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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0238
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

Und das ist, meine liebe kindlein, die fürnembste
weisheit im zeitlichen und weltlichen leben, das wir
erkennen, das wir disen leuten gehorsam schuldig
sein und das es Got dem Herrn so herzlich wol ge-
felt, wann wirs tun, und das er uns widerumb so vil
guts durch dieselbigen leut mittailt.
Darumb wolt ir from sein und Gott wolgefallen,
so haltet dises gepot, seit vater und muter und aller
obrigkeit gehorsam, halt sie in ehren, volgt ihn, was
sie euch heißen, ausgenommen, wann sie euch etwas
wolten gepieten, das Gott verpoten hat. So solt ihr
nicht volgen, sonder sprechen wie S. Petrus (Act. 5.
[29]: Man mus Got mehr gehorsam sein dann den
menschen.
Ir solt auch euere vater und muter darumb nicht
verachten, das sie ainveltige, arme, schwache oder
sonst geprechliche leut sein; dann sie seien gleich,
wie sie wöllen, so hat euch dannoch Gott durch sie
das leben geben und sie uber euch zu herrn gesetzt.
Darzu gibt er euch die vorgemelten güter alle durch
sie. Darumb solt ihr sie Gott zu gefallen ehren und
ihn gehorsam sein, gern lernen, und tun, was sie
euch bevelhen und fleißig meiden, was sie euch ver-
pieten; dann das gefelt Gott dem Herrn wol. Und
solt euch hüten, das ihr euch aus ihrem gehorsam
wider ihren willen nicht entziehet, noch von ihn oder
aus den diensten, darein sie euch verdingen, hin-
lauft; dann es ist ein große sund, die Got gewißlich
nicht ungestraft last.
Sonderlich solt ihr euch hüten vor dem schend-
lichen ungehorsam, der jetzo gemain ist, das ihr
euch nicht on eurer eltern willen und wissen ver-
heirat; dann ihr tut nicht allein unrecht, sonder
auch törlich, dieweil es so ein geferlich, langweilig
und mühselig ding umb den ehlichen stand ist, wan
er nicht wol geret; dann da müst ihr euer leben lang
geplaget sein und unglück haben, daraus euch nie-
mand helfen kan dann der tod. Und ist zu besorgen,
wann man vater und muter veracht und on ihren

2 Geleit ist eigentlich der Begleitschutz durch den da-
zu Berechtigten während der Durchquerung seines
Gebietes. Da er auch in Form eines Geleitsbriefes
(„Totes Geleit“) und ohne Frist gewährt werden
konnte, konnte das Geleit den Charakter einer Auf-
enthaltsgenehmigung unter Schutzgewährung ge-
winnen. So konnten sich z. B. Nürnberger Einwohner
in Fällen, in denen sie sich ihrer Nürnberger Obrig-

willen und wissen heirat und also den ehelichen stand
mit sunden anfahet, es werd Gott weder glück noch
heil darzu geben. Wann ir aber Gottes gepot hielt
und vater und muter volget, so wurde euch Gott lieb
haben und sein segen und alles guts zum ehlichen
stand geben.
Wolan, meine liebe kindlein, ihr höret, was ihr tun
solt. Darumb merkts und tuts. Dann dises gepot ist
ein treffenlich feines gepot. Darumb spricht der hei-
lig Paulus (Ephe. 6 [2f.]): Es sei das erst und für-
nembste gepot, das ein zusagen hab. Es ist auch war;
dann unser Herrgot spricht: Du solt dein vater und
dein muter ehren, auf das du lang lebst im land, das
dir der Herr dein Got geben wird.
Damit sagt er uns zu, das, wer vater und muter
ehret, der sol lang leben und in seinem vaterland
bleiben; wers aber nicht tut, der sol aus dem land
vertriben werden und bald sterben. Und ihr sehets
zwar fein, das es also gehet, dann wann die kindlein
bös sein, vater und muter nicht volgen, den schul-
meistern ungehorsam sein, ihren herren nicht treu-
lich dienen, Gottis wort und die prediger verachten
und sein der obrigkeit nicht gehorsam und unter-
tenig, so straft sie Got, das da eins ein bain ausfelt,
das ander ein arm abpricht, eins ein aug aussticht.
Uber das lauft ein pferd. Das felt in ein wasser und
ertrinkt. Die jungen gesellen werden auf den gassen
oder ob dem spil oder im krieg erwürgt. Wann man
dann haus sol halten, so verdirbt man, das man von
schuld wegen in das glait2 muß fliehen, oder kombt
dahin, daß man leugt und stilt, so wird man dann
erhangen oder mus aus dem land laufen unter die
frembden, da man niemands kennet, da ihn auch
niemand trauet, niemand hilft, niemand beisteht.
Das ist dann die recht straf darumb, das sie in der
jugent nicht gevolgt haben.
Darumb, meine liebe kindlein, seit vater und mu-
ter und aller herschaft gehorsam, so werd ihr lang
leben, weis und klug werden und andern leuten auch
keit entziehen wollten, ohne gleichzeitig von dem
dem Markgrafen von Brandenhurg zustehenden kai-
serlichen Landgericht verfolgt zu sein (also z. B. eben
Schuldner), unter markgräfliches Geleit begehen und
das umso leichter, als die Markgrafen das Geleit bis
so dicht an den Nürnberger Stadtgraben beanspruch-
ten, daß schon Ausbesserungsarbeiten an diesem Zu-
ständigkeitsstr eitigkeiten hervorriefen (Reicke928).

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