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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0322
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Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts - 1553 wurde Hof bei einer Belagerung während der Kriegs-
züge seines Landesherrn mehrere Wochen belagert und sehr schwer mitgenommen - geriet diese Kirchen-
ordnung vorwiegend durch die Schuld der musikalischen Leiter in Verfall und das, obwohl 1561 - von
dem Superintendenten Streitberger141 bearbeitet - ein neues Hofer Gesangbuch erschien: ,,Geistliche Lie-
der und Kirchengesang, so in der christlichen Gemein zum Hof auf etlich furnembste Feste gebräuch-
lich“142.
Da wurde 1581 in Hof in Enoch Widman143 ein Mann Kantor, der nun weithin Wandel schaffte.
Er war nicht nur ein weitschauender, tiefblickender Erzieher von umfassenden Interessen, sondern auch
ein überaus fleißiger Schreiber und eine energische Persönlichkeit. So schrieb er unter anderem eine sehr
bedeutsame Chronik seiner Vaterstadt. Mit größter Wahrscheinlichkeit darf in ihm auch nicht nur der
Mann gesehen werden, der 1585 - obwohl damals erst Tertius - die Lehrerordnung144 verfaßte, son-
dern auch der, der den Buchdrucker Pfeilschmidt zum Neudruck der brandenburg-nürnbergischen Kir-
chenordnung von 1533 im Jahr 1591 bewog145. Vor allen Dingen bemühte er sich aber um die Wieder-
belebung der alten Ordnung. Daß es sich dabei nicht um eine Neuschöpfung unter Benützung alter Stücke
handelte und daß diese Ordnung in ihrer Eigenart tatsächlich auf Löner und Medler persönlich zurück-
geht, ergibt sich abgesehen von den unmittelbaren Nachrichten darüber aus verschiedenen Einzelerschei-
nungen, die nicht nur in Franken, sondern auch in weiterem Umkreis nur gerade hier auftreten. Da-
zu gehörte z.B. die von Widmann als jetzt nicht mehr üblich bezeichnete jahrzehntelange Beibehaltung
des Mischungsritus der römischen Messe [commixtio]146. Sehr auffällig ist dann das Zusammenklingen
nicht nur der ganzen Grundhaltung dieser Kirchenordnung, sondern auch noch einer auffälligen Einzel-
heit einmal mit der von Nik. Medler (zeitweise gewiß zusammen mit K. Löner) geschaffenen Kirchen-
ordnung von Naumburg147 und sodann mit Löners Nördlinger Kirchenordnung148. Alle drei bringen
nämlich zwischen dem Introitus und dem Kyrie ein noch dazu wieder besonders, in diesen drei Fällen
aber gleich gestaltetes Confiteor149.
Schon allein dadurch und durch die dabei deutlich erkennbare große Reichweite in ihrer Ausstrah-
lungskraft tritt die Bedeutung dieser Arbeit der beiden Hofer Geistlichen hell ins Licht. Widmann baute
die Kirchenordnung nun nur so aus, daß sie den damals modernsten kirchenmusikalischen Ansprüchen
entsprach und das Hofer Musikleben eine ungewöhnliche Höhe erreichte.
1605 gab Widmann in zwei Ausgaben die liturgischen Stücke der Kirchenordnung heraus:

141 Aus Hof. — 1546 Braunschweig Prediger und Rektor, 1548 Hof Inspektor des Gymnasiums, 1542 Naumburg 2.
Diakonus, 1543 Prediger, 1552 Pfarrer in Hof, 1558 auch Superintendent, 1567 Kulmbach Generalsuperinten-
dent - † 1602 (Simon, BPfB 2465. —Weißmann, Pfarrschule 26f.).
142 Heute verloren (Geyer, Gesangbücher 70-94).
143 Geb. Hof 1551, 1581 Hof Kantor, 1582 Tertius, 1591 Konrektor, 1596 Rektor — † 1615 (Dietlein 8, 121-138).
144 CCC 1, 508-527. — Als nicht einschlägig wird sie hier nicht abgedruckt. Doch darf sie nicht unerwähnt bleiben.
Vgl. S. 293 Anm. 48. 145 Siehe Einleitung S. 122. Anm. 83. 146 Siehe unten S. 453.
147 Sehling 2, 55ff. 61-99. - Zur Datierung vgl.WA 35, 57-69. 627-631!
148 Nördlingen, Stadtarchiv. — Chr. Geyer, Die Nördlinger evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhun-
derts. München 1896.
149 Sehling 2, 72. 77. — Geyer, Nördlinger Kirchenordnungen 47f.— Unten S. 424 bei Anm. 41.— Hier liegt also die
Quelle einer dann im 19.und 20. Jahrhundert überausbeliebten Form, vgl. B. Klaus, Die Rüstgebetein: Leitur-
gia 2, 560—563. — Der Gedanke, daß der vorher in Naumburg tätige Pfarrer Joh. Streitberger (1552—1567) diese
Form nach Hof gebracht habe, hilft nicht, da damit die Verwendung in Nördlingen nicht erklärt werden kann. —
Dagegen darf man, so gerne man es auch tun möchte, die gleichfalls hier wie in Naumburg (Sehling 2, 72. 81
gegen Handbuch 1, 620 Nr. 342) und Nördlingen (Geyer, Nördlinger Kirchenordnungen, 48) gebräuchliche Stel-
lung des Vaterunsers vor den Einsetzungsworten nicht mehr auf die Ordnung Löners zurückführen. Diese Form
wurde in Hof vielmehr erst später übernommen (nach Widmann, S. 407!), und dabei darf an die Vermittler-
tätigkeit Streitbergers gedacht werden. Sie dürfte aber gewiß schon vorher zu Löners und Medlers Zeit in Hof
üblich gewesen sein, da Löner sie in der Naumburger Form in Nördlingen einführen wollte (München Haupt-
staatsarchiv, Reichsstadt Nördlingen Nr. 17).

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