Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0391
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV 15 Ehegericht in Kulmbach 1567

III.
Von kindern, so sich ohne vorwissen und
wider irer eltern und vormund willen
verheiraten.
In diesem falle, wann die eltern rechtmeßige, wich-
tige und erhebliche ursachen haben ires widerset-
zens, als da das kind zu jung oder böslich und be-
trüglich verkuppelt worden oder der gegenteil gro-
ßer laster und untugend beschreit ist, und das kind
nachmals seinen eltern zu gehorsamen bewilligt und
sie, die eltern, je nicht zu bereden seind, soll das ver-
meinte ehegelubnus annihilirt und uncreftig erkant
und das kind seinen eltern wider heimgesprochen
werden, welches doch ohne billiche, rechtmeßige ur-
sachen als umb armut oder reichtums und derglei-
chen nichtigen ursachen willen keines weges ge-
schehen soll.
Da auch das kind auf seinem aignen kopf hals-
starriglich verharren und sich nicht wider in der
eltern gehorsamb geben wurde, soll die bewilligte
und zugesagte ehe ihren fortgang auch haben und
mit nichten zurissen werden.
Item, wenn copula carnalis gevolgt, kan der el-
tern einrede nicht mehr statt haben.
So haben auch die vormund nicht so vil gewalt
als die eltern. Darum, wan das pflegkind begert, zu
halten und seinem zusagen nachzusetzen, oder es zu
erkantnus des consistorii setzet, können die vor-
münde keinen eintrag tun und soll alsdann die ehe-
versprechung kreftig erkant werden. Wenn aber das
pflegkind schändlich verkuppelt und angefürt wor-
den und darzu noch minderjärig, söllen die vormund
sich der sachen ernstlich annehmen und das consi-
storium ein billichs einsehen haben.
Die condition, wofern es den eltern oder vormun-
den gefellig, soll hierbei auch als erbar angesehen
werden und nicht darwider gehandelt oder geurteilet
werden.
IV.
Von denen, so einander der ehe nicht
gestendig.
Die andern heimblichen und doch von beeden tei-

4 Sprichwörtliche Beweisregel nach Codex Justiniani
lib. 2 tit. I 4: Actore enim non prohante, qui ...
convenitur, obtinebit (dazu Ausgabe des Corpus
juris civilis [Leipzig bei Gleditsch 1740] 89 Fuß-

len bekantlichen ehegelubnus sollen nullo impedi-
mento obstante in allweg gehalten werden. Wann
aber ains der andern der ehe nicht gestendig und
man der sachen keinen gewissen grund haben kan,
da heist es simpliciter: Actore non probante reus
absolvitur 4.
Were aber probatio semiplena oder ein schwen-
gerung sambt andern vermuetungen vorhanden, so
müste der beklagte mit dem jurament sich purgiren.
Sonst soll er ohne aidschwur, auch im falle der
schwechung, sintemal consensus mutuus und nicht
copula carnahs ain ehe macht, absolvirt, aber doch
zuvor vleißig erinnert und sein gewissen gerurt wer-
den. Dem cleger aber soll iuramentum in supplemen-
tum probationis niemals zuerkant oder auferlegt
werden.
Gleichwol zuvor und, ehe das urteil ausgesprochen
wurd, soll mit bewilligung und vollmechtiger heimb-
stellung beeder parteien der schwechung und schwen-
gerung halben ein vertrag gemacht und dem un-
gezweifelten kindsvater das kind, nachdem es ein
halb jar von der mutter erneret, dasselbige hinfuro
zu erziehen zugeteilt und dem weibe, sei jungfrau
gewesen oder witbe, fünfundzwainzig gulden unge-
ferhch, weniger oder mehr nach gelegenheit der umb-
stende, für ir ehr und kosten, so ihr das halbjar mit
dem kind aufgelofen, bar oder zu fristen von der zeit
der geburt an vom beschlafer zu empfahen und, so
sie das kind guetwillig behalten und selbst erziehen
wolte, dem kinde auch alimenta gesprochen werden.
Es heist doch in solchem falle: Aut ducat aut dotet5.
V.
Von der, welche vor dem verlöbnus von
einem andern unwidersprechlich geschwecht
oder auch geschwengert gewesen ist.
In diesem fah ist der man oder auch der breuti-
gam das weib oder seine vertraute zu behalten
schuldig, wann sie allein vor und nicht auch nach
der verlöbnus schande geübt hat. Aber der schwe-
chung und schwengerung halben soll laut des vor-
gehenden virten casus zwischen dem weib und stup-
note: id est, absolvetur ...).
5 Aus der ursprünglichen Form Et dotet et ducat
(nach 2. Mose 22, 15; 5. Mose 22, 28f.) auf Grund
von 2. Mose 22, 16 erweichte Regel für die Behand-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften