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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0330
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Brandenburg-Ansbach-Kulmbach II

uf der hailigen furbitt und verdienst raisen kunden.
Wie schwerer wurde es zugeen, so man der hailigen
ehrung bleiben ließe, wurden auch die bäbstler in
irem irrtumb nit wenig bestätigt. Darumb so wer gut,
das alle gesang und lectiones von hailigen und festen
(ausgenomen deren, so in unsers gnedigen herrn kir-
chenordnung benent) abgestellt und underlassen
wurden, auf das also die ubung der hailigen geschrift
wider aufpracht wurde.
Und bliben inen gleich wol ir horae, das ist tag-
zeit als mettin, prim, terz, sext, non, vesper und
complet, wurde allain das bös, ergerlich und un-
gewis underlassen, welchs doch kain gutherziger
gotzverstendiger strafen kunde.
Nun ist auch meniglich bewust, das die horae
von inen bisher ganz unordenlich und unfleißig ge-
sungen sind worden mit solcher eil, das kain chor
auf den andem gemerket und gewartet hat und oft
der ander chor angefangen zu singen, ehe jener ausge-
sungen und sie selber nicht, noch vil weniger andere
versten kunden, was sie sungen, allain zu dem end ge-
eilet on allen fleis, verstand, aufmerken und andacht.
Welchs alles aigentlich daher komen, das sie ir
singen und lesen nicht fur ain ubung der hailigen
geschrift, sonder fur ain verdienstlich werk gehalten
und geacht haben, welcherlai weis sie es auch vol-
bracht, das sie damit Gott bezalt und gedient het-
ten, welchs doch ain rechter mißprauch der hailigen,
gottlichen geschrift und ain unerung Gottes ist, wie
dann von solichen geschrieben steet Math. am funf-
zehenden [8f.] aus Jesaia dem propheten: Dis folk
nahet sich zu mir mit seinem mund und ehret mich
mit seinen lippen. Aber ir herz ist ferr von mir. Aber
vergebenlich dinen sie mir etc.
So ist darzu ganz spottlich, das man die hailigen
psalm so unordenlich on andacht und ernst soll in
der kirchen plappern, so doch unser Herr Gott im
gaist und in der warhait will angebetet sein, wie

3 mettin (= Matutin und Laudes vereinigt). - Die da-
mals übliche Gewohnheit war, in jeder Woche den
ganzen Psalter durchzubeten. Davon traf der Haupt-
teil auf diese Gebetszeit, am Sonntag z. B. die Psal-
men 1—21. - Zum Chorgebet (= Breviergebet) über-
haupt: LThK 22, 679-684. - Eisenhofer 317 bis
341. - Goltzen, in: Leiturgia 3, 99-296. - Bre-
viarium iuxta morem Bambergensis ecclesiae.
Pars hiemalis Bamberg 1498 (Hain 3799 II). - Bre-

Christus Joan. 4 [24] sagt und sant Paulus mit gro-
ßen ernst vermanet, man soll die psalmen mit fleis
und ernst singen, als Ephe. 5 [19f.]: Redet under
ainander von psalmen und lobsengen und gaist-
lichen liedern! Singet und spilet dem Herrn in euerem
herzen und saget dank alle zeit fur alles Gott und
dem Vater in dem namen unsers Herrn Jesu Christi!
und Colos. 3 [16]: Lasset das wort Christi reichlich
under euch wonen in aller weishait! Leret und ver-
manet euch selbs mit psalmen und lobgesengen und
gaistlichen lieplichen liedern und singet dem Herrn
in euerm herzen etc!
Derhalben von nöten ist, das man solchen miß-
prauch widerumb zu ainen rechten, gottlichen ge-
brauch bring, nemlich zu ainer ubung der hailigen,
gettlichen geschrift und das doch soliches fein orden-
lich, langsam, mit verstand und aufmerken, mit
rechter paus und guter ordnung geschee, das sie selbs
dadurch gebessert werden und die hailigen geschrift
recht leren, bauchen und versteen.
Aber solche nutzliche ubung kan mit solichen eilen
nit geschehen. So belagen sich auch selbs die stifts-
personen, ir gesang sei zu lang und kund in solicher
kurzen zeit nicht verricht werden, sie eilen dann also
und plappern ains under das ander.
Darauf wir bedacht haben, das es feiner und bes-
ser wer, das sie zu der mettin3 fein langsam, mit
guter paus und fleis allein drei psalmen sungen, wie
es zwischen Ostern und Pfingsten mit austailung der
nocturn4 und psalmen gehalten wurd.
Darauf drei lectiones und drei responsoria aus dem
alten testament, wie man kan gewißlich abnemen
aus der austailung der historien und lectionen, die
noch vorhanden und zum tail in prauch sind, das
von alters her die biblia in die lection zur mettin also
ausgetailet gewesen sei, das in ainem jar die ganz
bibel von anfang bis zum end ausgelesen ist wor-
den5. Dieweil aber zu disen letzten und geferlichen
viarium secundum usum chorumque ecclesiae
Bambergensis noviter revisum, Pars estivalis. Bam-
berg 1519.
4 nocturn = die in die Matutin aufgegangenen Nacht-
gebete.
5 Zwar dienen sämtliche Bücher der Bibel zur fort-
laufenden Lesung. Von sehr vielen wird aber nur der
Anfang gelesen (Goltzen, in: Leiturgia 3,252).

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