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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0295
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III 4b Kinderpredigten 1533

wirt es also bald, wie ers nennet. Daramb, wann er
das brot nimbt und spricht, es sei sein leib, so ist
es gewißlich alsobald sein leib. Und wann er den
kelch mit dem wein nimbt und spricht, es sei sein
blut, so ist es gewißlich alsobald sein blut. Das sein
wir schuldig zu glauben, wöllen wir anderst recht
Christen sein.
Und obwol in disen gefärlichen zeiten etliche irrige
leut1 hin und wider gefunden werden, die da aus
lauter mutwillen nicht bekennen wöllen, das es der
leib und das blut Christi sei, allein darumb, das sie
mit irer blinden vernunft nicht begreifen können, wie
es zugehe, so solt doch ir euch mit allem fleiß hüten,
das ir inen nicht gleich werd und euch nicht verfüren
last. Dan solche leut sein gewißlich nicht christen
und haben noch nie gelernet den ersten artikel des
glaubens, nemlich: das Gott allmechtig sei, welchen
doch ir, meine liebe kindlein, wol wist. Darumb
hütet euch vor irem irtumb und glaubet, was der
Herr Christus sagt, obs gleich euer vernunft nicht be-
greifen kan! Dann wir sollen alle vernunft gefangen
nemen unter den gehorsam Christi, wie uns der heilig
Paulus leret [2. Kor. 10, 5].
Zum dritten spricht er, sein leib sei für uns ge-
geben und sein blut zur vergebung der sunden ver-
gossen. Das sollen wir auch glauben und bekennen,
das wir alle in sunden empfangen und geporn seien,
wie wir dan in den zehen gepoten, sonderlich in den
letzten zwaien fein gelernet haben. Darumb sein wir’
auch kinder des zorns von natur und müsten ver-
dampt sein, wann uns Christus durch sein heiliges
leiden nicht erlöset hett. Dann er ist für uns mensch
worden und hat alles das geton für uns, das wir zu
tun schuldig waren und kontens nicht. Das ist: er
hat das gesetz für uns erfült und hat alles das für
uns gelitten, das wir mit unsern sunden verdient
hetten, und hat sein blut für uns vergossen, auf das
uns die sund vergeben würd. Das alles sollen wir
festiglich glauben. Darumb irren sich die menschen
greulich, die für ir sund selbs wöllen genug tun mit
fasten, beten, almusen und andern dergleichen guten
1 Gemeint sind wohl mehr als die Täufer die nur in
den höheren Schichten des Volkes einflußreichen An-
hänger Zwinglis (vgl. S. 184 Anm. 1!0).
2 Mit Aufkommen der Transsubstantiationslehre aus
abergläubischer Furcht vor einer Verschüttung des
Blutes Christi im 13. und 14. Jahrhundert allmählich

werken. Dann, wiewol man solche gute werk tun sol,
so sein sie doch nicht genug, unser sund zu bezalen,
sonder das leiden und blutvergießen Christi hat ge-
nug für unser sund geton und vergebung erlanget,
wie Johannes saget (1. Joh. 2 [2]): Er ist die ver-
sonung für unser sund und nicht allain für die unsern,
sonder auch für der ganzen welt.
Zum vierten spricht er: Solchs tut zu meinem ge-
dechtnus! Dem sollen wir nun auch gehorsam sein
und sollen tun eben das, das er uns zu tun bevolhen
hat. Darumb, meine liebe kindlein, solt ir nicht zwei-
feln. Es ist warlich der leib und das blut Christi
unsers Herrn, das wir im abendmal empfangen; dann
er hats selbs gesagt und durch sein wort also ge-
macht. Darumb, dieweil er spricht, wir sollen eben
solchs auch tun, so oft wirs tun, so ist gewiß, das
ers noch alweg macht, das es sein leib und blut sei
wie zum ersten mal. Sonst könten wir nicht eben
dasselb tun, das seine junger geton haben. Er hat
uns aber gepoten, wir sollen eben solchs tun, das ist:
auch sein leib und sein blut nemen, wie ers selbs
gegeben hat. Und last euch der unglaubigen ner-
rische red nicht anfechten, die da sprechen: Wie kont
der diener den leib und das blut Christi machen ?
Dan es machts ja nicht der diener, sonder Christus
selbs gibt uns sein flaisch und blut, wie sein wort
klarlich ausweiset,
Ihr solt euch auch nicht an die keren, die da sagen,
man sol nicht baiderlei gestalt empfahen, sonder nur
einerlei2; dann Christus hat allen seinen jungern bai-
derlei gestalt geben und hat bevolhen, wir sollen
solchs auch tun. Ja, er hat mit besondern worten
gepoten, wir sollen alle aus dem kelch trinken. Nun
sol man je Gott mehr gehorsam sein dann den men-
schen. Darumb sollen wirs auch empfahen in baider-
lei gestalt, wie er befolhen hat, unangesehen, das
etlich vil schwatzen, es sei die seligkeit nicht daran
gelegen; dann wann gleich nichts uberall dran lege,
so ists doch löblich und gut, das man tu, was Chri-
stus bevolhen hat.
Desgleichen sollen wirs tun zu seiner gedechtnus,
entstanden und seit dem Konstanzer Konzil 1415
Kirchengesetz (Zscharnack, Kelchentziehung, in:
RGG 3,716f. - Smend Julius, Kelchspendung und
Kelchversagung in der abendländischen Kirche.Göt-
tingen 1898).

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