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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0507
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

selb zuforderst mit. Ist er in seim hause, liset, stu-
dirt, bedenkt sich auf seine predigt, solches geschicht
wol der kirchen zu gut. Aber er bedarf und gneußet
solcher arbeit auch für sich selb; denn ob er gleich
kein prediger wer, so bedörfte er doch, das er sich
im wort teglich übete. Da nun andere leut sich ire
hendel und gescheft an solchem lassen hindern, da
treibt den kirchendiener sein ambt, das er die bibel
und andere gute bücher für sich nemen und in Got-
tes wort sich muß üben. Darumb gehet es hie, wie
Paulus sagt, 1.Timo.2 [6]: Es sol der ackerman, der
den acker bauet, der früchte am ersten genießen.
Also, wo ein kirchendiener ambts halb hingehen,
ein kindlein taufen, einen kranken mit dem hoch-
wirdigen sacrament bewaren und mit Gottes wort
trösten oder sonst jemand von sünden entbinden
soll, da dienet er seinem nechsten mit dem höchsten
und grösten dienst, der auf erden kan fürfallen. Denn
das kindlein kombt durch die tauf zu Gottes gnad.
Es wird von sünden und dem ewigen tod ledig und
ein erb des ewigen lebens. Der kranke mensch, so
es one solchen trost wer, würde er schmerzen und
kümmernus halb verzagen. Aber da empfehet er ge-
wissen trost durch das wort und den leib und das
blut Christi, so ihm zur speise und zum trank ge-
geben wird. Gibt sich derhalb in Gottes willen und
fasset die hoffnung des ewigen lebens durch Chri-
stum. Hie sage mir, ob auch müglich sei, das ein
mensch dem andern könne mer und besser dienen ?
Es ist mit gelt, gut und anderm nichts. Wenn du
schon des türkischen keisers schatz eim betrübten,
bekümmerten menschen woltest schenken, was were
es gegen disem, da du vergebung der sünden und die
hoffnung des ewigen lebens mit deinem dienst im zu
hause bringest und zu eigen gibst ? Also dienest du
deinem nechsten mit dem höchsten und grösten
dienst, und dennoch dienest doch im nit allein; du
dienest dir selb mit. Denn, wo du anders nicht ein
unvernünftiges vihe bist und ein wenig dich besinnen
wilt, was du zu tun habest, wenn du ein kindlein
taufest, wirst du dich von herzen deiner tauf trösten
müssen. Du wirst dich deiner eigen fahr erinnern
müssen, wenn du einen todkranken menschen wider
den tod und seine sünde tröstest. Der not halb schei-
net es, jener bedürfte solchs trosts baß denn du. Aber
in der warheit sind wir in solchem fall alle gleich und

ist das wort und der trost wider die sünd dem ge-
sunden gleich so wol von nöten als dem kranken. Da
nun andere gesunde hingehen, an Got und sein wort
nit gedenken, da hat der kirchendiener, so oft er mit
seinem ambt umbgehet, ursach, das ers nit vergesse,
sonder übe, und ist da in der rechten schul, da es
nit schimpf noch heuchelei, sonder ernst ist; denn
am todbett laufets nit ler. Es finden sich allerlei zu-
felle, die uns leren, wie der trost des worts so hoch
von nöten sei, wie schwerlich er zu fassen und zu be-
halten sei, wie der feind sich darumb annimbt, das
er unsere herzen anderswo hinfüren und solchen trost
aus den augen rucken könne.
Sihe, da findet sichs, das Paulus sagt: Wer eines
bischofes ambt begeret, der begeret eines köstlichen
werks. Denn zu beiden teilen ist es köstlich. Erst-
lich dasjenigen halb, der solches ambts bedarf, daß
man in taufen und vons Teufels reich ledig mache,
das man ihn mit Gottes wort unterrichte und tröste,
das man ihn von sünden entbinde, mit dem hoch-
wirdigen sacrament in seim letzten beware etc. Und
darnach deinthalb, der du solches werk übest. Denn
du bedarfst sein auch und geschicht, indem du an-
dere lerest, lehrest du dich selb, indem du andere
tröstest, tröstest du dich selb, indem du andere er-
manest, ermanestu dich selb. Was woltest du oder
wie köntest du ein bessers, gotseligers, heiligers leben
dir oder deinen kinden und liebsten freunden wund-
schen oder wehlen ? Alles, womit du umbgehest, die-
net zu Gottes ehr und heiligung und erkentnus sei-
nes namens, es dienet zu ander leut und dein selbs
seligkeit, da dagegen andere, so in weltlichen hen-
deln sind, alle stund und augenblick reizung und an-
leitung haben, das sie sich in weltliche hendel ver-
stecken und Gottes und seines worts gar vergessen.
Denn Christus leugt nicht: Reichtumb, sorg und wol-
lust des lebens, spricht er, sind wie die dornen und
erstecken die frücht des worts im herzen, das es nicht
kan uber sich kommen [Marc.4,19].
Nun bist du aber auch kein vollkommener heilig.
Du hast auch fleisch und blut an dir. Das ist geneigt
auf das weltlich und zum geistlichen und ewigen ist
es sehr treg und faul. Aber da dienet dir dein ambt
zum besten. Du gneußest sein am höchsten, das du
immerdar ursach hast, mit Got und den heiligen göt-
lichen werken umbzugehen. Dein stand treibt dich

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