
man reu und laid über die sünd hab, ob schon soliche
reu und laid so groß were, das ein mensch darob ver-
geen und vor laid sterben möcht, wie das des Judas
reu wol beweiset [Matth. 27, 3], sunder es muß ein
volkummene bezalung oder genugtuung da sein für
die vergangen sünd und ein rechtschaffne pesserung
und ewige gerechtigkeit volgen in dem künftigen
wandel und leben.
Nun vermag aber der mensch dieser baider keins
aus aigen kreften oder durch sich selbs, sunder Chri-
stus, unser lieber Herr und Hailand, hat durch sein
allerheihgstes leiden und sterben, unser aller sünd
bezalt, wie Johannes spricht. [1. Joh. 2, 2]: Es ist
die versönung für unser sünd und nicht allein für
die unser, sunder auch für der ganzen welt, und
durch die predig des evangelions, darinnen wir ine
chismus) 1529 (WA 30 I 239-425), Luthers Ka-
techismuspredigten 1528 (WA30 I 1-122), Altham-
mer Andr., Catechismus. Nürnberg 1528.
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