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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0246
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

sündlicher diebstal vor Got; dann sie nemen den
untertanen das ihr on recht und on ihren willen. Und
wann sie das, das sie schon mit recht einnemen, nicht
darzu geprauchen, darzu es verordnet und geben ist
als, wann sie das gelt, das zu schützen und schirmen
gehört, verpanketiren, verspilen mit pracht hoffart,
und sundlichen wollusten an werden1, so ist es ein
rechter diebstal vor Got. Desgleichen wann sie aus
karghait und geiz etwas unterwegen lassen, das sie
zu tun schuldig weren als, wann man das regiment
und gericht nicht mit frommen, verstendigen leuten
versorgt, die pfar- und predigampt nicht mit gots-
forchtigen, gelerten leuten versicht, schulen und
andere nötige empter zergehn lest, nötige gemaine
gepeu als kirchen, rathaus, statmaur, prucken, pron-
nen und der gleichen zerfallen lest, allain darumb,
das mans gelt spar, so wirt es den orten entzogen,
dahin es gehört und dazu es geben ist. Das ist dann
auch ein rechtlicher sundlicher diebstal vor Got.
Eben also solt ihrs auch verstehn von bischofen,
pfarhern und predigern. Dann wann dieselben umb
ihres nutz willen die warheit schweigen und lügen
predigen, darmit sie ander leut güter zu sich brin-
gen, wie dann mit vigilien2, seelmessen3, jartagen4,
ablasbrieven, brüderschaften5, walfarten und an-
derm solchen gaukelwerk mer lange zeit an allen
orten geschehen ist und noch an vilen orten on auf-
hören geschicht, so ist es ein rechter sundlicher dieb-
stal vor Got; dann man betreugt den nechsten umb
sein gut und zeuchts dahin, da ers nicht hin geben
wurde, wann er die warheit wüste.
Desgleichen wann die rechtsgelerten, advocaten
und procuratores jemand uberreden, er hab ein gute
sach, so sie doch bös ist, allain darumb, das sie etwas
zu tun haben und gelt uberkommen, oder wann sie
mit listen und bösen stucken unterstehn, ein gute
sach bös oder ein böse sach gut zu machen, darmit.
der richter betrogen werd und ein unrecht urteil
sprech, oder wann der richter selbs mit wissen ein
unrecht urteil gibt in einer sachen, die gelt oder gut
antrifft, so ist es auch ein rechter sundlicher dieb-
stal vor Got; dan sie entziehen dem rechten teil
haimlich das sein und gebens dem unrechten teil.

1 = los werden (Schmeller).
2 Siehe S. 94 Anm. 35. 3 Siehe S. 94 Anm. 35.

Es ist auch das nicht ein kleiner diebstal, wann die
leut der verstorbenen güter wöllen erben, die ihn
nicht gepüren, oder wann man falsche testament
schreibt oder die rechten testament verlaugnet und
untertruckt.
Also auch solt ihrs verstehn von kaufleuten und
hendlern, wann sie zu uberflussigen und unpillichen
gewin nemen, wann sie falsche war hingeben oder
falsch gewicht, falsch elen und falsche maß prau-
chen, oder wann sie mit falschen brieven und neuen
mehren6 die leut uberreden, das sie ein war wolfail
hin geben, von der sie haimlich wissen, das sie bald
werd aufschlagen, oder das man ihn teuer abkauf,
das sie wissen, das bald werd abschlagen, oder wann
sie liegen und felschlich schweren, sie können ein
ding wolfailer bei einen andern kaufen, und nöten
also gleich die leut, die ihn glauben, das mans ihn
auch so wolfail mus geben. Auch wan sie die armen
handwerksleut und stuckwerker an sich ziehen, das
sie ihnen allein arbaiten und darnach sich stellen,
als dürfens der war nicht, bis sie die armen leut drin-
gen, daß sie müssen wolfailer geben, dann sie es
können erschwingen. Auch wann sie practiken, ge-
selschaft und monopolien anrichten, damit sie die
leut dringen, das man ihn ihr war mus abkaufen als
teur, als sie wöllen. Das alles und dergleichen sein
vor Got eitel lauter sundliche diebstal; dann da wirt
dem nechsten sein gut haimlich entzogen on recht
und wider sein willen, welchs er wol behielt, wann
dise böse stuck nicht weren.
Desgleichen, wann die handwerksleut felschlich
arbaiten und sich fleißen, das ihr arbait besser schein,
dann sie ist, oder wann sie mehr zu lon fordern, dann
sie verdient haben, so ist es auch ein rechter sund-
licher diebstal vor Gott; dann dardurch wird dem
nechsten sein gut auch haimlich entzogen, on recht
wider sein willen, das er gern behielt.
Also ist es auch unter den paursvolk, welchen
könig, fürsten und herren das land und feld zuge-
tailet haben, das sie es bauen und land und leut er-
neren helfen sollen. Wann sie nun unfleißig bauen,
faul und nachlessig sein oder die frücht, die sie er-
pauen, und das vich, das sie erzogen haben, zu teur
4 Siehe S. 94 Anm. 35.
5 Siehe S. 94 Anm. 36. 6 = Märehen.

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