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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0502
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Über die räumliche Verbreitung dieses Agendbüchleins, das weithin seinen Ausgangspunkt - die
Kirchenordnungen von 1533-im praktischen Gebrauch verdrängte, wurde bereits bei der Darstellung des
Einflußbereiches dieser Kirchenordnung gesprochen20.
Das Kirchenbuchwesen, in dem sich Nürnberg so führend gezeigt hatte, baute die Stadt nicht aus.
Anordnungen erfolgten über die der KO von 1533 hinaus nicht mehr.In der Stadt begann St.Lorenz
1547, St. Sebald 1557 auch mit der Führung von Beerdigungsbüchern21. Kommunikantenbücher wur-
den nicht geführt. Das hing damit zusammen, daß freie Beichtvaterwahl in der ganzen Stadt bestand.
Diese Beichtväter allerdings sollten Kommunikantenverzeichnisse führen, wenigstens sollten sie lässige
Abendmahlsgäste melden22. Auf dem Lande legten Geistliche von sich aus - allerdings meist erst im
nächsten oder gar übernächsten Jahrhundert entsprechende Bücher an.

Die kirchliche Verfassung.
Die kirchliche Verfassung in Nürnberg wurde nie gesetzmäßig festgelegt. Seit dem Jahr 1525 übte
der Rat das ganze Kirchenregiment selbst aus. Er bestellte einen Kirchenpfleger mit einem Kirchenamt.
Nicht einmal Pfarrer an den beiden Nürnberger Pfarreien wurden mehr ernannt, weil man in ihnen
die Nachfolger der Pröpste beargwöhnte. Die Pfarramtsgeschäfte führte der sogenannte Schaffer, der
rangmäßig unter dem Prediger stand. (Als Amtsbezeichnung für die übrigen Geistlichen wurde Dia-
konus üblich.) Eine einheitliche geistliche Leitung (durch einen Superintendenten) wurde nie geschaf-
fen, wenn auch eine Zeitlang der Titel Superintendent verliehen wurde23. Je nach den Patronats- oder
weltlichen Hoheitsverhältnissen unterstanden die einzelnen Pfarreien zunächst Verwaltungsämtern der
Stadt, dem Großen Almosen, dem Landalmosen, Landpflegeamt, Spitalamt usw. Die Zuständigkeit des
Kirchenamtes war dadurch so ziemlich auf die Stadt selbst beschränkt. Die Ehegerichtsbarkeit übten
allein die bürgerlichen Gerichte. So erhielt in Nürnberg ganz im Unterschied von Brandenburg-Ansbach-
Bayreuth die Kirche nicht eine selbständige, neben dem weltlichen Regiment stehende Behörde, durch
die die Stadt ihren Summepiskopat ausübte. Das ganze Kirchenregiment war einfach dem weltlichen
Regiment eingegliedert. Dabei darf aber freilich nicht übersehen werden, daß Nürnberg 1583 in Altdorf
eine eigene Universität errichtete, deren theologischer Fakultät manche Aufgabe übertragen und die viel-
fach gutachtlich herangezogen wurde.
Diese enge Verpfiichtung von Kirche und Staat zeigt sich sehr anschaulich darin, daß die Land-
pfarrer zur Verkündigung der allgemeinen polizeilichen Vorschriften verpflichtet waren. So erschien z.B.
1548 ein staatliches Buch der ,,Mandata oder Gesetze, jerlich am ersten oder andern suntag in der vasten
auf dem lande zu verkünden.“ Eine Predigt war an diesem Sonntag nicht mehr möglich. Die Mandate
begannen zwar damit24, ,,daß niemand Gott oder sein wirdige mutter Mariam soll lästern noch streflich
schweren, schelten oder fluchen“, dann ,,Die jungfrauen Mariam betreffen“, ,,Den leib, glieder und
anders des Herrn Christi betreffen“ (gegen das Fluchen), ,,an feiertägen, unter den göttlichen ampten
niemand zum essen oder trinken setzen“, brachte ein ,,Verpot der winkelee“, ,,Verkündigung der ehe“,
befaßte sich mit ,,Lautmehrung und heirattägen“25, Hochzeittagen, Kindtaufordnungen, mißgläu-
bigen Leuten und neuen Sekten, ermahnte zu Gottesdienstbesuch und christlicher Lebensführung und
20 Siehe oben S. 124!
21 Burger, Totenbücher. — G. Hirschmann, Die Nürnberger Totengeläutbücher und Ratstotenbücher, in: Blätter
für fränkische Familienkunde 7 (1958) 98-109. 22 M. Simon,M. J. Schwindel, in:ZbKG 23(1954) 32. 34.
23 Strobel, Miscellaneen 4, 212. 24 Vorhanden z. B. NLA 4º1609.
25 Lautmerung [Handschlag oder vermehelung] = Veröffentlichung (Schmeller 2, 1531). — Gemeint ist mit bei-
den Wörtern die Verlobung, die damals noch rechtlicher Abschluß der Ehe war und mit einer Gasterei verbunden
zu sein pflegte.

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