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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0247
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III 4b Kinderpredigten 1533

wider hingeben, darmit sie die armen leut schinden
und beschweren, darnach stolz und hoffertig darzu
werden, so sein sie auch rechte, schedliche dieb vor
Gott. Dann die obrigkeit gibt keinem paurn das
land oder feld gar zu aigen, sonder behelt ihr selbs
alweg die grösten gerechtigkeit bevor, wie man sicht
an lehengütern, fraisen7 und dergleichen. Und der
paur ist nur ein knecht darauf gesetzt, das er land
und leut seiner obrigkeit helf erneren. Tut ers nicht
treulich oder gibts zu teur, so ist es ein dieberei.
Dann wann ein paur also herr uber sein acker wer,
das er möcht pauen, wann er wolt, oder hingeben
als teur, als er wolt, so vermöchten alle paurn in
einem ganzen dorf so vil nicht, das sie den gering-
sten acker kaufen und bezalen möchten, und wir
müsten zuletst auch wol hungers bei ihnen sterben.
Desgleichen solt ihrs auch verstehn von den ehal-
ten, das ist, von maiden und knechten, von hand-
werksgesellen und taglönern: dann dise alle werden
darumb gedingt und bestellet, das sie sollen arbai-
ten und mit ihrer arbait der herrschaft nutz schaf-
fen und das gut helfen erhalten, bessern und meren.
Wann sie nun unfleißig und untreulich dienen und
arbaiten als, wann sie faul und nachlessig sein oder
des herren gut unnützlich vertun, verderben oder
verwarlosen, so entziehen sie ihrem herrn den nutz,
den er von ihn sol haben. Desgleichen wann sie mehr
lons fordern und nemen, dann sie können verdienen.
Auch wann sie zu unrechter zeit aus dem dienst lau-
fen, so tun sie der herrschaft schaden, schmelern ihr
gut und narung und sein rechte, schedliche dieb und
diebin und sundigen schwerlich wider Gottis gepot.
Also solt irs durchaus verstehn, meine liebe kind-
lein, das ein jeder, der ander leut gut mit unrecht,
haimlich, tückisch oder on willen des rechten her-
ren zu sich zeucht oder einem andern schaden tut
an seiner narung und seinem gut oder seinem nech-
sten den nutz und frommen nit schafft, den er ihm
schuldig ist, oder verdienten lon oder verfallene
schuld aus geiz on not von eigens nutz wegen nicht
bezalt oder nit wider gibt, was man ihm zu behalten
7 Mit diesem Wort vermag ich nichts anzufangen.
Fraiß, Fraisch ist im nürnbergischen Raum der
übliche Ausdruck für die Blutgerichtsbarkeit - also
eben eine der „grösten gerechtigkeit“. Aber vielleicht
sind die fraisen hier eben nicht als Parallelfälle zu
lehengütern gemeint, sondern gerade als Gegensatz.

hat geben oder was er gefunden hat, der ist vor Got
ein rechter dieb, ob er gleich vor der welt nit dar-
umb gestraft wird.
Und darumb sehet ir nun, meine liebe kindlein,
wie ein elend, schendlich ding es in der welt ist; dann
solcher heimlicher dieberei ist die ganz welt vol in
allen stenden, von dem wenigsten bis auf den mai-
sten. Nun ist es je ein schendlicher name, wann man
ein ein dieb schelten kan. Darumb tötet man sie auch
mit dem allerschendlichsten tod, nemlich das man
sie an galgen henkt. Und wann sie schon nit gehenkt
werden, so straft sie doch unser Herrgot, daß es ihn
nicht erspreust, was sie also erschinden und erscha-
ben, schickt ihn wider leut, die in eben tun, wie sie
andern leuten geton haben, oder lest sie sonst ver-
derben.
Darumb, meine liebe kindlein, nemet Gottis ge-
pot zu herzen und hütet euch vor dem steelen! Ne-
met niemand das sein! Tut niemand kein schaden,
sonder verhütet schaden, wo ir kont, und tut jeder-
man, was ihr schuldig seit, ein jeder nach seinem
stand! Und wann euch frembd gut vertrauet wirt,
geht darmit recht umb; dann ihr solt ja frömmer
werden, dann die alte welt ist, dieweil unser Herr
Gott euch sein wort und götlichen willen so fein an-
zeigen und unterweisen lest, von welchem die alten
nit vil gehört und gelernet haben. Tut ihrs aber nit,
so wirt euch gewißlich Got hart strafen; dann es
spricht unser lieber Herr im evangelio: Wann ein
knecht seines herrn willen wais und tut sein nicht,
so wird er mit vil straichen geschlagen (Luc. 12 [47]).
Und dieweil ihr gehört habt, das es ein diebstal
sei, wann man die leut ubernimpt mit großem ge-
winn oder großem lon, so solt ihr dannoch wissen,
das es unserm Herrgot nicht ubel gefelt, das ein
jeder mit seiner arbait oder mit seinem handel, wann
er recht und treulich darmit umbgeht, so vil gewinn,
das er sich und seine unerzogene kinder erneren kan;
dann es spricht der Herr Christus im evangelio
(Mat. 10 [10]): Es ist ein jeder arbaiter seins lons
wert. Und der lon oder gewin sol so groß sein, das
- Andernfalls müßte fraisen irgendwie im Sinne von
Freistiftgut, das nur für kurze Zeit — etwa ein Jahr,
überlassen ist (E. Haberkern und J. Fr. Wallach,
Hilfswörterbuch für Historiker. Basel 1935. 178),
verstanden werden.

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