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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0321
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zungen für ein selbstständiges und also auch ein kirchlich eigengeprägtes Leben innerhalb der Markgraf-
schaft gegeben. Sie war bei weitem ihre volkreichste Stadt, und sie lag im äußersten Nordteil des bayreuthi-
schen Gebietes eigentlich etwas abseits. Sie stellte nicht nur z. B. 1580 eine weit größere Anzahl waffenfähi-
ger Männer als Kulmbach und Bayreuth zusammen134, ihr entstammte auch schon im Mittelalter eine
weitaus größere Zahl von Studenten als jeder anderen Stadt der Markgrafschaft135. Dem Namen nach war
immer noch die Kirche in der alten Siedlung von St. Lorenz Pfarrkirche. Tatsächlich aber war sie längst
zur Vorstadtkirche geworden, während in der Mitte der Stadt eine große Michaeliskirche stand. Pastor
verus (= Inhaber der Pfarrstelle, die er durch einen Verweser versehen ließ) war in der Reformations-
zeit der entschieden reformationsfeindliche Bruder der regierenden Markgrafen, Markgraf Friedrich,
Dompropst in Würzburg. Die Anfänge der reformatorischen Bewegung sind trotz mancherlei Nachrichten
darüber nicht ganz deutlich. Die erste deutsche Taufe wurde am Ostersamstag 1523 gehalten. Doch ist
nicht bekannt, wer sie vornahm136.
Einen eindeutigen Führer erhielten die evangelisch Gesinnten 1524 in Kaspar Löner137, der da-
mals als Kaplan - nicht Verweser! - des (abwesenden) Markgrafen Friedrich und Prediger bei St. Mi-
chael nach Hof kam. Wegen seiner evangelischen Haltung wurde er aber schon von Friedrich 1525 oder
1526 entlassen. Doch kam dafür 1527 der Löner ebenbürtige Nikolaus Medler138 als Rektor aus Wit-
tenberg nach Hof. Löner kehrte nach dem Tode Kasimirs als Prediger zurück. Der deutsche Pfarrgottes-
dienst konnte wegen des Widerstandes des Markgrafen Friedrich und seines Pfarrverwesers erst am
5. September 1529 in St. Michael eingeführt werden. Diese Kirche wurde, da die Pfarrstelle nach dem
Verzicht des Markgrafen Friedrich im Jahre 1531 nicht mehr besetzt wurde und der Prediger von St. Mi-
chael in der evangelischen Zeit ohnehin die geistliche Führung überkam, bald überhaupt zur Pfarr-
kirche, während St. Lorenz zur Friedhofskirche herabsank. Löner und sein Mitarbeiter Medler mußten
zwar 1531 vor dem altgläubigen gewalttätigen Amtshauptmann noch einmal und jetzt endgültig aus Hof
weichen159. Doch hatten beide inzwischen für Hof eine eigene Gottesdienstordnung geschaffen. Diese
wurde ohne Zusammenhang mit der nürnbergischen Entwicklung gestaltet, richtete sich also grundsätz-
lich nicht nach Luthers Formula Missae (1523), sondern nach seiner Deutschen Messe (1526), was
vor allen Dingen im Hauptgottesdienst gewisse Unterschiede mit sich brachte. Zu einer solchen fehlten
ihnen in den damaligen Gesangbüchern die Lieder für eine ganze Reihe von Sonn- und Feiertagen.
Solche dichtete Löner daher. Dieses zunächst nur schriftlich vorhandene Gesangbuch wurde 1538 in
Wittenberg als ,,Gesangbüchlein des höfischen Zion“ gedruckt, ist aber verloren140.
Löner und Medler gestalteten ihren Gottesdienst nicht nach den allgemeinen Richtlinien der Kir-
chenordnung von 1528, sondern richteten sich mehr nach Luthers Vorbild. Sie behielten - ähnlich wie
Nürnberg - alle evangelisch tragbaren Teile der Messe, vor allen Dingen die lateinische Sprache unter
Mitwirkung des Chores bei. Außerdem führten sie eine strenge de tempore-Gestaltung jedes einzelnen
Gottesdienstes durch. Ihre handschriftliche Zusammenstellung, ,,Canon oder Rubrica aller Kirchenord-
nung allhie zum Hof zu St. Michael“ ging leider anfangs 19. Jahrhunderts verloren.
134 Lang 3, 291. 135 Jordan 1, 48. 136 Wackernagel, Bibliographie 453. 137 Siehe Einleitung S. 65 Anm. 24.
138 Geb. Hof 1502. — 1521 Hof Lehrer, 1522 Eger Rektor, 1523 Wittenberg Student, 1527 Hof Rektor, 1529 Hof
St. Michael Gehilfe des Predigers, 1531 als evangelisch vertrieben, 1531 Wittenberg Gehilfe Luthers, 1536 Naum-
burg Wenzelkirche Pfarrer und Generalsuperintendent, 1545 Braunschweig Superintendent, 1551 Bernburg Hof-
prediger - † 1551 (O. Albrecht in: RE 12, 492-495. - Dietlein 8, 105-120. — Simon, BPfB Nr. 1533).
139 WA Briefe 6,118f.
140 Wackernagel, Bibliographie 199. 453. - Geyer, Gesangbücher 64ff. - Es darf nicht, wie es früher geschah,
in „Geistliche Lieder, Wittenberg 1538“ gesehen werden (Fr. Spitta, Herzog Albrecht von Preußen als geist-
licher Liederdichter, in: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 13 (1908) bes. 144-147 [Weiteres:
Schottenloher 32 622-32 634]. — Zwei Königsberger Gesangbücher von 1527. Faksimileneudruck. Kassel
1933. Einleitung 8ff.). Damit entfällt Löner als Verfasser einer großen Anzahl von Liedern, die man früher als
seine Schöpfungen ansah.

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