Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0250
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

umb sol man recht richten und urteilen: dann es ist
Gottis ordnung und der welt höchster trost und
schutz. Und wer gericht und recht verkert, der tut
wider Gottis ordnung und wider alle menschen. Nun
kan aber niemand das gericht leichter verfüren dann
ein falscher zeug. Darumb ist es ein uberaus große
sund, ja es ist mer dann sund; dann ein falscher zeug
schwert ein falschen aid wider das ander gepot,
maaht das gericht falsch, das Gottis ordnung ist,
veracht sein obrigkeit und verfürt dieselben, beraubt
sein nechsten seiner ehr und des guts darzu, darumb
er rechtet, hindert den frid, den man mit dem ge-
rechten urteil sol machen, und richtet hader und
zank an, macht neid und haß, zorn, argwon und
feindschaft, daraus oft totschleg und andere große
ubel entstehn. Das kan dann Gott nicht ungerochen
lassen, sonder straft es gewißlich aufs allerernstlichst.
Darumb sol sich jederman darvor hüten und kein
falsche zeugnus geben.
Es ist uns auch in disem gepot verpoten aller böser
argwon. Argwon aber ist, wann man von den nech-
sten nichts guts gedenkt, sonder legt ihm sein wort
oder werk ubel aus, so man doch nit gewiß ist noch
gewiß sein kan, das es also sei. Dann wer ein sol-
chen bösen argwon anrichtet, der gibt auch falsche
zeugnus und tut eben so großen schaden, als der sonst
falsche zeugnus gibt. Ja, er tut noch größern scha-
den; dann wer offenlich leugt oder falsche zeugnus
gibt, den kan man für recht fordern und verklagen.
Wer aber ein bösen argwon mit worten anricht und
seinen nechsten unpillicher weis verdechtig macht,
dem kan man nit wehren; dan er redets also, das ers
doch nicht wil geredt haben, und tut gleich wol
schaden. Das ist dann auch wider dis gepot und ein
große sund.
Darumb, meine liebe kindlein, hütet euch vor
disem laster auch mit allem fleis und seid nicht arg-
wönisch bei euch selbs, sonder leget alles zum besten
aus, was ihr von eurm nechsten sehet und höret;
dann das ist der christenlichen liebe art und natur,
wie Paulus sagt: Die lieb gedenkt nicht arges (1. Cor.
13 [5]) k
Und damit ihr dis gepot ja recht versteht, meine
liebe kindlein, so solt ihr wissen, das uns Got der

1 Nach der Vulgata.

Herr in disem gepot verpeut alles böse geschwetz,
damit wir wider die liebe handeln und unserm nech-
sten schaden tun; dann es ist alles sund und unrecht,
was wider die liebe geschwatzt wird, wann es schon
an ihm selbs war ist. Darumb spricht unser lieber
Herr Christus im evangelio (Mat. 12. [36]), wir müs-
sen rechenschaft geben von einem jeden unnützen
wort, das aus unserm munde gehe.
So wir dann von den unnützen worten müssen
rechenschaft geben, so müssen wir noch vil mer
rechenschaft geben von den schedlichen und erger-
lichen worten. Darumb ist uns in disem gepot auch
verpoten das gemain, groß und ergerlich laster des
afterredens, da man des nechsten sund und gepre-
chen ausschreit, und ausrichtet; dann daraus kombt
nichts guts, sonder eitel schaden und ergernus. Dann
wann man frembde sund also ausschreitet, so ergern
sich vil leut darvon und gedenken: Sihe, tut der und
der das und ist so gemain, so wil ichs auch tun. Und
umb des willen hat der heilig Paulus zun Ephesern
am fünften [3] verpoten, man sol hurerei, unrainig-
keit und geiz auch nicht nennen unter den christen,
das ist: man sol nicht vil unnötigs geschwetz dar-
von treiben, das man nicht den leuten ursach dar-
zu gebe, die es sonst nicht teten.
Nun spricht aber der Herr Christus im evangelio
(Matt. 5)2: Es were dem, der ergernus anrichtet, bes-
ser, das man im ein mülstain an hals henket und
in das tiefe meer versenket. So gar ein große sund
ist es und so heftig strafts Got der Herr, wann man
ergernus unter den menschen anrichtet.
Weiter begibt es sich auch zu zeiten, wann man
ein menschen also ausschreit, und uberall vor jeder-
man zu schanden macht, das er darob verrucht und
unverschambt wird und fragt nichts mer darnach,
bleibt also sein lebtag in sunden, so er sich sonst
bekert und gebessert het.
Darumb sol man die leut nicht ausrichten noch
ubel nachreden, wann es schon war ist, was man
von ihn sagen wolt, sonder man sol sich halten, wie
uns Christus der Herr im evangelio gelert hat, da er
spricht (Mat. 17 [18, 15]): Sündiget dein bruder
an dir, so gehe hin und straf ihn zwischen dir und
ihm allein! Höret er dich, so hastu dein bruder ge-
2 Richtig: 18,6.

232
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften