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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0618
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Rothenburg

kirchenordnung, so bis anher in ihrer stat und uf
dem land gebraucht worden, durch die verordneten
ubersehen, erneuet und gebessert, auch von einem
erbern rat approbiert und confirmiert und den kir-
chendiener[n] ernstlich uferlegt, derselbigen sich in
iren kirchenämptern gemeß zu halten, wil die not
erhaischen, uf mittel und weg zu gedenken, wie ge-
dachte ordnung nicht allein allenthalben in das werk
gebracht, sonder auch künftiglichen erhalten wer-
den möchte.
Demnach hab ich ufs kurzest und einfeltigest et-
liche capita verzeichnen wollen, so zu erhaltung der-
selben fast dienstlich und nützlich sein möchten,
und weil in der kirchenordnung das erst und für-
nembst capitel ist von der leer, so in der kirchen
Gottes soll geleret und getrieben werden, würd von
nöten sein, das man sich zuvorderst umb fromme,
gelerte, geschickte und taugenliche personen umb-
sehen, durch deren dienst die christlich gemain soll
erbauet werden.
Was nun die person der kirchendiener belangt und
wie sie gestaltet sein sollen, zuvor und ehe sie zum
kirchendienst auf- und angenommen werden, wil ich
erstlich anzaigen.
Von den kirchendienern, wie sie
anfgenommen werden söllen.
Erstlich: zuvor und ehe mit einem kirchendiener, so
umb ein kirchendienst anhelt, handlung gepflegt
werde, soll er seine literas testimoniales leer und
lebens halben auflegen, wo er sich gehalten, damit
man dessen gute kundschaft habe; dann St. Paulus
vermahnt ernstlich, das man niemand bald soll die
hend auflegen und sich frembder sünden teilhaftig
machen; dann, was an den einfeltigen zuhörern ver-

7 Cyprian, Bischof von Karthago († 258), sieht die von
ihm stark betonte Einheit der Kirche in dem aus
gleichberechtigten Gliedern bestehenden Episkopat
verkörpert und sagt so: „Episcopatus unus est, cuius
a singulis in solidum pars tenetur“ (De unitate eccle-
siae 5 [MSL 4 Sp. 516 Abschn. 501. - Deutsch:
BKV Cyprian 1, 37]. - Zu den Auseinandersetzungen
über seine Meinung aaO. und LThK 32, 115ff.).
8 Bekenntnisschriften 44-137.
9 Gemeint ist Philipp Melanchthons großes theologi-
sches Werk, das seit 1543 in seiner 3. Ausgabe, und
eben 1539 in 4. Ausgabe (CR 21, 560-1106) erschien.

saumbt, darfür müssen an jenem tag rechenschaft
geben, so der kirchen untüchtige leut fürstellen, die
der gemain Gottes nicht, wie sich gebüret, fürsteen
kunden. Sonderlich aber ist christlicher oberkeit hie
wol aufzusehen, so sich als ein fürnem glid des leibs
Christi (welche ist die christliche kirch) solches ambts
unterwinden muß, das der ganzen kirchen (wie Cy-
prianus schreibt7) zugehörig, und aber die bischof
in irem ampt farlessig und die gemain vil zu unver-
stendig ist, diese notwendig und christliche verord-
nung zu tragen.
Nachdem sich aber auch oft zugetragen, das von
etlichen vaganten oder ergerlichen personen com-
mentationes mehr durch gunst oder, das man ir nur
abkumme, dann nach iren gaben und wolhalten aus-
gebracht, demnach würd von nöten sein, das man
nicht alwegen, sunderlich des lebens halben, uf die
bloßen zeugnus gehe, sundern vermüglich vleißige
erkundigung gehalten, damit nicht unbedachter weis
ein kirchendiener auf- und angenommen, den man
nachmals mit spott und ergernus, auch verkleine-
rung des ministerii widerumb urlauben müßte.
Zum andern ist hoch von nöten, das solche per-
sonen in allen und sonderlich den fürnembsten ar-
tikel unserer christlichen leer examiniert werden,
dardurch erkundiget würd nicht allein, ob ainer
nicht mit irrigen opinionen und secten befleckt oder
nicht, sonder auch, ob er die raine leer aus der pro-
pheten und apostel geschriften beweisen und dar-
tan und die irrige leer mit gedachtem grund wider-
legen kunde.
Die capita aber, darauf ein kirchendiener befragt
werden soll, und nicht allein in der Augsburgischen
confession8, sonder auch und etwas weitläufiger in
locis communibus Philippi9 und dem examine Wit-
tembergensi10 begriffen, darnach sich der verordnet
Deutsche Ausgaben: CR 22. - Melanchthons Werke,
herausgegeben von Stupperich R., 2 I. II. Güters-
loh 1953.
10 Infolge eines Lesefehlers hat der Schreiber eindeutig
wirttembergico geschriehen, was im Text berichtigt
ist. Gemeint ist Philipp Melanchthons zuerst ohne
Verfasserangabe als Bestandteil von Kirchenord-
nungen, seit 1554 auch selbständig, seit 1558 auch
unter Nennung des Verfassers erschienenes Werk:
Examen eorum, qui audiuntur ante ritum ordinatio-
nis (C R 23 XXXV-CX [deutsch]; 1-106 [lateinisch]).

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