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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0410
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Brandenburg-Ansbach-Kulmbach II

die mesner disfals vleißig in acht haben und, do sie
vermerken, das sie solches tun, abschaffen.
Weil auch der exorcismus32 in unser kirchenord-
nung aus erheblichen ursachen in der generalvisi-
tation mit etlichen worten mitigirt und gelindert,
auch die papistischen creuz abgeton worden33, soll
vortan solche mitigation von den kirchendienern an
allen orten im fürstentumb under- und oberhalb des
gebirgs, ärgernis und unnötig gezenk zu verhueten,
gleich gehalten und derenthalben keine spaltung an-
gefangen werden.
V.
Von toten und begrebnussen.
Dieweil mit begrebnus der jungen kinder, so ent-
weder vor der tauf oder bald nach der tauf oder uber
etliche jar hernach, ehe das heilig abentmal emp-
fangen, gestorben, große ungleicheit gehalten wor-
den, dass die ungetauften kinder nicht an die ort be-
graben worden, do andere christen begraben sein34,
die getauften aber, so das zwolfte jar nicht erraicht,
auch das abentmal nicht empfangen, an etlichen orten
den alten gleich mit der proceß und schuelern, an an-
dern orten aber ohne proceß und ohnedieschuelerin
der still zum begrebtnus belaidet werden, dadurch
christlichen eltern nicht allein groß betrubtnus ge-
macht, sondern oftmals die mutter als der schwech-
ste werkzeug in große anfechtung geraten, soll fortan
hierinnen nachvolgende ordnung gehalten werden:
Die kinder, so vor der rechten geburtszeit durch
ein mißgeburt an die welt kommen und nicht an die

wundern führte, lebte im lutherischen Raum noch
geraume Zeit weiter. Vgl. z. B. Gründtliher [!] war-
haffter Bericht, wie sich am tag Küngundis den 3.Mar-
tii zwischen etlichen Dienstmägden aufm Feldt nit
weyt von dem Dorff Poppenreuth... für ein wunder-
liche erschröckliche Geschicht verloffen vnnd zu-
getragen... Nürmberg 1567. - In verschiedenen Ge-
bieten wurde daher bei der Abendmahlsfeier darauf
gesehen, daß nur so viele Hostien aufgelegt wurden,
als sich Kommunikanten gemeldet hatten, bzw. daß
die übriggebliebenen Hostien wie auch der übrig ge-
bliebene Wein vom Pfarrer oder Mesner konsumiert
wurden (vgl.auch S. 49 bei Anm. 23 und 531 Anm. 3!).
32 Statt ,,Fahr aus!“ war gesetzt worden: „Weiche!“,
statt ,,Ich beschwöre dich“: ,,Ich gebiete dir...“.
Vgl. S. 179! 33 1556; vgl. oben S. 336.
34 Ungetaufte konnten im Mittelalter wie noch heute

stadt35 getragen werden, sollen ohne proceß und
schueler durch die hebamme und etliche ehrliche wei-
ber in der still zur begrebtnus belaitet, aber doch bei
andern christen begraben werden, sintemal an irer
seeligkeit nicht zue zweifeln, so sie mit glaubigem
gebet Gott dem Allmechtigen bevolen werden.
Die kinder, so von den muttern an die stadt ge-
tragen worden und in der kümmerlichen geburt, ehe
sie die tauf erlangt, abgestorben sein, seind aber
durch das gebet Gott dem Allmechtigen vermög sei-
ner verheißung, da er gesagt [1.Mos. 17,7]: ,,Ich bin
dein Gott und deines samens nach dir“, bevoln wor-
den, sollen mit der proceß und mit den schuelern auf
der eltern begern begraben werden.
Gleicher weis sollen die kinder, so die tauf erlangt
und bald hernach oder auch, ehe sie das zwolfte jar
erraicht und das heilige abentmal empfangen haben,
verstorben, hinfuro mit christlichen ceremonien zur
erden bestattet werden.
Damit aber hierdurch die lateinische schuel nicht
versaumet und notwendige gescheft beim ministerio
nicht verhindert werden, sollen die eltern ihrer toten
kinder begrebnus hinfuro also anstellen, das sie auf
eine gewisse stund und nemblich umb zwolf uhr zue
mittag begraben werden mügen, darzu jedesmals aus
den pauperibus, so auf der schuel alhie36 underhal-
ten werden, etwa zwolf oder mehr knaben, doch
ohne praeceptorn, der unterdes mit den andern kna-
ben bei der schuelen seine gewonliche stund haben
und seine stadt ein diaconus, der als wöchner mit
der leich gehet, vertreten kan, gebraucht werden
konnen, und mag mit einer besondern glocken nur
nach katholischem Kirchenrecht kein kirchliches Be-
gräbnis, also auch keine Bestattung auf einem kirch-
lich geweihten Friedhof als einer res spiritualis erhal-
ten (Hartmann 644. — Wetzer 2, 200. - LThK 22,
118f.). Sie wurden außerhalb des Friedhofs oder an
einem nicht geweihten Teil eines solchen beigesetzt.
Dagegen kannte man damals schon für getaufte Kin-
der, die vor dem 7. Lebensjahr, als in der Tauf-
unschuld verstorben waren, einen besonderen Ritus
von freudigem Charakter (Hartmann 644ff. -
Wetzer 2,199.- RGG l3, 964).
35 = bis zur rechtmäßigen Gehurtszeit.
36 Diese Bestimmung hatte von den beiden Sitzen des
Konsistoriums nur für Ansbach Bedeutung, da nur
dort eine entsprechende Schule vorhanden war.
Außerdem konnte sie aber noch für Hof Bedeutung
gewinnen (vgl. Einleitung S. 293!).

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