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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0644
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Schweinfurt

aufs predigen, denn besonder feiertage anzusetzen,
gedacht haben. Und Paulus schreibt 1. Corin. 1 [17]:
Christus hat mich nicht gesand zu teufen, sondern
das evangelion zu predigen. Nicht also zu verstehen,
das teufen von Christo nicht befolhen sei, sonder das
die predig des evangelii zum fürnemsten mus ge-
triben werden und auch der glaub aus der predig
kompt, Roma. 10 [17]. Und wiewol wir wissen, das
die groben, unverstendigen, verruckten menschen
auf die predig spotten, wie der Herr auch Hesekiel
am 33. [31] sagt,und viel mehr und größer achten
das tegliche plerren, heulen, und schreien, so sollen
wir uns das nicht irren lassen, sondern viel mehr
dem Teufel und seinem haufen zu trotz mit großer
freidigkeit7 und bestendigkeit auftreten, rufen und
predigen. Und weis fürwar, wer den Geist des Herrn
hat, wird keiner predig müde, sat noch überdrüssig
werden.
Wenn nun aber die predig aufs allerbeste wider-
umb angerichtet, sollen auch andere gute christliche
ordnung und ceremonien dovor und hernach getrie-
ben werden. Denn auch in sonderheit das gesang in
der kirchen nicht allein ein ordenliche zierde und
schmuckt ist, zur leiblichen freucle und lust an-
gefangen, sondern auch ein gut nutzlich werk, dar-
in Gottes wort und christliche lere gehandelt wird;
denn wiewol Gottes wort, als itzt berürt ist, fürnem-
lich durch die gemeine, gebreuchliche rede der predig
zu verkündigen verordent ist, hat nicht desto weni-
gers der Geist Gottes in den heiligen propheten für
gut angesehen, das die göttliche lere auch durch ge-
sangsweise in der kirchen getriben werde. So sagt
auch der heilige Paulus [Kol. 3, 16]: Leret und er-
manet euch selbs mit psalmen und lobsengen und
geistlichen, lieblichen liedern und singet dem Herrn
in eurem herzen! Hieraus ist wol zu nemen, was man
vom gesang halten solle, nemlich: das der kirchen-
gesang nicht für einen solchen gottsdienst zu halten
sei, der von wegen des eußerlichen, ordenlichen
werks Gottes gnade verdiene, sondern das er ein
stuck der predig sei, dorin ein jeglicher sich selbst
und seinen mitsenger oder zuhörer des götlichen

7 = Unverdrossenheit (Schmeller 1,807).
8 Wechselgesänge zwischen Vorsänger und Chor.
9 = Antiphona oder Antiphonae, Wechselgesänge zwi-
schen zwei Chören.

worts nach anweisung eines jeglichen gesangs er-
innere, auch zu Gottes lob, zu Gottes forcht und ver-
trauen, zu trost und freude des gewissens gegen Gott
aufwecke. Zudem sol auch die musica und allerlei
gute christliche gesang umb der jugent willen nicht
aus der kirchen getan werden und sonderlichen sol-
len bleiben die feinen, reinen, lateinisch gesang, res-
ponsoria8, antifen9, hymni, psalmi Davidis; denn
uns nicht zimen wil, die gute arbeit der alten, zu-
voran do sie bei der schrift bleiben, zu schenden,
meistern oder endern. So sehen wir auch, das Got
unser Herr, wiewol vor dieser zeit greuliche finster-
nus gewesen, die seinen nicht gar gelassen hat und
je zuweilen gute gedanken ingeben hat, gute reine
gesang zu richten.
Aber dahin gehört nun ein sonderlicher verstand
und urteil, das, wenn die ceremonien mit predigen,
singen und lesen fein rein widerumb gefast und ver-
ordnet, man des allernötigesten stucks nicht ver-
gesse, nemlich: das dises alles nicht on nutz und
frucht, sondern der ganzen christlichen gemeine zu
gute und besserung geschehe. Nicht verstehe, das
man hiermit erwerbe und erlange als ex opere ope-
rato10 gnad, vergebung der sünde, ewiges leben, wie
hiervon vor dieser zeit den mönchen und sophisten
getreumet und viel andere leute mit dieser gift sind
beschmeist worden, davon hernach weiter angezeigt
sol werden, sonder das heist den christen, so do in
der kirchen gegenwertig, alles zu gute und besserung
gehandelt, wenn man also prediget, singet, liset, das
sie auch etwas davon bringen, das sie mögen haben
zur lere, ermanung und tröstung. Was solte doch das
große unnutze, vergeblich gepler, schreien und heu-
len, so etwan bis in die dritte oder vierte stunde ge-
weret hat, und do so wenig gewesen sind, die das
verstanden haben; ich will der besserung gerne ge-
schweigen. Man besehe und lese hiervon, was in der
gemeine zur besserung gehandelt sol werden, in der
ersten episteln an die Corinther cap. 14 [26]!
Nu wird aber das auch uberaus wol zu der bes-
serung dienen und viel frucht bringen, das man in
der kirchen oder versamlung der lieben christen
10 = durch das bloße Werk an sich.

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