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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0249
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III 4 b Kinderpredigten 1533

Du solt kein falsch zeugnus geben wider deinen
nechsten.
Das leret uns nun fein, wie wir uns gegen unsers
nechsten ehr und guten namen sollen halten, das wir
ihm nicht mit lügen oder falschen zeugnus zu schan-
den machen, sonder mit allem fleis sein ehr, glauben
und trauen helfen erretten, bewarn und mern, wie
wir begern, das ander leut uns auch tun sollen.
Und da solt ihr kindlein mit allem fleis merken
und wol in das herz bilden, wie ein gut köstlich und
edel ding es ist, wann ein mensch ein guten namen
oder ein gut gerucht hat, das ist: wann jedennan guts
von ihm redet und niemand mit der warheit ichts
arges von ihm sagen kan. Dann Salomon spricht
(Prov. 22 [1]): Das gerucht ist köstlicher dann groß
reichtumb. Und so unser lieber Herr Got so fleißig
gepeut, das uns ander leut unsern guten namen nicht
mit falschen zeugnus sollen untertrucken, so wil er
gewißlich von uns haben und gefelt im wol, das wir
selbs auch fleis ankeren, das wir ein guten namen
und ein gut gerucht unter den menschen uberkomen
und behalten. Das geschicht aber, wann wir from
und redlich sein, Gottis gepot fleißig halten und alles
übel fliehen und meiden. Wie sanct Paulus leret
(1. Thess. 5 [22]), wir sollen auch allen bösen schein
meiden.
Darumb, meine liebe kindlein, seit from und züch-
tig! Halt die gepot Gottis und volget eurn eltern
und obern, das ihr ein guten namen uberkombt;
dann das gefelt Gott wol und ist euch nutz zu ehr
und zu gut, zu trauen und zu glauben. Und tut nicht,
wie etliche böse leut tun, die sich nichts schämen
und nichts darnach fragen, das jederman ubels von
ihn redet! Darumb schämen sie sich auch keiner sun-
den noch schanden. Aber Got wirt sie gewißlich
strafen und werden ein bös end nemen.
Dargegen hütet euch auch mit allem fleis, meine
liebe kindlein, das ihr kain falsch gezeugnus gebt
wider euern nechsten, das ist: das ihr andern leuten
ihr ehr und ihren guten namen nicht mit lügen ne-
met oder unterdruckt. Dann zeugnus haist aigent-
lich, was man saget oder redet in einer sachen, do
zwen oder mer strittig innen sein, als wann einer
saget: Ich hab dem etwas gelihen, und der selbig
laugnet und spricht nain darzu. Wann nun ein an-

der köme und geb ein falsche zengnus und sprech:
Ich habs gesehen, das er im das gelihen hat, so
tet er seinem nechsten zwen scheden. Zum ersten
machet er, das sein nechster müst widergeben oder
bezalen, das man im doch nicht gelihen het. Zum
andern machet er, das man ihn für ein lugner hielt,
und im nichts mer trauet; dann jederman wurd ge-
denken: Sihe, ist das so ein leichtfertiger, verlogner
man, der darfür laugnet, wann man im etwas leihet,
wann man in schon uberweisen kan. So wil ich nichts
mer von ihm halten. Nun ist es aber vil ein größerer
schad, wann einer sein guten namen, das ist glauben
und trauen, verleurt, dann wann er etwas mus be-
zalen, das er nicht schuldig ist, oder ein straf leiden,
die er nicht verdienet hat. Darumb wirt uns in disem
gepot fürnemlich verpoten, das wir unsers nechsten
ehr und guten namen mit lügen oder falschem zeug-
nus nicht schmelern oder untertrucken sollen.
Es dienet auch ein warhaftigs gezeugnus oft dar-
zu, das man zank und hader zwischen den leuten,
dardurch stillet und frid macht, es sei gleich vor ge-
richt oder an andern orten. Aber mit falschem zeug-
nus macht man nur zank und hader, neid und haß,
feindschaft und unfrid. Darumb wirt uns in disem
gepot auch verpoten, das wir die leut mit lügen nicht
gegen einander verschwatzen, nicht zu zorn gegen
einander raizen oder zank und hader meren sollen,
sonder sollen die warheit sagen und uberall, wo wir
können, frid und einigkeit machen und die leut mit-
einander versönen. Dann das gefelt Got dem Herrn
sonderlich wol und ist ein feine tugent. Darumb
spricht Christus im evangelio (Matth. 5 [9]): Selig
sein die fridfertigen, das ist: die gern frid machen;
dann sie werden Gottis kinder genent werden.
Darumb, meine liebe kindlein, hütet euch mit
allem fleis, das ihr nicht lieget oder falsche zeugnus
gebet, auf das ihr niemand sein ehr raubet oder un-
frid und zorn anrichtet zu kainer zeit, an kainem
ort. Am allermaisten aber hütet euch, das ihr vor
gericht, wann ihr darzu gefordert wert, kein falsch
zeugnus gebet; dann Gott der Herr hat das gericht
und die obrigkeit selbs geordnet und eingesetzt, das
sie die frommen schützen und die bösen strafen sol-
len. Wir konten sonst kain frid noch rue in diser welt
haben. Und wer beschwert ist und unrecht leidet,
dem sol das gericht helfen, wann ers anruft. Dar-

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