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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0283
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III 4 b Kinderpredigten 1533

nicht vil wort machen, also hat ers selbs auch fein
gehalten; dann dieweil des ubels und unglücks, das
uns teglich begegnen mag, so vil ist, das wirs nicht
alles nennen oder erkennen mögen, so fasset ers alles
zusamen in ein einigs wort und leret uns also beten:
Erlös uns vom ubel! gleich als sprech er: Last euch
nichts anfechten, das ihr nicht wißt noch versteht
alles das unglück, dar vor euch Gott behüten sol, son-
der sprecht nur das kurz wörtlein: Erlös uns vom
ubel, so waist er schon, was er tun und warvor er
euch behüten sol, und wirds auch gern tun.
Da sehet ihr dann fein, meine liebe kindlein, wie
gnedig und barmherzig Gott unser lieber Vater im
himel ist, der so fleißig auf uns sihet, das er waist,
was wir bedörfen und warvor er uns sol behüten, eh
dann wir ihn bitten, und begert nicht, das wir vil
wort machen, sonder allein, das wir ihm die ehr tun,
das wir ihn darumb bitten und mit dem gepet unsern
glauben aufwecken, das wir glauben, er erhör uns;
dann wann das geschicht, so wirt uns gewißlich ge-
holfen.
Darumb solt ihr, meine liebe kindlein, mit fleis
merken, das Gott der Herr von uns begert und haben
will, wir sollen in allem ubel, das uns begegnen kan,
hilf bei ihm suchen und ihn allein anrüfen, das ist:
wir sollen unser vertrauen auf kein menschen set-
zen. Dann der prophet Jeremias spricht [Jere. 17
[5]): Verflucht ist der man, der sich auf menschen
verlest. Sonder wir sollen allein auf Gott vertrauen;
dan wann uns schon menschen helfen, so tun doch
sie es nicht, sonder Gott tuts durch sie als durch
ein feinen, geschickten werkzeug. Wans aber Got
nicht tun wil, so könnens die menschen auch nicht
tun. Geschicht uns gewalt und unrecht und wil uns
Gott nicht erlösen noch helfen, so wirds warlich der
richter auch nicht tun. Wann uns aber Gott helfen
wil, so tuts ers durch den richter, den er darzu ver-
ordnet hat, als durch sein werkzeug. Werden wir
krank und wil uns Got nicht gesund machen, so
wirts warlich der arzt auch nicht tun.Wann uns aber
Gott gesund wil machen, so tut ers durch die erznei,
die er darzu erschaffen hat, als durch sein werkzeug.
Darumb sollen wir in allen nöten Gott anrüfen und
hilf bei ihm allein suchen, ihm allein darumb lob,

1 = einem etwas zulassen (Schmeller 1,1131).

dank und preis sagen. Dem werkzeug aber sol man
auch sein gepürliche ehr beweisen.
Wir sollen aber auch wol bedenken und fleißig
merken, meine liebe kindlein, das wir nicht sprechen:
Behüt uns vor dem ubel, sonder: Erlös uns von dem
ubel! Dann damit bekennen wir, und ist auch war,
das wir sehon in alles ubel gefallen sein und es ist
mechtig und geweltig uber uns worden, das wir uns
selbst nicht mer erweren noch erretten konnen. Und
das alles ist geschehen, das wir sein in die sund ge-
fallen und sunder worden; dann die sund ist nichts
anders dann ein abfal vom wort Gottis als, wann
man seinem wort nicht glaubt und seinem gepot
nicht volget. Daraus entstehet dann alles ubel;
dann wer Gottis wort nicht glaubt, der hat schon
kain weisheit noch verstand mehr, sonder ist unwis-
send und blind. Und wer Gottis gepot nit folget, der
ist schon aigenwillig und voller böser begird zu un-
gehorsam, aufrur, totschlag, ehbruch, diebstal, lie-
gen und triegen. Daraus volget dann ein bös gewis-
sen, forcht, traurigkeit, schrecken und kleinmütig-
kait. Ein solcher mensch aber kan nicht in die lenge
leben, sonder nimpt von tag zu tag ab und frist ihm
selbs das herz ab mit seinem unordenlichen wesen.
Darumb empfindet er hunger, durst, hitz, frost,
müde, schwachheit. Daraus entstehen dann allerlei
krankheit und zuletzt der tod. Und die weil er kain
weishait mehr hat, sonder blind ist, so kan ihn der
Satan verfürn und betriegen. Daher volget dann ab-
götterei, zauberei, ketzerei, irrtumb und allerlei fal-
sche ler. Und dieweil ander leut eben auch also sein
und kainer besser ist dann der ander, ausgenommen
die glaubigen, so volget dann neid, haß, zorn, zank,
betrug, raub, diebstal schmach, scheltwort, schla-
gen, würgen, liegen, triegen, kriegen und alles ver-
derben. Solche große greuliche sund kan dann Gott
nicht ungestraft lassen, sonder verhengt1 dem pösen
feind, das er den luft vergift, ungewitter anricht, da
feuer ausbringt, dort mit wasser schaden tut. Hie
macht er ein unsinnig. Dort besitzt er einen gar.
Dem pricht er den hals ab. Den lest er ertrinken,
verprinnen oder zu tod fallen und sonderlich richtet
er an, das die leut verzweifeln, wo er nur kan, auf
das sie dann ewiglich verdampt werden.

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